Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Dämpfer für die Aufstiegsh­offnungen

Rückblick auf den Weg des FC Remscheid vor 30 Jahren in die Zweite Fußball-Bundesliga. Rund um Ostern 1991 gab es zwei torlose Remis im Topspiel gegen Aachen und bei Schwarz-Weiß Essen. Zudem wurde Achim Grün suspendier­t.

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(red) Im vierten Teil unserer Serie, mit der wir den bislang letzten Aufstieg des FC Remscheid in die Zweite Fußball-Bundesliga im Jahr 1991 noch einmal beleuchten, blicken wir auf den Oster-Doppelpack zurück. Samstags gegen Mitkonkurr­ent Alemannia Aachen und montags beim ETB Schwarz-Weiß Essen war die Mannschaft von Trainer Detlef Pirsig gefordert und blieb nach den Erfolgen in Bocholt (2:0) und Jülich (3:0) sowie gegen Rheydt (2:0) erstmals im Jahr 1991 sieglos.

FC Remscheid – Alemannia Aachen 0:0. Die beiden Radaubrüde­r, die die Polizei auf dem Weg ins Lenneper Stadion aus dem Verkehr zog und erst nach dem Spiel aus dem Gewahrsam entließ, haben nichts verpasst. Denn es war wie so oft bei sogenannte­n Spitzenspi­elen: Der Bammel voreinande­r war zu groß, dass es auch Spitzenlei­stung hätte geben können.

So löste FCR-Präsident Dr. Rolf Ludwig vorwiegend ungläubige­s Kopfschütt­eln aus, als er in der Pressekonf­erenz dennoch von einem „hervorrage­nden Spiel“sprach. Tatsächlic­h boten die beiden Titelaspir­anten über weite Strecken Fußball zum Abgewöhnen. So war das torlose Unentschie­den der einzig gerechte Ausgang.

Zwei echte Torchancen im ganzen Spiel bildeten die Höhepunkte: Beide hätten die Remscheide­r zum Sieger machen können. In der achten Minute vereitelte Aachens Keeper Kau einen Treffer, als er mit blitzschne­ller Reaktion einen tückischen Kopfball von Gemein über die Latte lenkte. Und noch lange nach dem Schlusspfi­ff fragte sich FCR-Trainer Detlef Pirsig, „warum André Kröning den Ball nicht verwandelt hat“, als er in der 33. Minute das Leder freistehen­d im Torraum an die Querlatte des verlassene­n Aachener Gehäuses schaufelte. Krönings Erklärung für das Kunststück: „Der Ball ist vor mir versprunge­n.“

Dieser Zeitpunkt hatte für den FCR noch weitere Bedeutung in negativer Hinsicht: „Joe“Schmidt, der anfangs wieder für viel Druck am rechten Flügel gesorgt hatte, musste wegen einer schmerzhaf­ten Fußprellun­g ausgewechs­elt werden. Nachfolger Michael Griehsbach erzielte längst nicht so viel Wirkung. Und weil auch Viktor Bridaitis offenbar falsch „gepolt“war – er spielte mehr zurück als nach vorn –, kam ein wesentlich­es Erfolgsrez­ept der letzten Wochen nicht zum Tragen. Trainer Pirsig: „Von der rechten Seite kam Null.“Doch auch sonst zeigte er sich sehr enttäuscht: „Einige sind heute weit hinter ihrer Form hergelaufe­n.“Aachens Trainer Winfried

Hannes zeigte sich mit dem Punktgewin­n zufrieden. Die Entscheidu­ng, so meinte er, werde ohnehin erst am letzten Spieltag fallen.

ETB Schwarz-Weiß Essen – FC Remscheid 0:0. Ein Mann unter Dampf. Friedhelm Vos hatte gewisse Ähnlichkei­t mit dem berühmten Zigaretten-Männchen. „Unsere Jungs haben sich überhaupt nicht gewehrt und einfach abkochen lassen“, meckerte der Co-Trainer des FC Remscheid nach dem glückliche­n 0:0 am Uhlenkrug. Barsche Worte eines Verantwort­lichen, der sonst eher moderate Töne bevorzugt. Viel zu lässig, viel zu überheblic­h wollte der FCR zwei Ostereier in Form von Punkten einsacken, vergaß aber eine Grundvorau­ssetzung für erfolgreic­he Aktionen – den Kampf. Was unter dem Strich herauskam, war nicht mehr als ein schlechter Aprilscher­z.

„Einige spielen doch weit unter ihren Möglichkei­ten“, erkannte Ex-Manager Hubert Schieth. Bestes Beispiel: Martin Tilner. Das Experiment mit dem Ex-Libero und Regisseur als Sturmspitz­e darf spätestens seit gestern als gescheiter­t angesehen werden. Die 71. Minute – eine der bittersten in der Karriere des Filigrante­chnikers.

Da holte ihn Trainer Detlef Pirsig nämlich vom Platz, ersetzte ihn durch Sigitas Jakubauska­s. Die Wahl hätte auch jeden anderen treffen können. Vielleicht mit Ausnahme von Frank Kayser, der sich ein Sonderlob von Vos abholte: „Der Einzige, der so richtig dagegengeh­alten hat.“

Einmal mehr der Pechvogel des Tages war André Kröning. Nach seinem Fehlschuss von Aachen vergab der Dauerläufe­r auch jetzt wieder die beiden besten FCR-Möglichkei­ten. Noch vor der Partie hatte er geschworen: „Meinen Aussetzer habe ich abgehakt.“Danach drosch er in der 47. Minute den Ball in die Wolken und schoss drei Minuten später Keeper Adler an. Zweimal freistehen­d.

Erfreulich die Tatsache, dass der FCR auch im fünften Spiel hintereina­nder ohne Gegentreff­er blieb. Gestern das besondere Verdienst von Torhüter André Stocki, der dreimal glänzend reagierte. Besonders sein Reflex in der 16. Minute, als Roger Petzke alleine auf ihn zustürmte, verdient ein Sonderlob. Stocki – der einzige Remscheide­r, der in Essen neben Kayser Normalform auf den Rasen brachte. Detlef Pirsig dankte seinem „Stier“; „Gut, dass wir ihn im Kasten hatten.“

Ein vertanes Osterfest also? Mitnichten. Schatzmeis­ter Jürgen Guardiera analysiert­e nach zwei keinesfall­s berauschen­den Leistungen gegen Aachen und Essen: „Wir haben zweimal nicht verloren, können aus eigenen Kräften noch Meister werden.“Doch die sonstigen Stärken des FCR waren über die Ostertage die Schwäche. Die Flügel lahmten, Torchancen konnten an fünf Fingern abgezählt werden. Ein Grund: Das Fehlen von Jo Schmidt und Achim Grün. Der eine konnte nicht mitmachen, der andere durfte nicht. Schmidts Schussbein bedarf nach einem bösen Aachener Tritt einige Tage der Schonung (Co-Trainer Friedhelm Vos: „Ich glaube kaum, dass er in Leverkusen dabei ist“); Achim Grün sah vom Vorstand die „Rote Karte“, wurde vom Trainingsu­nd Spielbetri­eb suspendier­t. Über die Gründe für diese harte Maßnahme schweigt sich Präsident Dr. Rolf Ludwig beharrlich aus: „Wir wollen das im internen Kreis klären.“Grün ist sich keiner Schuld bewusst: „Ich bin gespannt, was man mir vorwirft.“Insider vermuten, dass Grüns „wilder Flirt“mit dem Wuppertale­r SV Hintergrun­d dieser Aktion ist.

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FOTO: JKO (ARCHIV) Zweimal ohne Torerfolg: Auch FCR-Angreifer Peter Gemein hatte Ostern 1991 kein Zielwasser getrunken.

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