Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Die Liquidität ist gesichert“
Der Geschäftsführer des Bergischen HC ist mit der sportlichen Entwicklung in herausfordernden Zeiten sehr zufrieden.
Jörg Föste, Geschäftsführer des Bergischen HC, ist mit der sportlichen Entwicklung in herausfordernden Zeiten sehr zufrieden.
Was bleibt Ihnen in Bezug auf den Bergischen HC am meisten in Erinnerung, wenn Sie auf das Jahr 2020 zurückblicken?
JÖRG FÖSTE Kurz gefasst: der Zusammenhalt. Wie alle gemeinsam an einem Strick gezogen haben – Mannschaft, Trainer, Fans, Ehrenamtliche, Partner, Geschäftsführung und Beirat –, das war absolut vorbildlich. So haben wir jede neue Situation annehmen können und uns so präsentiert, wie es geboten war: einheitlich. Ohne diesen Zusammenhalt wäre es deutlich schwerer gefallen, Lösungen für die gestellten Probleme zu finden.
Können Sie ein paar Beispiele nennen?
FÖSTE Seit März gab es eine Fülle von Aufgabenstellungen, die wir so noch nie hatten. Es ging los mit der Frage, wie wir mit der verbleibenden Spielzeit 2020 umgehen. Wie bereitet man sich nach sieben Monaten ohne Wettkampf auf die neue Saison vor? Wie stehen Fans und Partner solidarisch in einer Ausnahmesituation zu dem Club? Da wir früh die Vermutung hatten, dass die Spielzeit 2020/21 zu einer reinen Mediensaison werden könnte, haben wir davon ausgehend unsere Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt. Da ist jeder mitgegangen, so dass wir vergleichsweise gut vorbereitet in die Saison gegangen sind und sportlich bislang ein sehr gutes Ergebnis bilanzieren dürfen.
Der Saisonabbruch schlug trotz kostensenkender Maßnahmen wie Kurzarbeit genauso ins finanzielle Kontor, wie die Tatsache, dass Sie in der laufenden Spielzeit noch keine Zuschauer begrüßen durften. Können Sie eine grobe Summe nennen, wie hoch die Einnahmeverluste sind?
FÖSTE Zunächst einmal muss man die Solidarität loben, die offenkundig in einer Vielzahl von Bundesliga-Vereinen herrscht. Fans und Partner haben ihre Zuwendungen nicht gestoppt, Spieler haben auf Geld verzichtet und seitens der Politik gab es Ausgleichszahlungen. Es gibt also ein ungemein großes Interesse daran, gewachsene Strukturen nicht aufzugeben. Bevor wir konkrete Summen nennen können, warten wir sogar die Saison 2021/22 noch ab. Derzeit gibt es noch zu viele Unwägbarkeiten. Grundsätzlich gilt: Die Liquidität ist gesichert.
Aus welchem Programm von Bund und Ländern haben Sie Mittel erhalten, und wo steht es noch in Aussicht?
FÖSTE Im Wesentlichen haben wir Ausgleichszahlungen für entgangene Zuschauereinnahmen erhalten.
Nach Lage der Dinge wird es solche auch im ersten Halbjahr 2021 noch einmal geben. Die Summe kann den Einnahmeausfall zwar nicht aufwiegen, ist aber trotzdem eine signifikante Hilfe, die auch notwendig gewesen ist.
Mit der Prognose einer Mediensaison 20/21 haben Sie Weitsicht bewiesen. Wie lange kann der Bergische HC auf sein Publikum verzichten, ohne drastische Änderungen zum Beispiel beim Spielerpersonal vorzunehmen?
FÖSTE Das ist eine hypothetische Frage, die wir jetzt nicht beantworten können – selbst wenn wir wollten. Bei der Prognose im März 2020 ging es vor allem um zwei Dinge: Was ist das Wahrscheinlichste? Was ist das Schmerzhafteste? Nach Analyse beider Fragen musste man zur Antwort kommen, dass ohne Zuschauer gespielt werden würde. Ich bin überzeugt, dass niemand ein Interesse daran hat, den Spielbetrieb ruhen zu lassen. Diese Antwort wäre ja auch ein Kandidat für die zweite Frage gewesen. Es ist aber deutlich erkennbar, dass allgemein Konsens herrscht, dass die Profiligen spielen sollen – das gilt übrigens auch aus ordnungspolitischer Sicht des Bundes. Es schafft zumindest ein wenig Normalität in schweren Zeiten.
Blicken wir auf das Sportliche: Wie bewerten Sie die Leistungen in den ersten 15 Saisonspielen?
FÖSTE Sehr gut. Es klingt seltsam, aber besonders die knapp verlorenen Spiele gegen Melsungen, Berlin und die Rhein-Neckar Löwen haben aufgezeigt, wie weit wir mit unserer Entwicklung vorangeschritten sind. Wir waren nicht nur nah dran, sondern haben uns auch kollektiv sehr über diese Niederlagen geärgert. Trotz des langfristigen Ausfalls von Leistungsträgern wie Linus Arnesson, Daniel Fontaine und Alexander Weck, die auch zu den Stützen in der Deckung gehören und für unser Spiel von größter Bedeutung sind, haben wir uns spielerisch in allen Belangen verbessert.
Ragt beim Rückblick der 31:27-Erfolg in Magdeburg hervor?
FÖSTE Müsste ich ein Spiel wählen, wäre es wahrscheinlich dieses. Aber es hat in so vielen Begegnungen so viel geklappt. Die erste Hälfte in Stuttgart war herausragend – wie das ganze Spiel gegen Ludwigshafen, die ersten 50 Minuten gegen Essen und vor allen Dingen die zweite Halbzeit bei den Rhein-Neckar Löwen. Mit Blick auf alle unsere bisherigen Bundesliga-Saisons war die gesamte Hinrunde mit ziemlich deutlichem Abstand die beste.
Was trauen Sie der Mannschaft in dieser Spielzeit noch zu?
FÖSTE Nach dem Gesehenen würde ich unserem Team einen Platz unter den ersten acht zutrauen. Wir treten derart stabil auf, dass das möglich ist – auch wenn wir unsere Ziele natürlich anders definieren würden.
Sie haben die Weichen für die Saison 2021/22 bereits gestellt. Sollten auch die beiden Linksaußen bleiben, würde sich der Kader nicht verändern. Halten Sie das für wahrscheinlich, oder visieren Sie eine oder mehrere Neuverpflichtungen an?
FÖSTE Das wird im Januar zu besprechen sein. Wir haben diese Entscheidung bisher nicht einmal intern getroffen, deshalb macht es keinen Sinn, öffentlich eine Prognose abzugeben.
Wagen Sie den Blick in die Glaskugel: Wann rechnen Sie wieder mit vollen Hallen und damit sportlicher Normalität?
FÖSTE Im März werden wir die kommende Spielzeit planen. Ich vermute, dass sich bis dahin ein klareres Bild als zum gegenwärtigen Zeitpunkt ergibt. Es wird auf die nächsten drei Monate ankommen, wie sich die Dinge europa- und sogar weltweit entwickeln. Daher verbietet sich derzeit noch jede seriöse Vorhersage. Wenn ich die aktuellen Bilder aus Winterberg und Paris sehe, wird mir allerdings angst und bange. Sollte nicht bald flächendeckend Vernunft einkehren, werden wir im März möglicherweise eine unerfreuliche Prognose abgeben müssen.