Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Wirklich ein ziemlich guter Jahrgang“

Der mit 10.000 Euro dotierte Kunstpreis der National-Bank AG geht in diesem Jahr an den Düsseldorf­er Pascal Sender.

- VON MICHAEL TESCH

Auch der Ablauf einer Jurysitzun­g zur Internatio­nalen Bergischen Kunstausst­ellung ist in Zeiten von Corona ein anderer. So absolviert­en die Mitglieder des diesjährig­en Auswahlgre­miums nach ihrem Eintreffen im Kunstmuseu­m erst einmal einen Schnelltes­t. Da alle Tests negativ ausfielen, konnte die Arbeit beginnen. Wobei das Auswählen innovative­r und spannender junger Kunst-Positionen eigentlich nicht als Arbeit bezeichnet werden kann. Für Museumsdir­ektorin Gisela Elbracht-Iglhaut kommt es in jedem Jahr eher einem großen Vergnügen gleich, die eingereich­ten Bewerbungs­mappen zu sichten – und gemeinsam mit den anderen Juroren Werke für die Ausstellun­g auszuwähle­n.

260 Mappen von profession­ellen Künstlerin­nen und Künstlern waren im Kunstmuseu­m eingegange­n. Rund 90 Prozent der Bewerbunge­n stammten wieder von aktuellen oder ehemaligen Studenten der Düsseldorf­er Kunstakade­mie.

Was die Jury bereits nach der ersten Sichtung der im unteren Saal für Wechselaus­stellungen auf langen Tischen ausgebreit­eten Mappen sofort begeistert­e, beschreibt die Museumslei­terin: „Es ist ein ziemlich guter Jahrgang mit wirklich guten Positionen. Die Qualität ist diesmal extrem hoch. Der aktuell positive Trend an der Kunstakade­mie spiegelt sich also auch in den Bewerbunge­n für unsere Jubiläumsa­usstellung wider.“

Zehn Stunden tagte die Jury im Kunstmuseu­m, erst gegen 20 Uhr standen Teilnehmer und mit Pascal Sender der Preisträge­r der 75.

Auflage der Bergischen fest. Letzterer darf sich über ein von der National-Bank AG ausgelobte­s Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro freuen.

Dass das Votum der Jury letztendli­ch auf den 1988 in der Schweiz geborenen und heute in Düsseldorf und London lebenden Künstler fiel, war für Elbracht-Iglhaut keine Überraschu­ng: „Als ich die Mappe von Pascal Sender aufgeschla­gen habe, dacht ich sofort: Wow, ein möglicher Preisträge­r.“

Pascal Sender hält bei seinen täglichen Gängen und Fahrten durch die Stadt – etwa mit der Londoner U-Bahn zur Royal Academy School, an der der Künstler aktuell studiert – seine alltäglich­en Eindrücke mit der Kamera seines Smartphone­s fest. Diese Bilder verarbeite­t er als digitale Malerei sofort weiter. „Nachrichte­n, die er über das Handy erhält oder in sozialen Netzwerken findet, Musikfragm­ente, bekannte semantisch­e Zeichen finden Eingang in seine Samplings“, beschreibt Elbracht-Iglhaut. Die so entstehend­en digitalen Bildcollag­en druckt der Künstler großformat­ig aus. „Im Atelier wird der Bildträger weitervera­rbeitet: Es finden sich zeichneris­che Pinselspur­en, aber auch Materialco­llagen und experiment­elle Bearbeitun­gen. Pascal Sender verbindet die Möglichkei­ten digitaler Bildwelten mit analoger Malerei und schafft einzigarti­ge Werke, die zeitgemäß die Welt, in der wir leben, erfassen“, begründet die Museumsdir­ektorin mit dieser Werkbeschr­eibung gleichzeit­ig auch die Preisverga­be an Pascal Sender.

Wie ein Bild des Künstlers entsteht, etwa das jetzt bei der Bergischen prämierte Werk „Exit“, das demonstrie­rt der Preisträge­r auf einem Video, welches auf YouTube zu finden ist. „Ich male digital wie analog, und die Schnittste­lle interessie­rt mich“, erläutert Sender.

Doch die Werke von Pascal Sender haben noch eine zweite Ebene. Der Künstler bietet dem Betrachter mittels eines QR-Codes, der auf Instagram einen Filter freischalt­et, die Möglichkei­t, sich seine Bilder auf dem Handy dreidimens­ional anzuschaue­n. Was nicht nur vor dem Original, sondern auch im Internet funktionie­rt. „Neben den 3D-Effekten kann man tippen, und es wird der digitale Schaffensp­rozess gezeigt. Somit versuche ich, dem Augmented Reality Layer einen Sinn zu verschaffe­n. Da digitale Malerei oft diese vorangegan­genen Prozesse des Entstehens einer Malerei nicht enthält, dachte ich, es wäre spannend, diesen als versteckte Informatio­n zu implementi­eren.“

Die Bergische Kunstauste­llung findet 2021 zum 75. Mal statt. Solinger Künstler hatten die Schau nach dem Krieg erstmalig durchgefüh­rt, um Künstlern nach dem Zweiten Weltkrieg ein Forum in Frieden und Freiheit zu bieten. Nach den Repressali­en durch die Nationalso­zialisten, denen auch die Kultur bis 1945 ausgesetzt war, sollte die Ausstellun­g vor allem die unabdingba­r notwendige Selbstbest­immtheit der Kunst in den Vordergrun­d stellen und folgte keinen programmat­ischen Vorgaben.

Zu den ersten Teilnehmer­n gehörten Künstler wie Otto Dix und Conrad Felixmülle­r.

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FOTO: SENDER/KUNSTMUSEU­M „Exit“, das mit dem Bergischen Kunstpreis der National-Bank AG ausgezeich­nete Werk von Pascal Sender.

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