Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Strom und Wärme aus Solinger Abfall.
Ein Blick hinter die Kulissen des Müllheizkraftwerks, an dem sich sogar Wanderfalken wohl fühlen.
Das Solinger Müllheizkraftwerk ist ein Ort zum Wohlfühlen. Glauben Sie nicht? Dann nutzen Sie unbedingt die nächste Gelegenheit zur Gruppenführung, wenn die wieder möglich sind, und mit ein wenig Glück ist es ebenso wolkenlos wie bei unserem Termin mit Olaf Schmidt. Dann endet der Ausblick vom Dach nicht beim aus dieser Perspektive ohnehin schon imposanten Panorama der Klingenstadt, sondern unter anderem scheint der Kölner Dom fast zum Greifen nah. Und Schmidt, Chef der Abfallwirtschaft bei den Technischen Betrieben Solingen (TBS), bringt in dieser Atmosphäre passende weitere Argumente an. Da sei der Wanderfalke, der seit Jahren auf dem Gelände auf der Sandstraße zuhause ist. Der lässt sich schließlich nur nieder, wo er sich wohlfühlt – wer mag da widersprechen? Schmidt: „Im dritten Jahr in Folge gibt es auch Junge.“
Schmidt, seit 2016 bei den TBS und seit 2018 alleine für die umgangssprachlich auch gerne Müllverbrennungsanlage genannte Einrichtung verantwortlich, sagt: „Der Solinger liebt sein Müllheizkraftwerk.“Abgesehen von der ersten Corona-Phase, als das MHKW für private Anlieferer mal geschlossen war, und es deshalb online teils wirsche Kritik gegeben habe, seien nicht nur die allermeisten Rückmeldungen positiv. Da sei eben auch dieses hohe Aufkommen, unterstreicht Schmidt: „Im Jahr haben wir etwa 120.000 private Anlieferungen. 2020 haben wir 142.300 Tonnen Müll verbrannt. 8000 Tonnen davon kommen aus den privaten Anlieferungen.“Zahlen hat der Ingenieur noch und nöcher parat. „Berufskrankheit“, entschuldigt sich Schmidt, und führt ins Innere der Anlage.
Das MHKW ist einer der fleißigsten Mitarbeiter der Stadt. 24 Stunden am Tag, 365 – oder 366, wie Schmidt betont – Tage im Jahr läuft es. Seit mehr als 50 Jahren wird der private und vor allem gewerbliche Müll der Stadt nicht mehr auf einer Deponie gelagert, sondern sauber verbannt – und daraus noch Energie gewonnen. Zurück zu den Zahlen: 75.000 Megawattstunden bringe das im Jahr, sagt Schmidt. Mit dem Dampf aus der Abwärme der Anlage werden drei Turbinen angetrieben. Das genügt für die gesamte städtische Verwaltung oder auch das Klinikum, für das alleine eine der drei Turbinen läuft, sowie weitere Einspeisungen ins Netz. Dazu kommen noch einmal „42.000 bis 45.000 Megawattstunden Fernwärme“, weiß Schmidt.
Olaf Schmidt
Chef der Abfallentsorgung bei den TBS
Tief im Inneren sitzt der Leitstand, von dem aus „alles komplett gelenkt wird“, sagt Schmidt. Schichtleiter, Kesselfahrer und Maschinist haben von dort aus alles im Blick, während weiter oben die Kranfahrer sitzen.
Luft- und Schadstoffkurven werden auf zahlreichen Monitoren verfolgt. Durch die Aufsichtsbehörde, die Bezirksregierung Düsseldorf, gibt es klare Regelungen – auch, dass in den Kesseln 850 Grad herrschen müssen, „weil so alle organischen Schadstoffe vernichtet werden“. Was nicht vernichtet wird, landet am Ende in der Schlacke, und selbst die kann – zum Beispiel beim Deichbau in Holland – weiterverwertet werden. Übrigens: Der Raum mit der Schlacke ist nicht unbedingt einer zum Wohlfühlen, ein Abstecher genügt.
Schmidt ist jemand, der gute Laune ausstrahlt – beim Rundgang wird klar, dass das auf die Mitarbeiter abfärbt. Nur die unsachliche vorgebrachte Kritik an der Schließung im Frühjahr habe ihn gestört. Im zweiten Lockdown war es übrigens phasenweise umgekehrt: Während die Anlagen in den bergischen Nachbarstädten geschlossen waren, lief in Solingen der Normalbetrieb weiter.
Der Einsatzbereich von Schmidt, der zuvor unter anderem in Viersen und Bonn tätig war, wird sich zukünftig noch einmal vergrößern. 2021 werde zwar nicht mehr gebaut, der Genehmigungsantrag aber ist eingereicht: 3500 Quadratmeter Fläche werden hinzukommen, der aktuelle Wertstoffhof ein paar Meter verlegt, dafür muss unter anderem eine Parkfläche weichen. Wo jetzt noch der aktuelle Wertstoffhof steht, kommt dann in offenen Hallen der Fuhrpark der Abfallwirtschaft, der von der Dültgenstaler Straße umzieht. Der Bereich wird somit an der Sandstraße konzentriert.
Auf den freiwerdenden Platz an der Dültgenstaler Straße komme dann wiederum das, was aktuell noch an der Gottlieb-Heinrich-Straße – dieser Standort wird aufgegeben – beheimatet sei, sagt Schmidt: „Vor allem Verkehrstechnik.“Zudem gibt es auf der Tersteegenstraße eine Umladestation, die erhalten bleibt.
Die Sandstraße aber bildet das Zentrum und Herzstück des TBS-Teilbereichs. Für den Fall, dass es mal den totalen Blackout geben sollte, sichert ein 3000 PS starker Dieselmotor die Notstromversorgung des MHKW. 600 Liter frisst der in der Stunde, mehr als genug Diesel ist auf dem Gelände gelagert.
Einmal pro Woche wird der Notstromdiesel hochgefahren, Einsatzwärme hat er immer: Zum Ausnahmefall ist es zwar noch nie gekommen. Aber selbst dann würde das immer fleißige Lieschen der Stadt weiter liefern.
Was ist eine LRS? Eine LRS ist eine Störung der phonologischen Informationsverarbeitung, durch die das Gefühl für Wörter, Silben und Laute fehlt. Erlernte Wörter können nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, so dass das Kind keinen Wortspeicher aufbauen kann, der jedoch für das Lernen von Sprache unabdingbar ist. Lese- und Rechtschreibschwäche können dabei auch isoliert voneinander auftreten. Die Ursachen für eine LRS sind von der Wissenschaft bisher nicht eindeutig ergründet, wie Martin, die in ihrer Praxis Kinder und Jugendliche mit Legasthenie betreut, erklärte. Probleme bei der Hirnentwicklung und genetische Faktoren seien jedoch in vielen Fällen ausschlaggebend. Mit einer geringen Intelligenz hängen die Schwierigkeiten jedoch nicht zusammen, stellte Martin mehrfach klar.
„Der Solinger liebt sein
Müllheizkraftwerk“
Wie erkenne ich eine LRS? „Eine LRS ist wie ein Fingerabdruck und zeigt sich individuell bei jedem Kind“, weiß Martin. Mit Feingefühl und einem wachsamen Blick können Eltern erste Anzeichen schon im Kindergartenaltern erkennen: Klassisch seien mühsames Lesen, eine Unlust am Musizieren, Klatschen und Reimen oder Probleme, sich auf Aufgaben zu merken.
Was tun, wenn eine LRS diagnostiziert wurde? Auffallen sollte eine LRS zumeist bei Vorschultests im Kindergarten. Die Beantwortung der Aufgaben bereitet betroffenen Kindern häufig Schwierigkeiten. Sollte der Verdacht bestehen, muss ein Kinderpsychologe die Diagnose stellen. Wichtig ist: „Nicht in Panik verfallen!“, mahnt Martin. Verhindert oder aufgelöst werden könne eine LRS zwar nicht. Doch eine professionelle Lerntherapie und Übungen zum Klatschen, Lauschen, Reimen und Lesen können bei der Entwicklung unterstützen.