Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Information als Werkzeug gegen Impf-Mythen
Studierende der Uni Bonn haben die Initiative „Impf dich“gegründet. Die Aktion bekämpft Halbwissen rund um Vakzine.
Es ist vielleicht nur eine Frage von Wochen. Dann wird er da sein, der Corona-Impfstoff. Und schon jetzt ist nicht nur bei Impfgegnern die Verunsicherung groß: Kann ich mich wirklich ohne Sorge vor Nebenwirkungen impfen lassen? Nicht nur vor diesem Hintergrund ist Aufklärungsarbeit wichtig – auch im akademischen Umfeld. „Rund ums Impfen gibt es viel Halbwissen, Mythen und Vorurteile“, sagt Steffen Künzel, der an der Uni Bonn Medizin studiert hat und heute Assistenzarzt an der Berliner Charité ist. „Während meines Studiums habe ich viele Dinge über das Impfen gehört, die einfach falsch sind. Dem wollte ich entgegentreten.“
Und so gründete er mit seiner Schwester und einigen Kommilitonen den Verein „Impf dich“. Die Idee: Schon in den Schulen durch spannende, interaktive Vorträge und offene Fragerunden Aufklärungsarbeit über Immunisierung und Impfungen leisten. „Wir sind selbst noch jung und haben so einen guten Draht zu den Schülern“, sagt der 28-Jährige. Aus der Gruppe in Bonn sind inzwischen mehr als 20 in verschiedenen Uni-Städten in ganz Deutschland mit rund 240 Aktiven Studierenden geworden. „Auch Professoren,
Ärzte und Apotheker haben sich unserem Netzwerk für mehr Impfbereitschaft angeschlossen und unterstützen den Verein.“
„Impf dich“wolle jedem selbst die Meinungsbildung und Risikoabschätzung überlassen, basierend auf der aktuellen wissenschaftlichen Meinung, so Künzel. „Viele Menschen sind einfach nicht gut genug informiert. Es geht uns nicht darum, Impfgegner zu überzeugen. Aber es gibt eine große Gruppe, die wenig über das Impfen weiß.“
Gerade junge Menschen seien offen für Argumente und Fakten. „In unseren Schulvorträgen gehen wir zum Beispiel darauf ein, was durch Impfungen schon erreicht wurde: dass wir weltweit keine Pocken mehr haben. Dass die Kinderlähmung besiegt wurde. Wir erklären auch, wie man den Impfausweis richtig liest. Und vor allem versuchen wir, jede Frage wissenschaftlich basiert zu beantworten und klare Fakten zu schaffen.“Die Medizinstudenten an den verschiedenen Standorten werden für diese Vorträge speziell geschult. „Damit bilden wir auch angehende Ärzte weiter, die dann auf dem neuesten Stand der Wissenschaft sind, was das Impfen angeht.“Und wenn eine Frage in der Schule vor Ort mal nicht beantwortet werden kann, wird sie an einen
Professor mit der entsprechenden Expertise weitergeleitet. „Wir arbeiten beispielsweise mit einem Reisemediziner zusammen, der sich nach seinem Arbeitstag abends noch hinsetzt und Mails ausführlich beantwortet“, sagt Steffen Künzel.
Die Frage, die dem „Impf dich“Team am häufigsten gestellt wird, ist diese: „Warum soll ich mich überhaupt impfen lassen? Eine Grippe macht mir doch nichts!“Darauf argumentieren Künzel und Co mit der sozialen Relevanz: „Vielleicht macht mir das nichts – wobei die meisten einen grippalen Infekt, bei dem man sich einige Tage unwohl fühlt, mit einer Grippe verwechseln. Bei einer Grippe liegt man auch als junger, gesunder Mensch eine Woche
im Bett. Wenn ich aber meinen Opa mit der Grippe anstecke, steckt der das schon um einiges schlechter weg. Und bei Covid-19 gilt das selbe Prinzip. Ich werde nicht daran sterben. Aber ich trage Verantwortung für Ältere, für Kränkere.“
Hinzu komme, dass Langzeit-Folgen sogenannter „Kinderkrankheiten“nicht zu unterschätzen seien. „Mumps etwa kann auf die Bauchspeicheldrüse schlagen. Oder bei Jungs auf die Hoden. Das sind doch Dinge, die möchte man nicht haben.“Und auch Eltern, die ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen würden, müssten sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein: „Mein Kindergartenkind ist vielleicht einige Tage krank. Aber für ein Kind mit Immunschwäche oder ein Neugeborenes kann eine Maserninfektion auch Schlimmeres bedeuten.“
Mit seinem Engagement möchte der junge Mediziner einen Beitrag für die Gesundheit in Deutschland leisten. „Denn nach sauberem Trinkwasser sind Impfungen die wirksamste Präventivmaßnahme für Infektionskrankheiten. Sie schützen nicht nur vor Erkrankungen, sie können Erreger auch ganz ausrotten, wie beispielsweise Polio oder Masern. Umso überraschender ist es, dass Krankheiten, gegen die
Impfungen existieren, weiter fortbestehen. Das ist ärgerlich, gerade für ein Land wie Deutschland, das über eine flächendeckende und kostenlose Gesundheitsversorgung verfügt.“
In Zukunft hofft „Impf dich“, das Engagement in Deutschland noch ausweiten zu können. Heißt konkret: An allen medizinischen Fakultäten Studierende zu gewinnen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Auch sollen Vorträge für Eltern in Kindergärten gestartet und mit Flüchtlingen gearbeitet werden.