Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Überraschung im Vermisstenfall Haub
Georg Haub zieht den Antrag zurück, seinen Bruder und Ex-Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub für tot erklären zu lassen.
Die Tengelmanns aus Mülheim werden von einer breiten Öffentlichkeit derzeit weniger als Unternehmensgruppe wahrgenommen denn als Familie, in der zumindest zwischenzeitlich auf eine Art und Weise öffentlichkeitswirkam gezankt wurde, die einer TV-Seifenoper zur Ehre gereicht hätte. Seitdem der frühere Konzernlenker Karl-Erivan Haub im April 2018 nach einer Bergtour in den Schweizer Alpen verschwunden ist, streiten sich vor allem sein Bruder Christian und Karl-Erivans Frau Katrin mitsamt ihrer Kinder wegen des Unternehmensanteils, der dem verschollenen Milliardär gehört. Es laufen mehrere Anträge, ihn für tot erklären zu lassen.
Womit wir bei der neuesten Wendung in dem Fall wären: Georg Haub, der dritte aus dem Kreis der Brüder, hat seinen beim Amtsgericht Köln gestellten Antrag, den Vermissten für tot erklären zu lassen, zurückgezogen. Das hat das Amtsgericht
Köln am Montag auf Anfrage bestätigt. Zuvor hatte die „WAZ“darüber berichtet.
Eine Begründung dafür gibt es seitens des Bruders bisher nicht. Die anderen Beteiligten wollten sich ebenfalls nicht äußern. Dabei ist das Vorgehen von Georg Haub bemerkenswert. Denn es ist ein Indiz dafür, dass das vermutete Bündnis der beiden amtierenden Tengelmann-Gesellschafter Christian und Georg Haub Risse bekommen haben könnte. Ob und warum es Unstimmigkeiten zwischen ihnen gegeben haben könnte, ist nicht bekannt. In Handelskreisen heißt es, die beiden seien sich schon mehr als einmal nicht einig gewesen.
Juristisch ist Georg Haubs Rückzug zunächst ohne Bedeutung. Denn es gibt drei weitere Anträge – den von Christian Haub und die zweier Tengelmann-Gesellschaften. Jeder Antrag, der die Voraussetzungen für eine Todeserklärung erfüllte und dem das Gericht dann stattgäbe, würde ausreichen, um den
Ex-Konzernchef für tot erklären zu lassen. Eine zeitliche Frist für eine Entscheidung über die im Oktober des vergangenen Jahres gestellten Anträge gibt es nicht. Von Amts wegen für tot erklärt würde Karl-Erivan Haub erst zehn Jahre nach seinem Verschwinden.
Das wäre erst am 7. April 2028. So lange wollen Christian Haub und seine Mitstreiter wohl nicht warten, weil sie bei weiterhin ungeklärter Sachlage Schäden für das Unternehmen fürchten. Seit knapp drei Jahren wird Karl Erivan Haub vermisst. Am 7. April 2018 ist er verschwunden, kurz nach Ostern also. Eine Todeserklärung würde den Erbfall auslösen, was wiederum für die Kinder des Vermissten nach derzeitigem Stand mehrere Hundert Millionen Euro Erbschaftssteuer zur Folge hätte. Wer wie viel von dieser Belastung tragen soll, ob und wie sich das Unternehmen beteiligen könnte, ob Karl-Erivan Haubs Familienstamm aus dem Konzern ausscheidet und wann das der Fall sein könnte, ist seither unklar. Stattdessen tauchen immer wieder neue Gerüchte auf. Mal ging es um das kolportierte Ausspionieren von Familienmitgliedern, mal um angeblich zweckentfremdete Gelder auf dubiosen Konten; mal hatte Haub nach dem Wissen angeblicher Insider eine russische Geliebte, deretwegen er seinem alten Leben entfliehen wollte; dann äußerten Bergsteiger Zweifel daran, dass der Vermisste tatsächlich verunglückt sei. Diese Zweifel sind wiederum nach Ansicht des damaligen Schweizer Suchtruppleiters Anjan Truffer wohl nicht berechtigt. Manche von diesen Gerüchten, so glauben zumindest Branchenkenner, könnten nur Störfeuer im Streit der verfeindeten Lager gewesen sein. Friede zwischen den Parteien könnte endlich einkehren, wenn beispielsweise Christian Haub die Anteile seines vermissten Bruders von dessen Erben übernehmen würde. Er hat für diese Anteile nach früheren Angaben schon einmal 1,1 Milliarden Euro geboten, was die Gegenseite seinerzeit nicht akzeptieren wollte. Zwischen den Vorstellungen beider Seiten über einen angemessenen Kaufpreis liegen angeblich mehrere hundert Millionen Euro. In solchen Fällen trifft man sich ja gelegentlich irgendwo in der Mitte. Es bleibt also spannend in der „Haub-Soap“.