Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Für wen sich der Doktortitel lohnt
Wer nach einem Masterstudium auch noch die Promotion anstrebt, sollte vor allem eines mitbringen: Spaß an der Forschung.
Er ist mit Prestige verbunden, mit Respekt, und manchmal auch mit einem höheren Gehalt: der Doktortitel. Doch wer ihn anstrebt, sollte wissen, auf was er sich einlässt. Denn wer promoviert, braucht Ausdauer und echten Forschergeist, betont Karin Wilcke, Studien- und Berufsberaterin aus Düsseldorf und selbst promovierte Germanistin.
Was bedeutet es überhaupt zu promovieren?
Mit der Promotion stellen Akademiker ihre Fähigkeiten unter Beweis, selbstständig und vertiefend wissenschaftlich arbeiten zu können. Sie forschen über einen längeren Zeitraum an einer wissenschaftlichen Fragestellung, die bestenfalls innovativ ist und die Wissenschaft ein Stück weiterbringt. „Egal wie klein mein Beitrag ist, Ziel einer Dissertation muss es immer sein, das Wissen der Menschheit ein Stück zu vergrößern“, sagt Wilcke.
Für wen lohnt sich die Promotion?
Studienberaterin Wilcke sieht deutliche Unterschiede zwischen den Fakultäten: „In Chemie und Biologie ist im Grunde klar, dass promoviert wird. Die Promotionsrate liegt dort bei zirka 80 Prozent, und es gibt auch viele Stellen an der Fakultät für Doktoranden, sodass auch das Gehalt während der Promotion gesichert ist.“Mit der Promotion würden die Naturwissenschaftler künftigen Arbeitgebern beweisen, dass sie fit in eigenständiger Forschung sind. „Ohne Promotion ist es für Chemiker und Co. tatsächlich schwer, einen guten Job zu finden. Mit dem Doktor bekommen sie Top-Jobs, die auch entsprechend bezahlt werden. Allerdings passt ihr Promotionsthema in den allerwenigsten Fällen zu dem, was sie später im Job machen“, so Wilcke. Rückläufig sei dagegen der Trend unter Medizinern, in jedem Fall zu promovieren. „Der Arbeitsmarkt ist unfassbar gut, und die jungen Ärzte sehen keine Notwendigkeit mehr, sich mit einer Promotion zu befassen. Zumal die Doktorarbeiten der Mediziner ohnehin aufgrund ihrer Masse und der Kleinteiligkeit der Themen keinen besonders guten Ruf haben.“
Was ist mit Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern?
Bei Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern geht es bei der Promotion klar um Prestige und Gehalt, sagt Katrin Wilcke. „Vor allem Unternehmensberatungen und große Kanzleien schmücken sich gern mit Titeln. Tatsächlich erhalten Bewerber mit Doktor auch höhere Einstiegspositionen und entsprechend höhere Gehälter.“Juristen könnten ein Prädikatsexamen mit einem Doktortitel noch weiter aufwerten; für Ingenieure sehe es auf dem Arbeitsmarkt so gut aus, dass eine Promotion meist nur für diejenigen infrage kommt, die auch in der universitären Forschung bleiben wollen.
Ist die Promotion für Geisteswissenschaftler sinnvoll?
Geisteswissenschaftler haben es zumindest finanziell oft am schwersten, wenn sie sich entschließen zu promovieren.
„Im Gegensatz zu den
Naturwissenschaftlern gibt es für sie nur sehr wenige reguläre Promotionsstellen an der Uni“, sagt Wilcke. „Heißt: Nebenher muss gejobbt werden.“Der Doktortitel verschaffe Geisteswissenschaftlern oft mehr Respekt und ein besseres Standing, so Wilcke. „Tatsächlich steht der eigene Erkenntnisgewinn bei den Geisteswissenschaftlern noch stärker im Mittelpunkt. Ich sollte mich nur auf eine Promotion einlassen, wenn ich wirklich Spaß an dem Thema habe.“Denn: Für die Geisteswissenschaftler zahlt sich eine Promotion finanziell meist nicht aus. Da ergebe es mehr Sinn, nach dem Master in den Beruf einzusteigen, anstatt zu promovieren. „Im öffentlichen Dienst beispielsweise ist es für das Gehalt unerheblich, ob ich den Titel habe oder nicht“, so Wilcke. Problematisch bei Geisteswissenschaftlern sei auch: „Ihre Promotionen ufern oft aus, werden dann nicht beendet.“
Welche Formen der Promotion gibt es?
Der klassische Weg zum Doktortitel verläuft in Deutschland meist folgendermaßen: Die Dissertation wird von einem Doktorvater oder einer Doktormutter betreut, die Doktoranden arbeiten eigenständig an ihrer Promotion. Doch eine Alternative – inspiriert aus dem angelsächsischen Raum – verbreitet sich an den deutschen Universitäten: sogenannte strukturierte Promotionsprogramme, auch Graduiertenkollegs oder Research Schools genannt. Dafür schließen sich Wissenschaftler zu Arbeitsgruppen zusammen und kooperieren zu einem Forschungsbereich. Mehrere Promovierende forschen dabei unter einem gemeinsamen Oberthema, im Idealfall identifiziert eine Gruppe
von Wissenschaftlern eine wissenschaftliche Frage, die mit und in den Dissertationen beantwortet werden soll. Den Programmen gemein ist außerdem, dass sie für eine zeitlich begrenzte Zeit mit Drittmitteln gefördert werden, beispielsweise vonseiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Fachbereiche, Institute und Fakultäten stärken mit einem Graduiertenkolleg ihr
Forschungsprofil und können ein Forschungsfeld mit sehr gutem Nachwuchs kollegial und systematisch entwickeln.
Die Doktoranden haben auf diese Weise die Chance, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichen Niveau zu promovieren. Die Teilnehmer profitieren von der finanziellen Förderung, von der Betreuung durch exzellente Wissenschaftler und durch die strukturierte gemeinsame Ausbildung im Rahmen des Graduiertenkollegs. Die wissenschaftliche Betreuung der Doktoranden verteilt sich im Vergleich zur herkömmlichen Promotion auf mehrere Schultern.
Kann man erst nach dem Abschluss des Master-Studiums promovieren?
Im deutschen Hochschulsystem ist diese Reihenfolge tatsächlich die Regel. Relativ neu und eine Ausnahme sind sogenannte Fast-Track-Programme (etwa: „Überholspur-Programme“). Damit können Bachelor-Studenten mit sehr gutem Abschluss den Master überspringen und direkt mit der Forschung zur Doktorarbeit starten. Die Idee dazu stammt aus dem angelsächsischen Hochschulsystem. Dort kennt man den Master kaum, nach dem Bachelor schließt sich direkt die Promotion an.