Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Todesdrohungen gegen einen Hoffnungsträger
Ausgerechnet im fernen Deutschland wittern Serbiens Machthaber eine neue Gefahr: Für Kritiker des allgewaltigen Präsidenten Aleksandar Vucic ist der serbisch-orthodoxe Diaspora-Bischof Grigorije Duric eine Galionsfigur, für regierungsnahe Medien das neu
„Wir müssen die Verräter in den eigenen Reihen liquidieren – als erstes die Hure und den Kriminellen Grigorije“
Srdjan Krunic Schriftenleser im Kloster Vavedenje
BELGRAD Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn: An Bischof Grigorije von Düsseldorf scheiden sich in Serbien die Geister. Als unerschrockenen Mahner und Kirchenerneuerer feiern die Kritiker des allgewaltigen Präsidenten Aleksandar Vucic ihren Hoffnungsträger. Als „Wolf im Schafspelz“und „Zerstörer der Einheit“der serbisch-orthodoxen Kirche schmäht die regierungsnahe Boulevardpresse den Mann mit dem einnehmenden Lächeln. „Die Machthaber haben Grigorije zum Staatsfeind gemacht“, konstatiert das unabhängige Webportal Nova.rs.
Tatsächlich nimmt nicht nur die Schmutzkampagne gegen den 53-jährigen Geistlichen immer auffälligere Formen an. Von angeblichen Plänen einer Präsidentschaftskandidatur, ihm zugeschriebenen Liebesaffären, luxuriösem Lebenswandel bis hin zu schmutzigen Geschäften reicht die Palette der Vorwürfe die von Revolverblättern, Politikern und in regimetreuen Kirchenkreisen verbreitet werden: Je näher der Termin der Wahl des Nachfolgers des im November an einer Corona-Infektion verstorbenen serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej rückte, desto stärker erklang das mediale Trommelfeuer gegen den Kirchenmann in der deutschen Diaspora.
Der „Maserati-Bischof“agiere wie ein „Mafia-Boss“, lästert das regierungsnahe Revolverblatt „Informer“. „Dieser Bischof ist bereit, zu töten“, wütet der Belgrader Stadtmanager
Goran Vesic, einer der führenden Politiker der regierenden SNS. Keineswegs fromme Verwünschungen und Todesdrohungen aus rechtsklerikalen Kirchenkreisen werden mittlerweile auch im Web laut.
Man müsse die „legalen Interessen der Machthaber“nutzen, um die „Feinde der Kirche verbluten“zu lassen, forderte neulich per Facebook ein gewisser Srdjan Krunic, Schriftenleser im Kloster Vavedenje mit rechtsextremer Vergangenheit: „Wir müssen die Verräter in den eigenen Reihen liquidieren – als erstes die Hure und den Kriminellen Grigorije.“
Mit Sicherheit ist der 1963 im bosnischen Vares als Mladen Duric geborene Bischof einer der auffälligsten Protagonisten der serbisch-orthodoxen Kirche. Schon äußerlich hebt sich der weltgewandte Kirchenmann von seinen meist deutlich älteren Bischofskollegen im Heiligen Synod ab. Statt eines langen Rauschebarts trägt er seinen grauen Vollbart modisch gestutzt. Der Würdenträger lässt sich keineswegs nur in prächtigen Soutanen und Chorgewändern, sondern auch in Zivilkleidung ablichten: Gerne trägt der Bischof helles Leinen.
Sehr unorthodox gibt sich der orthodoxe Kirchenmann auch beim Umgang mit der Presse. Im Trainingsanzug kletterte er im vergangenen Jahr aufs Gerüst, um während eines TV-Interviews beim Tünchen der Sveti-Sava-Kirche in Düsseldorf zu helfen. Doch vor allem seine Botschaften sind es, die in Serbien regelmäßig für medialen Wellenschlag sorgen. Unverblümt kritisiert der relativ liberale Kirchenmann die gegenwärtigen Zustände in dem von dem autoritär gestrickten Staatschef Aleksandar Vucic mit harter Hand geführten Balkanstaat.
Ob er in Autorenbeiträgen und Interviews Serbiens Partei- und Vetternwirtschaft oder die „Flucht“seiner Landesleute in die Emigration beklagt, vermehrte Investitionen in Krankenhäuser statt staatlicher Zuschüsse für Kirchenbauten fordert, die Gewaltexzesse der Polizei gegen Regierungsgegner geißelt oder das Ende der „kriminellen Autokratie“auf den Balkan ankündigt: Aus seinem Missfallen über Serbiens irdisches Jammertal macht er in der Öffentlichkeit kein Hehl.
Mit seiner strikten Ablehnung der Unabhängigkeit des Kosovo segelt der Bischof zwar auf dem vertrauten Kirchenkurs. Doch schon als Student demonstrierte er Anfang der 1990er-Jahre gegen das Regime des damaligen Autokraten Slobodan Milosevic. Viele der heutigen Machthaber standen damals auf der anderen Seite. Präsident Vucic diente Milosevic als Informationsminister, der heutige Parlamentsvorsitzende Ivica Dacic war dessen Sprecher, und Innenminister Aleksandar Vulin einer der führenden Köpfe in der JUL-Partei der Milosevic-Gattin Mirjana Markovic.
Doch es sind weniger grundsätzliche Animositäten als ein Interview, das Serbiens Machthaber ausgerechnet im fernen Düsseldorf neue Gefahr wittern lässt. Es müsse ein System geschaffen werden, in dem nicht mehr alles von einer Person abhänge, antwortete der Bischof am orthodoxen Heiligabend am
6. Januar gegenüber dem TV-Magazin „Newsmax Adria“auf die Frage, ob er selbst der „Retter“der Nation sein könne . Sein „Plan“sei es, 30 bis
300 junge, gut ausgebildete und „tapfere“Leute zu sammeln, die bereit seien, sich „für Serbien zu opfern und ein rechtsstaatliches System aufzubauen“.
Obwohl der Bischof Fragen nach einer etwaigen Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr stets verneint hat, trifft ihn der Ingrimm des Systems nun mit voller Wucht. Auch die bevorstehende Kür des neuen Patriarchen scheint in Belgrad die Nervosität zu schüren: Traditionell pflegen Staat und Kirche in Serbien sehr enge Bande.
Zwar scheint der missliebige Gottesdiener weder selbst in den Politikring steigen zu wollen, noch gilt der relativ junge Bischof als chancenreicher Anwärter bei der Patriarchen-Kür. Doch bei den nun im Internet laut gewordenen Todesdrohungen gegen den charismatischen Kuttenträger fühlen sich seine Anhänger bereits ungut an den
2003 ermordeten Reformpremier Zoran Djindjic oder an den 2018 erschossenen liberalen Kosovo-Politiker Oliver Ivanovic erinnert: Beiden Attentaten gingen mediale Hetzkampagnen voraus.
Selbst schweigt der Gottesmann wegen der 40-tägigen Trauer über
„ Selbst wenn andere uns angreifen und mit Steinen, Schlamm oder Müll werfen – Gott wird alles auf sich nehmen“
Bischof Grigorije Duric Leiter der Eparchie von Düsseldorf
den Tod seiner im Januar verstorbenen Mutter zu den über ihn verbreiteten Vorwürfen – und reagiert mit demonstrativem Gottesvertrauen. Bei Verleumdungen und „bösen Worten“gebe es keinen anderen Ausweg, als diese Last auf das „Meer der Gnade Gottes zu legen“, so der Bischof in einer seiner Sonntagspredigten in Düsseldorf: „Deshalb haben wir als Christen keine Angst vor dem Leben. Selbst wenn andere uns angreifen und mit Steinen, Schlamm oder Müll werfen. Gott wird alles auf sich nehmen.“