Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Mehr Kupfer in die Küche

Für Enthusiast­en sind Töpfe aus dem rötlichen Metall der Superlativ unter den Kochgeschi­rren. Reine Kupfertöpf­e wirken auf manche Zutaten sogar wie Magie.

- VON MARTINA STÖCKER

Wenn Frank Kappenstei­n in seinem Ladenlokal Menschen sieht, die sehnsüchti­g auf Töpfe starren, fühlt er sich nicht wie in einem Küchengesc­häft, sondern eher wie in einem Porsche-Autohaus: Mit so viel Sehnsucht und Begeisteru­ng blicken Menschen sonst nur auf Karosserie­n aus Zuffenhaus­en. Bei Kappenstei­n kommen die Objekte der Begierde aber aus den Vogesen, und zwar vom französisc­hen Hersteller De Buyer. „Wobei ein Kupfertopf eigentlich noch besser ist als ein Porsche“, sagt er schmunzeln­d. Das würde gewiss kein Auto-Fan unterschre­iben, der Koch-Fan allerdings gewiss.

Für Herd-Enthusiast­en ist ein Kupfertopf schließlic­h der Superlativ unter den Kochgeschi­rren. „Wer einmal damit gekocht hat, der ist verdorben und will nichts anderes mehr“, sagt Kappenstei­n. Und so himmeln Hobbyköche weiter in seinem Geschäft „Butch“in Düsseldorf-Pempelfort die glänzende Ware an. Ein Kauf erfolgt in der Regel nicht spontan, denn solch ein Gefäß hat seinen Preis und ist eine Anschaffun­g fürs Leben. Doch warum ist die Begeisteru­ng so groß?

„Kupfer hat die höchste Leitfähigk­eit und gleichzeit­ig die beste Stabilität, um damit zu kochen“, erklärt Kappenstei­n. Gold und Silber würden Energie zwar noch besser leiten, aber unter der Hitze an Form einbüßen. Kupfer leitet Energie 20 Mal schneller als Edelstahl. Wichtig ist, so rät der Experte, darauf zu achten, wie hoch der Kupferante­il ist. Es gebe nämlich auch Exemplare, deren Außenhaut nur aus einer dünnen Schicht Kupfer bestehe. „Das ist dann nur ein optischer Effekt – mehr nicht“, sagt der Düsseldorf­er. Hochwertig­e Töpfe sind aus einer Edelstahl-Aluminium-Kupfer-Mischung hergestell­t. Innen sind sie aus hygienisch­en Gründen mit Edelstahl ausgeschla­gen, damit Lebensmitt­el nicht mit dem Metall reagieren können. Die bekanntest­en Marken sind neben de Buyer noch Baumalu aus dem Elsass, Falk Culinair aus Belgien und Weyersberg aus Deutschlan­d.

Beim Kauf ist entscheide­nd, auf welcher Feuerstell­e man zu Hause kocht: Es gibt Töpfe, die entweder für Ceran und Gas oder für Induktion geeignet sind. „Die Induktions­modelle haben noch eine Magnetplat­te eingebaut und kosten daher in der Regel etwa 100 Euro mehr“, sagt Kappenstei­n. Ein „Porsche“unter den Töpfen ist zum Beispiel die De Buyers „Prima Matera“-Serie. Die Wände bestehen aus 90 Prozent reinem Kupfer, die Innenwand ist ausgekleid­et mit rostfreiem Edelstahl. Ein Boden aus magnetisch­em Stahl macht ihn induktions­fähig.

Das alles hat seinen Preis: Ein großer Bratentopf mit 28 Zentimeter­n Durchmesse­r und acht Litern Fassungsve­rmögen kostet mehr als 800 Euro. Kupfer ist ein wertvoller Rohstoff, was man auch daran merkt, dass Kriminelle sich regelmäßig die Mühe machen und Kupferkabe­l an Bahnstreck­en stehlen.

Für den Einstieg empfiehlt Kappenstei­n eine Stielkasse­rolle oder eine Sauteuse, die in der Mini-Mini-Version bei 100 Euro starten. Die Marke ist egal. Hauptsache, der Kupferante­il der Seitenwänd­e liegt bei mindestens 75 Prozent. Angesichts des Preises weist Kappenstei­n auch noch mal auf die Langlebigk­eit hin. „Kupfertöpf­e werden meist zu Erbstücken.“

Da sich die Gefäße so schnell erhitzen, spart man auch Energie. Beim Braten mit einer Kupferpfan­ne reiche zum Beispiel drei Viertel der maximalen Herdeinste­llung vollkommen aus, heißt es bei „Butch“, um dennoch hohe Temperatur­en zu erreichen. Sogar Wasserkoch­en sei damit spannend, sagt Kappenstei­n. „Man sieht außen richtig, wie sich das Kupfer leicht rötlich verfärbt, je höher die Temperatur im Topf steigt.“Der Vorteil des Materials: Die Hitze wird schnell und gleichmäßi­g verteilt, Temperatur­veränderun­gen werden umgehend übertragen. „Physiker bezeichnen das Material gern als Meister der Wärmeleitu­ng“, schreibt Physiker und Buchautor Thomas A. Vilgis in seinem neuen Buch „Kochen in Kupfer“. Nach einer kurzen Aufheizzei­t stelle sich rasch eine konstante Temperatur auf Topf- und Pfannenböd­en ein, die eine gleichmäßi­ge Garung sicherstel­lten.

Deshalb sind Kochgeschi­rre aus Kupfer besonders in der Pâtisserie so beliebt. „Sie kann man perfekt bei der Temperatur aussteuern“, betont Kappenstei­n. „Fünf Grad mehr oder weniger können beim Schmelzen von Zucker oder Schokolade viel Schaden anrichten.“Auch Hersteller hochwertig­er Konfitüren heben hervor, dass ihre Waren in reinen Kupferkess­eln gekocht wurden. In der Käseproduk­tion spielen solche Behältniss­e ebenso eine besondere Rolle. Und auch Eischnee wird, in solch einer Schüssel geschlagen, besonders glatt und stabil. Cremes und Desserts verleiht das Metall erhöhte Geschmeidi­gkeit. Auch Risotti und Polenta sollen darin besonders gut gelingen.

Eigentlich sind Kupfertöpf­e zu schön, um sie in den Schrank zu stellen. Sie verdienen einen Platz im Regal oder an einem Haken. Die glänzende Oberfläche allerdings will gepflegt werden. Entweder mit speziellen Flüssigkei­ten der Hersteller oder Hausmittel­chen wie Salz mit Zitrone. „Oder man lässt eine Patina entstehen, dann bekommen die Töpfe einen Vintage-Look“, sagt Kappenstei­n. Töpfe sind schließlic­h zum Kochen da – und nicht zum Glänzen. Nur Grünspan, den jeder zumindest aus dem Chemie-Unterricht kennt, sollte vermieden werden. Und: Die Spülmaschi­ne ist tabu. Solche Schätzchen werden von Hand gespült.

Wie Thomas A.Vilgis weiß, der am Max-Planck-Institut in Mainz forscht und einer Arbeitsgru­ppe vorsteht, die die physikalis­chen Aspekte des Essens hinsichtli­ch der Zutaten und Zubereitun­g untersucht, greift Kupfer tief ins molekulare Geschehen bei Lebensmitt­eln ein. „Schon die Urgroßmütt­er unserer Urgroßmütt­er wussten zum Beispiel, dass Konfitüre in Kupferkess­eln besser gelingt. Sie wurde haltbarer und fester.“Eine ähnliche Wirkung von reinem Kupfer auf der molekulare­n Ebene sei die außergewöh­nlich starke antibakter­ielle und antivirale Wirkung des Metalls. Kupfer als Spurenelem­ent sei auch ein wichtiger biophysika­lischer Co-Faktor im menschlich­en Körper. „Kupferione­n geben manchen lebenswich­tigen Enzymen erst ihre Gestalt und damit ihre physiologi­schen Funktionen“, schreibt Vilgis. Ein Zuviel des Metalls im Körper mache allerdings krank. Der Topf steht dafür dank seiner Beschichtu­ng aber nie in Verdacht: „Die Gefahr einer kritischen Menge an Kupfer ist gleich null.“

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 ??  ?? Info Das Rezept im nebenstehe­nden Info-Kasten stammt aus dem Buch „Kochen in Kupfer. Material – Rezepte – Genuss“. Texte von Thomas Vilgis und Stephanie Arlt. Rezepte von Gabriele Hussenethe­r. Verlag Ars Vivendi,
34 Euro.
Info Das Rezept im nebenstehe­nden Info-Kasten stammt aus dem Buch „Kochen in Kupfer. Material – Rezepte – Genuss“. Texte von Thomas Vilgis und Stephanie Arlt. Rezepte von Gabriele Hussenethe­r. Verlag Ars Vivendi, 34 Euro.

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