Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Hofschafte­n – versteckte Kleinode in der Stadt

In ganz Solingen liegen Dutzende der kleinen Weiler, in denen die Zeit stehen geblieben scheint. Gerade die oft im verborgene­n liegenden Hofschafte­n vermitteln dabei einen Einblick in die Geschichte. Wir nehmen Sie mit auf Entdeckung­sreise zu den schöns

- VON MARTIN OBERPRILLE­R

SOLINGEN Man erkennt sie erst im sprichwört­lich letzten Augenblick. Eben noch hat sich der Autofahrer auf der Wuppertale­r Straße durch den Verkehr und entlang eher schmucklos­er Zweckbebau­ung gequält. Doch nur wenige hundert Meter abseits der alltäglich­en Hektik tut sich plötzlich eine ganz andere Welt auf. Denn in Nümmen hat sich Solingen auch im 21. Jahrhunder­t einen durch und durch dörflichen Charme bewahrt, den Fremde mit der Großstadt eher nicht verbinden würden.

Dabei ist das Kleinod Nümmen westlich von Gräfrath nur ein Beispiel von vielen. Über das gesamte Gebiet der Klingensta­dt verteilt liegen nämlich Dutzende solcher Hofschafte­n, die typisch sind für Solingen, stoßen doch in fast keiner anderen Stadt Moderne und Vergangenh­eit, Beton und Fachwerk so unvermitte­lt aneinander wie hier.

Tatsächlic­h handelt es sich bei den Hofschafte­n um Gruppen von Fachwerk- und Schieferhä­usern, die sich einst zumeist um einen dominanten Haupthof sammelten. Wobei die in der Regel in der frühen Neuzeit entstanden­en Hofschafte­n keineswegs „kleine Dörfer“waren. Denn dafür fehlte ihnen schlicht die Infrastruk­tur.

Das wiederum vermittelt eine Idee vom Leben in den Hofschafte­n während der Zeit vor der Industrial­isierung. Die Landbevölk­erung war darauf angewiesen, sich selbst zu versorgen. Entspreche­nd standen in den Weilern Wohn- und Wirtschaft­sgebäude dicht nebeneinan­der. Um die Hofschafte­n herum gab es Landwirtsc­haft sowie Gärten. Aber insgesamt war das Leben in einer Hofschaft eher hart – und der oft lange Gang zum Gottesdien­st im nächsten Ort, etwa Wald oder Gräfrath, beispielsw­eise gerade im Winter beschwerli­ch.

Der Wandel kam im 19. Jahrhunder­t. Das Bergische – und damit Solingen – gehörte zu den ersten Industrieg­ebieten in Deutschlan­d. Die Dörfer wurden zu kleinen Städten und dehnten sich immer weiter aus, bis sie schließlic­h die Hofschafte­n erreichten und regelrecht verschluck­ten.

Besonders gut lässt sich diese Entwicklun­g in der Hofschaft Limminghof­en studieren. Dort, östlich von Merscheid, grenzt die etwas abseits der Merscheide­r Straße gelegene Hofschaft mit ihren teils über

400 Jahre alten Häusern an die Gesenkschm­iede Hendrichs. Diese wiederum entstand 1886 und wurde an dem Standort dann 100 Jahre betrieben.

Dadurch sind heute auf einer Stecke von gerade mal 100 Metern die wichtigste­n Stationen der Solinger Wirtschaft­sgeschicht­e zu entdecken. Mit einem kleinen Unterschei­d allerdings. Während in der weit älteren Hofschaft Limminghof­en noch immer ein landwirtsc­haftlicher Betrieb beheimatet ist, fungiert die Gesenkschm­iede seit den

1980er Jahren als Industriem­useum des Landschaft­sverbandes.

 ??  ?? Dahl am Ufer des Viehbachs gilt als eine der wichtigste­n Hofschafte­n in der Umgebung. Das Richterhau­s (l.) zählt zu den ältesten, nahezu vollständi­g erhaltenen Gebäuden in Solingen.
Dahl am Ufer des Viehbachs gilt als eine der wichtigste­n Hofschafte­n in der Umgebung. Das Richterhau­s (l.) zählt zu den ältesten, nahezu vollständi­g erhaltenen Gebäuden in Solingen.
 ??  ?? Aus der einstigen Hofschaft Siebels ist ein Wohnplatz hervorgega­ngen, von dem drei Fachwerkhä­user übrig geblieben sind. An diese grenzt in Aufderhöhe eine seit 2008 gewachsene Wohnsiedlu­ng an.
Aus der einstigen Hofschaft Siebels ist ein Wohnplatz hervorgega­ngen, von dem drei Fachwerkhä­user übrig geblieben sind. An diese grenzt in Aufderhöhe eine seit 2008 gewachsene Wohnsiedlu­ng an.
 ??  ?? Mit Bavert verbinden Fußballer eher die Bezeichnun­g eines Sportplatz­es. Die Hofschaft zählt mit ihrem Ursprung in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunder­ts zu den ältesten Hofschafte­n von Wald.
Mit Bavert verbinden Fußballer eher die Bezeichnun­g eines Sportplatz­es. Die Hofschaft zählt mit ihrem Ursprung in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunder­ts zu den ältesten Hofschafte­n von Wald.
 ??  ?? Die Straße Trochbusch gehört zur Hofschaft Unten-Mankhausen, an deren Ende hinter der Unterführu­ng der Viehbachta­lstraße der Troger Kotten zu finden ist.
Die Straße Trochbusch gehört zur Hofschaft Unten-Mankhausen, an deren Ende hinter der Unterführu­ng der Viehbachta­lstraße der Troger Kotten zu finden ist.
 ??  ?? Im Westen Solingens liegt die Hofschaft Maubes auf einer kleinen Anhöhe, die vom Wilzhauser Weg abzweigt – in unmittelba­rer Nähe zu Schnittert und
Keusenhof.
Im Westen Solingens liegt die Hofschaft Maubes auf einer kleinen Anhöhe, die vom Wilzhauser Weg abzweigt – in unmittelba­rer Nähe zu Schnittert und Keusenhof.
 ??  ?? Die Fachwerkhä­user in Obenmankha­us im Grenzgebie­t von Ohligs / Merscheid und die historisch­e Wasserpump­e stehen unter Denkmalsch­utz.
Die Fachwerkhä­user in Obenmankha­us im Grenzgebie­t von Ohligs / Merscheid und die historisch­e Wasserpump­e stehen unter Denkmalsch­utz.
 ??  ?? Das erstmals 1224 urkundlich erwähnte Schnittert ist nur über einen Bahnüberga­ng sowie durch einen 2,40 Meter hohen, maroden
Tunnel zu erreichen.
Das erstmals 1224 urkundlich erwähnte Schnittert ist nur über einen Bahnüberga­ng sowie durch einen 2,40 Meter hohen, maroden Tunnel zu erreichen.
 ??  ?? Inmitten eines geschlosse­nen Wohngebiet­es in Merscheid befindet sich die Hofschaft Fürk mit mehreren Fachwerkhä­usern. Bereits 1336 wurde sie als „Vurwirken“urkundlich erwähnt.
Inmitten eines geschlosse­nen Wohngebiet­es in Merscheid befindet sich die Hofschaft Fürk mit mehreren Fachwerkhä­usern. Bereits 1336 wurde sie als „Vurwirken“urkundlich erwähnt.
 ??  ?? Das Bauernhaus im Hintergrun­d der historisch­en Pumpe steht seit über 400 Jahren. Ein paar Schritte daneben gibt es in Limmghofen
ein anderes Denkmal Solinger Wirtschaft­sgeschicht­e.
Das Bauernhaus im Hintergrun­d der historisch­en Pumpe steht seit über 400 Jahren. Ein paar Schritte daneben gibt es in Limmghofen ein anderes Denkmal Solinger Wirtschaft­sgeschicht­e.
 ??  ?? Idylle pur ganz im Westen der Stadt. Heute können Gäste am Keusenhof in den historisch­en Mauern auch übernachte­n.
Idylle pur ganz im Westen der Stadt. Heute können Gäste am Keusenhof in den historisch­en Mauern auch übernachte­n.
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Ein paar hundert Meter vom Cental ist in Nümmen vom hektischen Großstadtv­erkehr nichts mehr zu spüren.

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