Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Flechten – eine alte Handwerkstechnik
Das Wort Textilien stammt vom Lateinischen „texere“und bedeutet so viel wie Gewebe oder Geflecht.
Die Kunst rund um das Flechten hat seit jeher vor allem einen funktionellen Nutzen. Seit Tausenden von Jahren ist praktisch in jedem Haushalt auf der Erde ein Korb oder sonst ein geflochtener Gebrauchsgegenstand anzutreffen. Das Korbflechten ist eines der ältesten Handwerke der Welt. Wobei sich die Menschen die Technik offenbar von der Tier- und Pflanzenwelt abgeschaut haben. Wer sich beispielsweise ein einfaches Vogelnest ansieht, kann sich gut vorstellen, dass diese Konstruktion die Menschen vor Jahrtausenden inspiriert haben könnte. Der Unterschied zum Weben liegt übrigens darin, dass beim Flechten die Fäden nicht rechtwinklig zu der Produkthauptrichtung zugeführt werden.
Peddigrohr ist biegsam und robust
Weltweit wird mit allen möglichen biegsamen Materialien geflochten. Meist sind es zähere, biegsame Pflanzenfasern oder Zweige, mit welchen ein Netzwerk hergestellt wird. Früher wurden dafür hauptsächlich Stroh und Weiden verwendet, später vor allem der Stamm der Rattanpalme, auch unter der Bezeichnung Peddigrohr bekannt. Der Trend „Rattan“war geboren. Bereits seit vielen Generationen verwendet man Peddigschiene und Peddigrohr als Stuhlgeflecht-Material. Der biegsame und gleichzeitig robuste Naturstoff dient als Flechtmaterial für Stühle und wird zum Bespannen für die Sitzfläche oder Rückenlehne verwendet. Er ist nachgiebiger als klassisches Holz und somit deutlich bequemer.
Korbflechterei erlebt derzeit eine Renaissance
Galt die Korbflechterei vor einigen Jahren noch als aussterbender Beruf, erlebt sie heute eine Renaissance. Korbflechter oder Flechtwerkgestalter – wie es seit 2006 offiziell heißt – haben heute gute Jobchancen. Der Beruf ist staatlich anerkannt. Die Ausbildung dauert drei Jahre, im Anschluss daran ist der Meister möglich. Die Auszubildenden lernen Flechtarten und die zu gebrauchenden Materialien kennen. Bundesweit gibt es mit der staatlichen Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung im bayerischen Lichtenfels (dort ist auch ein Korbmachermuseum) nur noch eine Schule, die ausbildet und im Sommer eine Flechtakademie veranstaltet. Neben Lichtenfels ist ein zweites Korbflecht-Zentrum das nordrhein-westfälische Dahlhausen.
Korbflechter brauchen gerade einmal sechs Werkzeuge: Schere, Zollstock, Messer, Schlageisen sowie einen Ausstecher – das ist ein spezielles Messer mit breiter Spitze – und einen Pfriem, eine Art Dorn. Und natürlich das Wichtigste: geschickte Hände. Bis heute gibt es keine Maschinen, die so perfekt arbeiten wie die handwerklichen Hersteller von Stern-, Binsen-, oder Wickelrohrgeflecht. Industriell hergestellte Fertiggeflechte gibt es natürlich dennoch – sie eignen sich insbesondere für Wand-, Decken- und Heizkörperverkleidungen.
Die meisten Flechtwerkgestalter stellen nicht nur Körbe her und vertreiben diese, sie reparieren auch allerlei Geflochtenes und geben Seminare. Das Handwerk gilt als entspannend – und kreativ. Die Nachfrage nach entsprechenden Kursen steigt stetig, viele wollen das Flechten als Hobby erlernen. Ein handgeflochtener Korb ist zudem nachhaltig und zu 100 Prozent ein Naturprodukt.