Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Was Corona uns lehrt
Die uralten Klosterregeln können in der Pandemie Orientierung für alle geben.
Corona stellt vieles von dem infrage, was wir bisher für unumstößlich hielten. Das Virus stellt Fragen: an unseren Lebensstil, an unser Verhältnis zur Natur, an unser Zusammenleben, an mein Verhältnis zu mir selbst, zu meinen Mitmenschen und zu Gott. Eine Krise hat nur Sinn, wenn wir anders aus ihr hervorgehen, als wir in sie hineingegangen sind. Ich lebe in der Tradition des heiligen Benedikt und der heiligen Hildegard. In der Benediktsregel, die in den Klöstern seit 1500 Jahren gelebt wird, heißt es: „Niemand suche den eigenen Vorteil, sondern mehr den des anderen.“Die vielleicht wichtigste Lektion, die uns Corona lehren kann, wäre: Die Zeit des Egoismus und Individualismus ist vorbei, Miteinander und Füreinander sind das Gebot der Stunde.
Ein Zweites: Benedikt von Nursia und Hildegard von Bingen bezeichnen das Maß als „Mutter aller Tugenden“. Maßlosigkeit kann krank machen und ins Chaos führen. Demgegenüber steht das Maßhalten, das Sich-Einschränken. Corona lehrt uns, dass Verzichten bisweilen unausweichlich und auch möglich ist – nicht als Selbstzweck, sondern um eines höheren Gutes willen. Verzichten kann zu mehr innerer Freiheit, zu einem Mehr an Leben führen.
Ein Drittes: „Den drohenden Tod täglich vor Augen haben“, heißt es weiter in der Benediktsregel. Und ein wenig später: „Vor Sonnenuntergang Frieden schließen“– mit sich selbst, mit anderen und mit Gott. Corona lehrt uns, wie fragil das Leben ist. Die vielen Toten der Pandemie mahnen uns, dass wir alle jederzeit abberufen werden können. Das braucht uns keine Angst zu machen, aber kann achtsam sein lassen. So leben, dass die Begegnung mit unserem Schöpfer uns nicht „kalt erwischt“. Das wär’s. Ein Lebensprogramm – nicht nur in Corona-Zeiten.
An dieser Stelle haben Sie regelmäßig Kolumnen-Beiträge von Rainer Maria Kardinal Woelki lesen können. Angesichts der Vorwürfe gegen ihn im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche haben wir uns im Einvernehmen mit der Erzdiözese Köln entschieden, diese Zusammenarbeit nicht fortzusetzen. Ein zugesagtes Interview zu diesem Komplex hat der Bischof abgelehnt. Schwester Philippa Rath OSB ist Benediktinerin des Klosters St. Hildegard in Rüdesheim-Eibingen. Sie stammt aus Ratingen.