Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Zwischen Kettensäge und Goldfeile.

Frank Niebch schmiedet Gold – bis er Holz für sich entdeckt. Seitdem entstehen filigrane Schmuckstü­cke und große Holzskulpt­uren.

- VON THERESA DEMSKI

Er scheint in Bewegung zu sein. Seine Knie sind leicht geknickt, sein Kopf hoch erhoben – als würde er durch das Schaufenst­er schreiten. Seine Hufe stehen auf getrocknet­em Lauf, das Geweih thront auf seinem Kopf. Wer die Augen sucht, findet weiche Astlöcher. Der Elch hat seinen Platz im Schaufenst­er der Goldschmie­de von Frank Niebch gefunden. Er füllt die ganze Scheibe aus und wer einmal beginnt, die Form des Tieres zu entdecken, der stößt auf immer neue Überraschu­ngen. Der findet Äste und Rinde, festes Holz und zarte Zweige.

„Eine Freundin hatte gerade in ihrem Wald mehrere Bäume fällen lassen“, erzählt Frank Niebch, „und ich hatte die freie Auswahl.“Also nahm der Goldschmie­d kleine und große Holzteile mit, brachte sie in die kleine gemietete Halle am Hasten und begann sein jüngstes Projekt umzusetzen: einen Elch für die Weihnachts­dekoration in seiner Goldschmie­de. Die Idee sei zunächst auf dem Papier entstanden, sagt er. Aus vielen kleinen und großen Holzteilen und unzähligen,

„Das Holz ist zu meinem zweiten Standbein geworden, aber das Gold würde ich niemals aufgeben wollen“

Frank Niebch Goldschmie­d

fast unsichtbar­en Schrauben, hat er schließlic­h das besondere Tier geschaffen – mit der Kettensäge.

Der hölzerne Elch hat nun also Aufstellun­g bezogen nicht unweit des Werktische­s, an dem filigrane Schmuckstü­cke entstehen: Ringe, Anhänger und Armreifen. „Das liegt gar nicht so weit auseinande­r“, sagt Niebch, „beides vereint Handwerk und Kunst.“Und dann beginnt der 55-Jährige zu erzählen – von seinem Abitur, für das er von Wermelskir­chen nach Remscheid wechselte, um den Kunst-Leistungsk­urs wählen zu können.

Er erzählt von seiner frühen Liebe für das Zeichnen und Entwerfen und von seiner Entscheidu­ng für die Lehre als Goldschmie­d. „Das ist auch erstmal ein grobes Handwerk“, sagt Frank Niebch, „man muss anpacken können, die Hände werden schmutzig.“

Genauso sei es, wenn er mit dem Holz arbeite. Am Werktisch im Laden nutzt er die Feile, eine kleinen Säge, Bohrer und Hämmerchen. In der Halle am Hasten kommt hingegen vor allem die Kettensäge zum Einsatz. „Den größten Unterschie­d macht das Material“, sagt der Goldschmie­d.

Das Holz bringe Charakter und Maserung bereits mit. Dem Metall müsse der Goldschmie­d eben jene Formen und Muster erst noch verleihen.

Aber nicht umsonst fühlt er sich in seinem Beruf als Goldschmie­d dann besonders wohl, wenn er alte Schmuckstü­cke der Großeltern oder Alt-Gold weitervera­rbeitet. Dann hat das Material bereits eine Geschichte – wie das Holz.

Vor mehr als 20 Jahren entdeckte Frank Niebch nach dem Metall auch das Holz für sich. „Das hatte damals vor allem damit zu tun, dass mir die Dekoration, die für die Schaufenst­er angeboten wurde, nicht gefiel“, erzählt er. Also baute er seine Dekoration kurzerhand selbst. Statt roter glänzender Büsten und goldenen Kugeln entstanden die ersten Holzskulpt­uren: stilisiert­e Krippenfig­uren. Die Kunden entdecken die Werke schnell und machten ihm ein Angebot.

Und Niebch sägte weiter: Es entstanden zwei Ringe aus einem Stück Holz, die inzwischen zu seinen Klassikern gehören und mehr als 600 Mal verkauft wurden. Sie haben sich als Geschenk zur Hochzeit weit über die Grenzen der Stadt hinaus einen Namen gemacht. Immer öfter bitten ihn auch Kunden, Tiere aus Holz zu formen – etwa als Erinnerung an einen verstorben­en Vierbeiner. „Das Holz ist zu meinem zweiten Standbein geworden“, sagt Frank Niebch, „aber das Gold würde ich niemals aufgeben wollen.“

Im Schaufenst­er neben dem Elch breitet übrigens ein Adler seine Flügel aus. Auch er ist mit Säge und Feile in der Halle entstanden. „Am Anfang gab es manchmal Irritation­en, weil die Menschen feinen Schmuck im Schaufenst­er erwarteten“, sagt Niebch. Aber das Holz gleich neben dem Gold entspräche eben seiner eigenen Philosophi­e.

Und die wissen inzwischen viele Menschen zu schätzen, die sich mit großen Augen und staunenden Blicken Zeit vor dem Schaufenst­er nehmen.

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FOTOS: JÜRGEN MOLL Seine Hufe stehen auf getrocknet­em Lauf, das Geweih thront auf seinem Kopf: Der Elch hat seinen Platz im Schaufenst­er der Goldschmie­de von Frank Niebch gefunden.
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Frank Niebch nutzt vor allem die Kettensäge, wenn er mit Holz arbeitet.
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Geht es um Schmuck, kommt bei Niebch kleineres Werkzeug zum Einsatz.

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