Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Hofschaften – versteckte Kleinode in der Stadt
In ganz Solingen liegen Dutzende der kleinen Weiler, in denen die Zeit stehen geblieben scheint. Gerade die oft im verborgenen liegenden Hofschaften vermitteln dabei einen Einblick in die Geschichte. Wir nehmen Sie mit auf Entdeckungsreise zu den schöns
SOLINGEN Man erkennt sie erst im sprichwörtlich letzten Augenblick. Eben noch hat sich der Autofahrer auf der Wuppertaler Straße durch den Verkehr und entlang eher schmuckloser Zweckbebauung gequält. Doch nur wenige hundert Meter abseits der alltäglichen Hektik tut sich plötzlich eine ganz andere Welt auf. Denn in Nümmen hat sich Solingen auch im 21. Jahrhundert einen durch und durch dörflichen Charme bewahrt, den Fremde mit der Großstadt eher nicht verbinden würden.
Dabei ist das Kleinod Nümmen westlich von Gräfrath nur ein Beispiel von vielen. Über das gesamte Gebiet der Klingenstadt verteilt liegen nämlich Dutzende solcher Hofschaften, die typisch sind für Solingen, stoßen doch in fast keiner anderen Stadt Moderne und Vergangenheit, Beton und Fachwerk so unvermittelt aneinander wie hier.
Tatsächlich handelt es sich bei den Hofschaften um Gruppen von Fachwerk- und Schieferhäusern, die sich einst zumeist um einen dominanten Haupthof sammelten. Wobei die in der Regel in der frühen Neuzeit entstandenen Hofschaften keineswegs „kleine Dörfer“waren. Denn dafür fehlte ihnen schlicht die Infrastruktur.
Das wiederum vermittelt eine Idee vom Leben in den Hofschaften während der Zeit vor der Industrialisierung. Die Landbevölkerung war darauf angewiesen, sich selbst zu versorgen. Entsprechend standen in den Weilern Wohn- und Wirtschaftsgebäude dicht nebeneinander. Um die Hofschaften herum gab es Landwirtschaft sowie Gärten. Aber insgesamt war das Leben in einer Hofschaft eher hart – und der oft lange Gang zum Gottesdienst im nächsten Ort, etwa Wald oder Gräfrath, beispielsweise gerade im Winter beschwerlich.
Der Wandel kam im 19. Jahrhundert. Das Bergische – und damit Solingen – gehörte zu den ersten Industriegebieten in Deutschland. Die Dörfer wurden zu kleinen Städten und dehnten sich immer weiter aus, bis sie schließlich die Hofschaften erreichten und regelrecht verschluckten.
Besonders gut lässt sich diese Entwicklung in der Hofschaft Limminghofen studieren. Dort, östlich von Merscheid, grenzt die etwas abseits der Merscheider Straße gelegene Hofschaft mit ihren teils über
400 Jahre alten Häusern an die Gesenkschmiede Hendrichs. Diese wiederum entstand 1886 und wurde an dem Standort dann 100 Jahre betrieben.
Dadurch sind heute auf einer Stecke von gerade mal 100 Metern die wichtigsten Stationen der Solinger Wirtschaftsgeschichte zu entdecken. Mit einem kleinen Unterscheid allerdings. Während in der weit älteren Hofschaft Limminghofen noch immer ein landwirtschaftlicher Betrieb beheimatet ist, fungiert die Gesenkschmiede seit den
1980er Jahren als Industriemuseum des Landschaftsverbandes.