Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Kent-Virus verschärft Lage in Großbritannien
Die Briten kämpfen mit Massenimpfungen gegen die neue Variante des Coronavirus. Dessen rasche Ausbreitung besorgt die Experten.
Die frohe Botschaft für die Briten am Wochenende war: Auch Elizabeth II. und ihr Gemahl Prinz Philip haben jetzt die Impfung gegen Corona bekommen. „Die Queen lanciert Großbritanniens Spritzen-Blitzkrieg“, freute sich die „Mail on Sunday“. Das war es dann aber schon mit den guten Nachrichten. Ansonsten sieht die Covid-19-Lage in Großbritannien düster aus. Am
Freitag hatte man eine traurige Rekordmarke aufgestellt, als gemeldet wurde, dass 1325 Briten an Covid-19 gestorben waren. Das sind 101 Tote mehr als der bisherige Spitzenwert vom 21. April vergangenen Jahres auf dem Höhepunkt der ersten Welle, an dem 1224 Menschen starben.
Bisher beklagt Großbritannien mehr als 80.000 Corona-Opfer, doppelt so viele wie in Deutschland. Und täglich kommen durchschnittlich rund 60.000 Neuinfektionen
dazu, Tendenz steigend. Dem staatlichen Gesundheitssystem NHS droht der Kollaps. Londons Bürgermeister Sadiq Khan hat am Freitag für die Hauptstadt einen „schweren Notfall“ausgerufen, denn die Sieben-Tage-Inzidenz liegt dort bei über 1000 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. In den Außenbezirken von Barking oder Dagenham haben sich sogar mehr als fünf Prozent der Bürger an Covid-19 angesteckt.
Der Grund für den Anstieg bei der Zahl der Neuinfektionen heißt B.1.1.7, eine Variante des grassierenden Coronavirus – auch als Kent-Virus bekannt. Es ist bis zu 70 Prozent ansteckender als der bisherige Virusstamm. Diese Mutation des Coronavirus war zuerst im September in der Grafschaft Kent aufgetreten, hat sich dann durch den Südosten Englands und Londons verbreitet und „verteilt sich jetzt rasant über das ganze Land und hat tragische
Konsequenzen“, warnte am Sonntag Chris Whitty, der medizinische Chefberater der Regierung: „Wenn das Virus so weitermacht, werden Krankenhäuser in echten Schwierigkeiten sein, und zwar bald.“
Die Regierung hatte einen erneuten nationalen Lockdown verhängt, der laut Gesetz bis zum 31. März dauern kann. Es ist schon der dritte Lockdown, doch er findet dennoch allgemeine Zustimmung, wie Meinungsumfragen zeigen. Allerdings
gibt es einen wichtigen Unterschied zum ersten Lockdown von Ende März vergangenen Jahres, als die Briten folgsam der amtlichen Weisung gehorchten und zu Hause blieben: Diesmal treffen viele ihre eigene Risikoabschätzung und entscheiden, dass ein wenig Regelübertretung in Ordnung ist. Amtliche Statistiken zeigen, dass diesmal fast doppelt so viele Menschen unterwegs sind wie zu Beginn des ersten Lockdowns.