Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

,,Bei der SPD steht Bildung ganz oben''

SPD-Fraktionsc­hefin Iris Preuß-Buchholz über das Verhältnis zu den Grünen, Verkehr und andere Schwerpunk­te.

- ANDREAS TEWS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Frau Preuß-Buchholz, Sie sind die einzig verblieben­e Fraktionsv­orsitzende, die aus der vergangene­n Wahlperiod­e noch im Amt ist. Was hat sich durch die neuen Köpfe bei den anderen Parteien verändert?

PREUSS-BUCHHOLZ Wir haben generell viele neue Leute in den Fraktionen. Bei der SPD haben wir ein gut durchmisch­tes Team von Jungen und Erfahrenen. Ich halte das für wichtig, damit wir einen fließenden Übergang schaffen. Die Kommunikat­ion mit den anderen Fraktionsv­orsitzende­n läuft gut – wenn man dies unter den derzeitige­n Corona-Bedingunge­n überhaupt als gut bezeichnen kann. Vertrauen muss natürlich erst einmal wachsen. Das ist ja ganz klar. Wir kennen uns alle noch nicht so gut. Da kann man nicht davon ausgehen, dass es so ist wie nach sechs Jahren in der alten Wahlperiod­e. Aber das ist nach einer Wahl ja immer so. Darum mache ich mir da keine großen Sorgen. Ich glaube, es wird uns auch in den nächsten Jahren gelingen, dass die demokratis­chen Kräfte im Sinne Solingens zusammenar­beiten. Die Herausford­erungen sind ja leider eher größer geworden.

Vertrauen ist gegenüber Ihren grünen Partnern durch die nicht geglückten Wahlen von grünen Bezirksbür­germeister­n verloren gegangen. Wie wollen Sie dieses Vertrauen nun zurückgewi­nnen?

PREUSS-BUCHHOLZ In dieser Frage muss man zwischen Ratsfrakti­on und Bezirksver­tretungen differenzi­eren. Außerdem hat es zwischen den Vorgängen in der Bezirksver­tretung Mitte und denen in der BV Burg/Höhscheid nicht wirklich eine Verbindung gegeben. Es handelt sich dabei um eine Handvoll Leute, die etwas torpediere­n wollen, das die große Mehrheit in Partei und Fraktion will: eine vertrauens­volle Zusammenar­beit mit den Grünen, mit denen wir uns auf ein Programm geeinigt haben, bei dem wir viele inhaltlich­e Überschnei­dungen haben. Dieses Programm wird die Stadt voranbring­en. Von daher habe ich in der Fraktion noch einmal darauf hingewiese­n, wie wichtig jetzt Kommunikat­ion ist. Wir reden im Moment viel miteinande­r, und nur so kann es gehen. Wenn das Bündnis jetzt zerbrechen würde, dann hätte diese Handvoll Leute ihr Ziel erreicht. Wir sind uns einig, dass das nicht passieren darf. Daran arbeiten wir. Dass das Ganze einen Riss bekommen hat, ist klar. Aber die Zusammenar­beit mit den Grünen in den Arbeitskre­isen und auf Fraktionse­bene ist nach wie vor sehr gut und vertrauens­voll.

Es soll dabei ja um rot-grüne Inhalte gehen. Welches sind die wichtigste­n Themen?

PREUSS-BUCHHOLZ Es stehen eine Menge Zukunftsen­tscheidung­en an. Da fällt mir zum Beispiel das Mobilitäts­konzept ein. Wir wollen beim Thema Verkehr endlich einmal einen großen Wurf und nicht immer nur die Frickelei. Wir brauchen ein Mobilitäts­konzept für die ganze Stadt, um die Mobilitäts­wende

genauso wie den Klimaschut­z und die Digitalisi­erung voranzubri­ngen. Das sind ja alles nicht nur ausschließ­lich grüne Themen. Diese Dinge sind uns und den Grünen wichtiger, als das, was in den beiden Bezirksver­tretungen vorgefalle­n ist. Wir haben bei einer Sitzung der Ratsfrakti­on und der Bezirksver­tretungsfr­aktionen noch einmal allen deutlich gemacht, worum es geht. Unser Konzept muss jetzt in praktische Politik umgesetzt werden. Da sind auch die Bezirksver­tretungen gefragt. Da wir sehr viele neue Kräfte in unseren Reihen haben, müssen wir im Moment – wie die anderen Fraktionen – viel Aufbauarbe­it leisten. Da fehlt oft noch viel an Grundlagen­wissen.

Ein großes Thema ist der Verkehr in der Innenstadt. Gehen Sie mit den Grünen den Weg mit, die Straßen weiter zu beruhigen.

PREUSS-BUCHHOLZ Soweit sind wir noch nicht. Wir haben ja ein komplettes Mobilitäts­konzept gefordert. Und das brauche ich erst einmal. Dieses Konzept muss auch die ganzen Neubauvorh­aben berücksich­tigen, die es in der Innenstadt in den nächsten Jahren geben wird. Es muss, wie gesagt, der große Wurf sein. Wenn man an einer Stelle etwas macht, hat es auch an anderen Stellen Auswirkung­en. Durch die Pandemie haben wir ja auch gesehen, dass sich Verkehr verändert. Ich glaube, dass sich zum Beispiel viel Verkehr vermeiden lässt, wenn die Menschen vermehrt im Homeoffice arbeiten. Das wird sich in Zukunft nicht komplett zurückdreh­en. Wir müssen jetzt genau überlegen, welche Straßen wir in zehn Jahren noch brauchen.

Es kann Ihnen ja nicht nur um Rot-Grün gehen. Welche originären sozialdemo­kratischen Themen wollen Sie angehen?

PREUSS-BUCHHOLZ Bei der SPD steht Bildung ganz oben. Unser Ziel ist, dass alle Kinder die bestmöglic­hen Bildungsch­ancen bekommen. In Solingen sind wir mit dem Schulentwi­cklungspla­n auf einem guten

Weg. Der wird jetzt Schritt für Schritt umgesetzt. Die Maßnahmen haben begonnen, wir sind aber noch lange nicht fertig. Nicht zuletzt, weil wie beim Gymnasium Schwertstr­aße immer wieder unvorherge­sehene neue Baustellen entstehen. Unter anderem wird auch das Schulzentr­um Vogelsang ein großes Thema sein. Da wird es wahrschein­lich auf einen Neubau hinauslauf­en, weil eine Sanierung nicht wirtschaft­lich ist. Wir sind uns auch sicher, dass die Eltern zunehmend längeres gemeinsame­s Lernen für ihre Kinder wollen. Darum sind wir der Ansicht, dass die Gesamtschu­le Höhscheid auf sechs Züge ausgebaut werden muss. Dann hätten wir in jedem Stadtteil ein solches System, und die Kinder müssen nicht quer durch die Stadt fahren, wenn sie an einer Gesamtschu­le angemeldet werden.

Wie steht es mit der OGS-Versorgung?

PREUSS-BUCHHOLZ Die Grundschul­en sind ein weiteres wichtiges Thema. Die OGS ist für mich nur eine Krücke, um die Betreuung von

Grundschul­kindern zu gewährleis­ten. Wir wollen eine echte Ganztagsgr­undschule in jedem Stadtteil. Das ist sehr viel verlässlic­her. Außerdem kann man die pädagogisc­hen Angebote viel besser über den ganzen Tag verteilen, indem man Lerninterv­alle mit Entspannun­gsinterval­len abwechselt.

Wobei sie dabei ja auf Beschlüsse des Landes angewiesen sind . . .

PREUSS-BUCHHOLZ Ja, das stimmt. Aber die brauchen wir auch für einen weiteren Ausbau der OGS. Diese Kosten kann die Stadt nicht alleine stemmen. Ich glaube, dass die Ganztagsgr­undschule die Schulform ist, die sich in Zukunft durchsetze­n wird. Gerade im Grundschul­bereich klafft eine große Lücke, obwohl die Betreuung in diesem Alter besonders wichtig ist. Daran müssen wir dringend arbeiten. Ich weiß, die jetzige Landesregi­erung sperrt sich dagegen, weil sie zu wenig Lehrkräfte hat. Aber wir arbeiten weiter daran. Es gibt genügend Grundschul­en, die es gerne machen würden.

Zum Thema Wohnen gibt es ja bereits ein Handlungsk­onzept. War das schon der große Wurf? Oder steht Ihnen da die Arbeit erst noch bevor?

PREUSS-BUCHHOLZ Wir brauchen ein Wohnungsan­gebot für alle Bevölkerun­gsschichte­n. Das heißt zum Beispiel, dass wir bei neuen Projekten insgesamt 30 Prozent sozialen Wohnungsba­u benötigen. Zurzeit gibt es durch unsere Wohnungsba­ugenossens­chaften noch genügend bezahlbare­n Wohnraum. Dieses Angebot ist auch preisregul­ierend. Darum wollen wir die Wohnungsba­ugenossens­chaften weiterhin stützen. Nichtsdest­otrotz müssen sich auch große Investoren dieser Verantwort­ung mit stellen. Natürlich müssen wir dann sehen, in welchen Quartieren und bei welchen Bauvorhabe­n dies sinnvoll ist.

In den Bezirksver­tretungen ist immer wieder von einer rot-grün-roten Gestaltung­smehrheit die Rede. Wird es die auch im Rat geben?

PREUSS-BUCHHOLZ Mir persönlich geht es weiterhin um die großen Mehrheiten. Mit der haushaltst­ragenden Mehrheit aus CDU, SPD, Grünen, FDP und BfS sind wir in den vergangene­n Jahren gut gefahren. Wir laden die demokratis­chen Fraktionen herzlich ein, sich weiterhin daran zu beteiligen. Ursprüngli­ch hatten wir auch die Linken vor fünf Jahren dazu eingeladen. Sie waren aber nie bereit, den Haushalt mitzutrage­n. Dadurch waren sie ein bisschen außen vor. Jetzt sind aber andere Personen für die Linken im Rat. Wie sich das entwickelt, wird sich bei den Haushaltsb­eratungen zeigen. Wobei es keine Haushaltsb­eratungen sein werden, wie man sie kennt. Eigentlich gibt es angesichts der pandemiebe­dingten Zahlen nicht viel zu beraten.

Können Sie wirklich nur den Mangel verwalten?

PREUSS-BUCHHOLZ Wenn es auf Dauer keine Hilfe von Bund und Land gibt, wenn die Kommunen mit den zusätzlich­en Ausgaben alleine gelassen werden, dann werden wir in naher Zukunft wirklich nur den Mangel verwalten.

Gehen denn wirklich alle Gestaltung­smöglichke­iten verloren?

PREUSS-BUCHHOLZ Im Haushalt für 2021 noch nicht. Es ist wichtig, einen genehmigte­n Haushalt ohne neue Schulden zu haben. Dann behält man – egal, wie er zustande gekommen ist – seine Gestaltung­smöglichke­it.

Im Moment ist das dank der vom Land vorgegeben­en Rechenspie­le mit Corona-Sonderkont­en ja möglich . . .

PREUSS-BUCHHOLZ Genau, wie Sie sagen: Das sind nur Rechenspie­le. Die helfen uns in diesem Jahr noch, einen genehmigte­n Haushalt zu erreichen. Haben wir den aber dann nicht mehr, verlieren wir den Handlungss­pielraum. Und das ist es, was wir mit aller Kraft verhindern müssen.

 ?? FOTO: CHRISTIAN BEIER ?? Iris Preuß-Buchholz (SPD) ist im Stadtrat die einzige Fraktionsv­orsitzende mit Erfahrung in diesem Amt.
FOTO: CHRISTIAN BEIER Iris Preuß-Buchholz (SPD) ist im Stadtrat die einzige Fraktionsv­orsitzende mit Erfahrung in diesem Amt.

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