Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Schuld allein ist nicht die Katastrophe“
Das Sakrament der Beichte hat sich über die vergangenen Jahrzehnte verändert, erklärt Stadtdechant Thomas Kaster.
Es erscheint verlockend – um seine Sünden und Verfehlungen vom seelischen Konto zu streichen, bekennt man sie in der Beichte, betet eine vom Priester vorgegebene Zahl von Bußgebeten und kann quasi mit reinem Gewissen weiter durchs Leben gehen. Und das lässt sich praktischerweise jederzeit wiederholen. Das entspricht allerdings nicht ganz den Tatsachen, wie der Remscheider Stadtdechant Thomas Kaster schmunzelnd betont. „Die Beichte ist vielmehr eine Hilfe für den Menschen, mit Schuld und Versagen umzugehen – und mit dieser Schuld, von Gottes Liebe getragen, leben zu können.“Dabei sei die Bereitschaft der Menschen, sich damit auseinanderzusetzen, genauso wichtig wie das Vertrauen in den jeweiligen Seelsorger.
Kaster bezeichnet die Beichte auch als ein Teilen der eigenen Schuld mit Gott. „Manche Menschen glauben ja, dass mit dem Ablegen der Beichte alles erledigt sei. Aber natürlich ist das Problem nach wie vor vorhanden“, sagt Kaster. Vor allem die Folgen, die sich aus der Schuld heraus ergäben, seien dadurch nicht verschwunden. „Dabei geht es vor allem um menschliche Verletzungen. Teilweise sind da Risse in Beziehungen, die nicht mehr so einfach zu kitten sind. Oder die betroffenen Menschen sind schon verstorben, so dass etwa eine Versöhnung mit ihnen nicht mehr möglich ist“, sagt der Stadtdechant.
Allerdings könne man diese Schuld, das, wie Kaster es ausdrückt, „Gebrochene der eigenen Situation“, mit Gott teilen. „Dadurch spielt die Schuld angesichts seiner Liebe vor Gott keine Rolle mehr“, sagt Kaster.
Die Katholische Kirche empfehle, eine Beichte wenigstens einmal im Jahr abzulegen. „Vorzugsweise geschieht das in der österlichen Zeit“, sagt Kaster. Der Zeitpunkt um das wichtigste christliche Hochfest sei dabei sehr gut geeignet, vor allem auch mit Blick auf die Auferstehung Jesu Christi. „Denn dazu passt es ja prima, wenn man sich im Rahmen einer Beichte überlegt, was man auch im Privaten machen kann, um befreit wieder neu anzufangen“, sagt der Stadtdechant.
Zwar gibt es in den allermeisten Kirchen die klassischen Beichtstühle, in denen der Gläubige dem Seelsorger gegenüber kniet, abgetrennt durch eine Wand. Allerdings habe sich die Form der Beichte über die vergangenen Jahrzehnte verändert. „Natürlich gibt es das auch nach wie vor noch. Aber oft finden Beichten in Form von Gesprächen statt. Mir ist dabei wichtig, eine möglichst ungezwungene Atmosphäre zu haben. Es müssen nicht unbedingt gelernte Sprüche aufgesagt werden“, sagt Kaster. Er beginne das Beichtgespräch mit einem gemeinsamen Kreuzzeichen – als Symbol dafür, dass das Beichtgespräch eine Art Gottesdienst ist. „Wichtig ist, dass man sich gegenseitig vertraut – oder das Vertrauen ineinander findet“, sagt Kaster.
Für den Pfarrer gehört es klar zum Erwachsenenleben dazu, mit persönlicher Schuld umgehen zu lernen. „Denn Schuld ist nicht die Katastrophe. Die Katastrophe ist, wenn wir nichts aus der Schuld lernen. Durch den Umgang mit der Schuld, die wir auf uns geladen haben, haben wir gleichzeitig die Chance, zu reifen und uns zu verändern“, sagt Kaster. Klar sei auch, dass, was immer im Beichtgespräch besprochen werde, auch dort bleibe.
„Das Beichtgeheimnis ist äußerst wichtig. Niemand würde zur Beichte gehen, wenn die Verschwiegenheit nicht garantiert wäre“, betont Thomas Kaster. Das könne natürlich für den Beichtvater zum Dilemma führen,
etwa wenn der Beichtende ein Verbrechen gestehe. „Ich selbst war noch nicht in der Lage. Aber man würde dann versuchen, den Beichtenden dazu zu bewegen, sich den
Behörden zu stellen. Allerdings kann das durchaus zu einer belastenden Situation für den Seelsorger werden.“
Grundsätzlich würde er die Beichtenden an andere Ansprechpartner verweisen, wenn seine Kompetenzen überschritten würden. „Das ist etwa bei ehelichen Problemen der Fall, wo beide Partner notwendig sind. Man kann nicht alles im Beichtstuhl regeln“, sagt Thomas Kaster.
Abgeschlossen werde die Beichte mit einer Schlussformel, der sogenannten Lossprechung. „Damit ist man quasi mit Gott im Reinen. Allerdings halte ich überhaupt nichts davon, dem Beichtenden praktisch als ‚Strafe‘ verschiedene Gebete aufzutragen. In meinen Augen wäre das die Pervertierung des Gebets, wenn es zur Buße auferlegt wird“, sagt Kaster. Daher würde er den Beichtenden zwar durchaus Gebete mit auf den Weg geben. „Aber sie sollen für etwas oder jemanden beten. Das ist wesentlich konstruktiver und besser in meinen Augen“, sagt Kaster.