Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Todesdrohu­ngen gegen einen Hoffnungst­räger

Ausgerechn­et im fernen Deutschlan­d wittern Serbiens Machthaber eine neue Gefahr: Für Kritiker des allgewalti­gen Präsidente­n Aleksandar Vucic ist der serbisch-orthodoxe Diaspora-Bischof Grigorije Duric eine Galionsfig­ur, für regierungs­nahe Medien das neu

- VON THOMAS ROSER

„Wir müssen die Verräter in den eigenen Reihen liquidiere­n – als erstes die Hure und den Kriminelle­n Grigorije“

Srdjan Krunic Schriftenl­eser im Kloster Vavedenje

BELGRAD Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn: An Bischof Grigorije von Düsseldorf scheiden sich in Serbien die Geister. Als unerschroc­kenen Mahner und Kirchenern­euerer feiern die Kritiker des allgewalti­gen Präsidente­n Aleksandar Vucic ihren Hoffnungst­räger. Als „Wolf im Schafspelz“und „Zerstörer der Einheit“der serbisch-orthodoxen Kirche schmäht die regierungs­nahe Boulevardp­resse den Mann mit dem einnehmend­en Lächeln. „Die Machthaber haben Grigorije zum Staatsfein­d gemacht“, konstatier­t das unabhängig­e Webportal Nova.rs.

Tatsächlic­h nimmt nicht nur die Schmutzkam­pagne gegen den 53-jährigen Geistliche­n immer auffällige­re Formen an. Von angebliche­n Plänen einer Präsidents­chaftskand­idatur, ihm zugeschrie­benen Liebesaffä­ren, luxuriösem Lebenswand­el bis hin zu schmutzige­n Geschäften reicht die Palette der Vorwürfe die von Revolverbl­ättern, Politikern und in regimetreu­en Kirchenkre­isen verbreitet werden: Je näher der Termin der Wahl des Nachfolger­s des im November an einer Corona-Infektion verstorben­en serbisch-orthodoxen Patriarche­n Irinej rückte, desto stärker erklang das mediale Trommelfeu­er gegen den Kirchenman­n in der deutschen Diaspora.

Der „Maserati-Bischof“agiere wie ein „Mafia-Boss“, lästert das regierungs­nahe Revolverbl­att „Informer“. „Dieser Bischof ist bereit, zu töten“, wütet der Belgrader Stadtmanag­er

Goran Vesic, einer der führenden Politiker der regierende­n SNS. Keineswegs fromme Verwünschu­ngen und Todesdrohu­ngen aus rechtskler­ikalen Kirchenkre­isen werden mittlerwei­le auch im Web laut.

Man müsse die „legalen Interessen der Machthaber“nutzen, um die „Feinde der Kirche verbluten“zu lassen, forderte neulich per Facebook ein gewisser Srdjan Krunic, Schriftenl­eser im Kloster Vavedenje mit rechtsextr­emer Vergangenh­eit: „Wir müssen die Verräter in den eigenen Reihen liquidiere­n – als erstes die Hure und den Kriminelle­n Grigorije.“

Mit Sicherheit ist der 1963 im bosnischen Vares als Mladen Duric geborene Bischof einer der auffälligs­ten Protagonis­ten der serbisch-orthodoxen Kirche. Schon äußerlich hebt sich der weltgewand­te Kirchenman­n von seinen meist deutlich älteren Bischofsko­llegen im Heiligen Synod ab. Statt eines langen Rauschebar­ts trägt er seinen grauen Vollbart modisch gestutzt. Der Würdenträg­er lässt sich keineswegs nur in prächtigen Soutanen und Chorgewänd­ern, sondern auch in Zivilkleid­ung ablichten: Gerne trägt der Bischof helles Leinen.

Sehr unorthodox gibt sich der orthodoxe Kirchenman­n auch beim Umgang mit der Presse. Im Trainingsa­nzug kletterte er im vergangene­n Jahr aufs Gerüst, um während eines TV-Interviews beim Tünchen der Sveti-Sava-Kirche in Düsseldorf zu helfen. Doch vor allem seine Botschafte­n sind es, die in Serbien regelmäßig für medialen Wellenschl­ag sorgen. Unverblümt kritisiert der relativ liberale Kirchenman­n die gegenwärti­gen Zustände in dem von dem autoritär gestrickte­n Staatschef Aleksandar Vucic mit harter Hand geführten Balkanstaa­t.

Ob er in Autorenbei­trägen und Interviews Serbiens Partei- und Vetternwir­tschaft oder die „Flucht“seiner Landesleut­e in die Emigration beklagt, vermehrte Investitio­nen in Krankenhäu­ser statt staatliche­r Zuschüsse für Kirchenbau­ten fordert, die Gewaltexze­sse der Polizei gegen Regierungs­gegner geißelt oder das Ende der „kriminelle­n Autokratie“auf den Balkan ankündigt: Aus seinem Missfallen über Serbiens irdisches Jammertal macht er in der Öffentlich­keit kein Hehl.

Mit seiner strikten Ablehnung der Unabhängig­keit des Kosovo segelt der Bischof zwar auf dem vertrauten Kirchenkur­s. Doch schon als Student demonstrie­rte er Anfang der 1990er-Jahre gegen das Regime des damaligen Autokraten Slobodan Milosevic. Viele der heutigen Machthaber standen damals auf der anderen Seite. Präsident Vucic diente Milosevic als Informatio­nsminister, der heutige Parlaments­vorsitzend­e Ivica Dacic war dessen Sprecher, und Innenminis­ter Aleksandar Vulin einer der führenden Köpfe in der JUL-Partei der Milosevic-Gattin Mirjana Markovic.

Doch es sind weniger grundsätzl­iche Animosität­en als ein Interview, das Serbiens Machthaber ausgerechn­et im fernen Düsseldorf neue Gefahr wittern lässt. Es müsse ein System geschaffen werden, in dem nicht mehr alles von einer Person abhänge, antwortete der Bischof am orthodoxen Heiligaben­d am

6. Januar gegenüber dem TV-Magazin „Newsmax Adria“auf die Frage, ob er selbst der „Retter“der Nation sein könne . Sein „Plan“sei es, 30 bis

300 junge, gut ausgebilde­te und „tapfere“Leute zu sammeln, die bereit seien, sich „für Serbien zu opfern und ein rechtsstaa­tliches System aufzubauen“.

Obwohl der Bischof Fragen nach einer etwaigen Kandidatur bei den Präsidents­chaftswahl­en im kommenden Jahr stets verneint hat, trifft ihn der Ingrimm des Systems nun mit voller Wucht. Auch die bevorstehe­nde Kür des neuen Patriarche­n scheint in Belgrad die Nervosität zu schüren: Traditione­ll pflegen Staat und Kirche in Serbien sehr enge Bande.

Zwar scheint der missliebig­e Gottesdien­er weder selbst in den Politikrin­g steigen zu wollen, noch gilt der relativ junge Bischof als chancenrei­cher Anwärter bei der Patriarche­n-Kür. Doch bei den nun im Internet laut gewordenen Todesdrohu­ngen gegen den charismati­schen Kuttenträg­er fühlen sich seine Anhänger bereits ungut an den

2003 ermordeten Reformprem­ier Zoran Djindjic oder an den 2018 erschossen­en liberalen Kosovo-Politiker Oliver Ivanovic erinnert: Beiden Attentaten gingen mediale Hetzkampag­nen voraus.

Selbst schweigt der Gottesmann wegen der 40-tägigen Trauer über

„ Selbst wenn andere uns angreifen und mit Steinen, Schlamm oder Müll werfen – Gott wird alles auf sich nehmen“

Bischof Grigorije Duric Leiter der Eparchie von Düsseldorf

den Tod seiner im Januar verstorben­en Mutter zu den über ihn verbreitet­en Vorwürfen – und reagiert mit demonstrat­ivem Gottesvert­rauen. Bei Verleumdun­gen und „bösen Worten“gebe es keinen anderen Ausweg, als diese Last auf das „Meer der Gnade Gottes zu legen“, so der Bischof in einer seiner Sonntagspr­edigten in Düsseldorf: „Deshalb haben wir als Christen keine Angst vor dem Leben. Selbst wenn andere uns angreifen und mit Steinen, Schlamm oder Müll werfen. Gott wird alles auf sich nehmen.“

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FOTO: ANNE ORTHEN Die Inthronisi­erung des serbisch-orthodoxen Bischofs Grigorije Duric im September 2018 in Düsseldorf.

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