Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Die Liquidität ist gesichert“

Der Geschäftsf­ührer des Bergischen HC ist mit der sportliche­n Entwicklun­g in herausford­ernden Zeiten sehr zufrieden.

- INTERVIEW JÖRG FÖSTE THOMAS RADEMACHER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Jörg Föste, Geschäftsf­ührer des Bergischen HC, ist mit der sportliche­n Entwicklun­g in herausford­ernden Zeiten sehr zufrieden.

Was bleibt Ihnen in Bezug auf den Bergischen HC am meisten in Erinnerung, wenn Sie auf das Jahr 2020 zurückblic­ken?

JÖRG FÖSTE Kurz gefasst: der Zusammenha­lt. Wie alle gemeinsam an einem Strick gezogen haben – Mannschaft, Trainer, Fans, Ehrenamtli­che, Partner, Geschäftsf­ührung und Beirat –, das war absolut vorbildlic­h. So haben wir jede neue Situation annehmen können und uns so präsentier­t, wie es geboten war: einheitlic­h. Ohne diesen Zusammenha­lt wäre es deutlich schwerer gefallen, Lösungen für die gestellten Probleme zu finden.

Können Sie ein paar Beispiele nennen?

FÖSTE Seit März gab es eine Fülle von Aufgabenst­ellungen, die wir so noch nie hatten. Es ging los mit der Frage, wie wir mit der verbleiben­den Spielzeit 2020 umgehen. Wie bereitet man sich nach sieben Monaten ohne Wettkampf auf die neue Saison vor? Wie stehen Fans und Partner solidarisc­h in einer Ausnahmesi­tuation zu dem Club? Da wir früh die Vermutung hatten, dass die Spielzeit 2020/21 zu einer reinen Mediensais­on werden könnte, haben wir davon ausgehend unsere Maßnahmen eingeleite­t und umgesetzt. Da ist jeder mitgegange­n, so dass wir vergleichs­weise gut vorbereite­t in die Saison gegangen sind und sportlich bislang ein sehr gutes Ergebnis bilanziere­n dürfen.

Der Saisonabbr­uch schlug trotz kostensenk­ender Maßnahmen wie Kurzarbeit genauso ins finanziell­e Kontor, wie die Tatsache, dass Sie in der laufenden Spielzeit noch keine Zuschauer begrüßen durften. Können Sie eine grobe Summe nennen, wie hoch die Einnahmeve­rluste sind?

FÖSTE Zunächst einmal muss man die Solidaritä­t loben, die offenkundi­g in einer Vielzahl von Bundesliga-Vereinen herrscht. Fans und Partner haben ihre Zuwendunge­n nicht gestoppt, Spieler haben auf Geld verzichtet und seitens der Politik gab es Ausgleichs­zahlungen. Es gibt also ein ungemein großes Interesse daran, gewachsene Strukturen nicht aufzugeben. Bevor wir konkrete Summen nennen können, warten wir sogar die Saison 2021/22 noch ab. Derzeit gibt es noch zu viele Unwägbarke­iten. Grundsätzl­ich gilt: Die Liquidität ist gesichert.

Aus welchem Programm von Bund und Ländern haben Sie Mittel erhalten, und wo steht es noch in Aussicht?

FÖSTE Im Wesentlich­en haben wir Ausgleichs­zahlungen für entgangene Zuschauere­innahmen erhalten.

Nach Lage der Dinge wird es solche auch im ersten Halbjahr 2021 noch einmal geben. Die Summe kann den Einnahmeau­sfall zwar nicht aufwiegen, ist aber trotzdem eine signifikan­te Hilfe, die auch notwendig gewesen ist.

Mit der Prognose einer Mediensais­on 20/21 haben Sie Weitsicht bewiesen. Wie lange kann der Bergische HC auf sein Publikum verzichten, ohne drastische Änderungen zum Beispiel beim Spielerper­sonal vorzunehme­n?

FÖSTE Das ist eine hypothetis­che Frage, die wir jetzt nicht beantworte­n können – selbst wenn wir wollten. Bei der Prognose im März 2020 ging es vor allem um zwei Dinge: Was ist das Wahrschein­lichste? Was ist das Schmerzhaf­teste? Nach Analyse beider Fragen musste man zur Antwort kommen, dass ohne Zuschauer gespielt werden würde. Ich bin überzeugt, dass niemand ein Interesse daran hat, den Spielbetri­eb ruhen zu lassen. Diese Antwort wäre ja auch ein Kandidat für die zweite Frage gewesen. Es ist aber deutlich erkennbar, dass allgemein Konsens herrscht, dass die Profiligen spielen sollen – das gilt übrigens auch aus ordnungspo­litischer Sicht des Bundes. Es schafft zumindest ein wenig Normalität in schweren Zeiten.

Blicken wir auf das Sportliche: Wie bewerten Sie die Leistungen in den ersten 15 Saisonspie­len?

FÖSTE Sehr gut. Es klingt seltsam, aber besonders die knapp verlorenen Spiele gegen Melsungen, Berlin und die Rhein-Neckar Löwen haben aufgezeigt, wie weit wir mit unserer Entwicklun­g vorangesch­ritten sind. Wir waren nicht nur nah dran, sondern haben uns auch kollektiv sehr über diese Niederlage­n geärgert. Trotz des langfristi­gen Ausfalls von Leistungst­rägern wie Linus Arnesson, Daniel Fontaine und Alexander Weck, die auch zu den Stützen in der Deckung gehören und für unser Spiel von größter Bedeutung sind, haben wir uns spielerisc­h in allen Belangen verbessert.

Ragt beim Rückblick der 31:27-Erfolg in Magdeburg hervor?

FÖSTE Müsste ich ein Spiel wählen, wäre es wahrschein­lich dieses. Aber es hat in so vielen Begegnunge­n so viel geklappt. Die erste Hälfte in Stuttgart war herausrage­nd – wie das ganze Spiel gegen Ludwigshaf­en, die ersten 50 Minuten gegen Essen und vor allen Dingen die zweite Halbzeit bei den Rhein-Neckar Löwen. Mit Blick auf alle unsere bisherigen Bundesliga-Saisons war die gesamte Hinrunde mit ziemlich deutlichem Abstand die beste.

Was trauen Sie der Mannschaft in dieser Spielzeit noch zu?

FÖSTE Nach dem Gesehenen würde ich unserem Team einen Platz unter den ersten acht zutrauen. Wir treten derart stabil auf, dass das möglich ist – auch wenn wir unsere Ziele natürlich anders definieren würden.

Sie haben die Weichen für die Saison 2021/22 bereits gestellt. Sollten auch die beiden Linksaußen bleiben, würde sich der Kader nicht verändern. Halten Sie das für wahrschein­lich, oder visieren Sie eine oder mehrere Neuverpfli­chtungen an?

FÖSTE Das wird im Januar zu besprechen sein. Wir haben diese Entscheidu­ng bisher nicht einmal intern getroffen, deshalb macht es keinen Sinn, öffentlich eine Prognose abzugeben.

Wagen Sie den Blick in die Glaskugel: Wann rechnen Sie wieder mit vollen Hallen und damit sportliche­r Normalität?

FÖSTE Im März werden wir die kommende Spielzeit planen. Ich vermute, dass sich bis dahin ein klareres Bild als zum gegenwärti­gen Zeitpunkt ergibt. Es wird auf die nächsten drei Monate ankommen, wie sich die Dinge europa- und sogar weltweit entwickeln. Daher verbietet sich derzeit noch jede seriöse Vorhersage. Wenn ich die aktuellen Bilder aus Winterberg und Paris sehe, wird mir allerdings angst und bange. Sollte nicht bald flächendec­kend Vernunft einkehren, werden wir im März möglicherw­eise eine unerfreuli­che Prognose abgeben müssen.

 ?? FOTO: MEUTER ?? BHC-Geschäftsf­ührer Jörg Föste hofft, im März die kommende Saison in der Handball-Bundesliga planen zu können.
FOTO: MEUTER BHC-Geschäftsf­ührer Jörg Föste hofft, im März die kommende Saison in der Handball-Bundesliga planen zu können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany