Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Wirklich ein ziemlich guter Jahrgang“
Der mit 10.000 Euro dotierte Kunstpreis der National-Bank AG geht in diesem Jahr an den Düsseldorfer Pascal Sender.
Auch der Ablauf einer Jurysitzung zur Internationalen Bergischen Kunstausstellung ist in Zeiten von Corona ein anderer. So absolvierten die Mitglieder des diesjährigen Auswahlgremiums nach ihrem Eintreffen im Kunstmuseum erst einmal einen Schnelltest. Da alle Tests negativ ausfielen, konnte die Arbeit beginnen. Wobei das Auswählen innovativer und spannender junger Kunst-Positionen eigentlich nicht als Arbeit bezeichnet werden kann. Für Museumsdirektorin Gisela Elbracht-Iglhaut kommt es in jedem Jahr eher einem großen Vergnügen gleich, die eingereichten Bewerbungsmappen zu sichten – und gemeinsam mit den anderen Juroren Werke für die Ausstellung auszuwählen.
260 Mappen von professionellen Künstlerinnen und Künstlern waren im Kunstmuseum eingegangen. Rund 90 Prozent der Bewerbungen stammten wieder von aktuellen oder ehemaligen Studenten der Düsseldorfer Kunstakademie.
Was die Jury bereits nach der ersten Sichtung der im unteren Saal für Wechselausstellungen auf langen Tischen ausgebreiteten Mappen sofort begeisterte, beschreibt die Museumsleiterin: „Es ist ein ziemlich guter Jahrgang mit wirklich guten Positionen. Die Qualität ist diesmal extrem hoch. Der aktuell positive Trend an der Kunstakademie spiegelt sich also auch in den Bewerbungen für unsere Jubiläumsausstellung wider.“
Zehn Stunden tagte die Jury im Kunstmuseum, erst gegen 20 Uhr standen Teilnehmer und mit Pascal Sender der Preisträger der 75.
Auflage der Bergischen fest. Letzterer darf sich über ein von der National-Bank AG ausgelobtes Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro freuen.
Dass das Votum der Jury letztendlich auf den 1988 in der Schweiz geborenen und heute in Düsseldorf und London lebenden Künstler fiel, war für Elbracht-Iglhaut keine Überraschung: „Als ich die Mappe von Pascal Sender aufgeschlagen habe, dacht ich sofort: Wow, ein möglicher Preisträger.“
Pascal Sender hält bei seinen täglichen Gängen und Fahrten durch die Stadt – etwa mit der Londoner U-Bahn zur Royal Academy School, an der der Künstler aktuell studiert – seine alltäglichen Eindrücke mit der Kamera seines Smartphones fest. Diese Bilder verarbeitet er als digitale Malerei sofort weiter. „Nachrichten, die er über das Handy erhält oder in sozialen Netzwerken findet, Musikfragmente, bekannte semantische Zeichen finden Eingang in seine Samplings“, beschreibt Elbracht-Iglhaut. Die so entstehenden digitalen Bildcollagen druckt der Künstler großformatig aus. „Im Atelier wird der Bildträger weiterverarbeitet: Es finden sich zeichnerische Pinselspuren, aber auch Materialcollagen und experimentelle Bearbeitungen. Pascal Sender verbindet die Möglichkeiten digitaler Bildwelten mit analoger Malerei und schafft einzigartige Werke, die zeitgemäß die Welt, in der wir leben, erfassen“, begründet die Museumsdirektorin mit dieser Werkbeschreibung gleichzeitig auch die Preisvergabe an Pascal Sender.
Wie ein Bild des Künstlers entsteht, etwa das jetzt bei der Bergischen prämierte Werk „Exit“, das demonstriert der Preisträger auf einem Video, welches auf YouTube zu finden ist. „Ich male digital wie analog, und die Schnittstelle interessiert mich“, erläutert Sender.
Doch die Werke von Pascal Sender haben noch eine zweite Ebene. Der Künstler bietet dem Betrachter mittels eines QR-Codes, der auf Instagram einen Filter freischaltet, die Möglichkeit, sich seine Bilder auf dem Handy dreidimensional anzuschauen. Was nicht nur vor dem Original, sondern auch im Internet funktioniert. „Neben den 3D-Effekten kann man tippen, und es wird der digitale Schaffensprozess gezeigt. Somit versuche ich, dem Augmented Reality Layer einen Sinn zu verschaffen. Da digitale Malerei oft diese vorangegangenen Prozesse des Entstehens einer Malerei nicht enthält, dachte ich, es wäre spannend, diesen als versteckte Information zu implementieren.“
Die Bergische Kunstaustellung findet 2021 zum 75. Mal statt. Solinger Künstler hatten die Schau nach dem Krieg erstmalig durchgeführt, um Künstlern nach dem Zweiten Weltkrieg ein Forum in Frieden und Freiheit zu bieten. Nach den Repressalien durch die Nationalsozialisten, denen auch die Kultur bis 1945 ausgesetzt war, sollte die Ausstellung vor allem die unabdingbar notwendige Selbstbestimmtheit der Kunst in den Vordergrund stellen und folgte keinen programmatischen Vorgaben.
Zu den ersten Teilnehmern gehörten Künstler wie Otto Dix und Conrad Felixmüller.