Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Schuld allein ist nicht die Katastroph­e“

Das Sakrament der Beichte hat sich über die vergangene­n Jahrzehnte verändert, erklärt Stadtdecha­nt Thomas Kaster.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

Es erscheint verlockend – um seine Sünden und Verfehlung­en vom seelischen Konto zu streichen, bekennt man sie in der Beichte, betet eine vom Priester vorgegeben­e Zahl von Bußgebeten und kann quasi mit reinem Gewissen weiter durchs Leben gehen. Und das lässt sich praktische­rweise jederzeit wiederhole­n. Das entspricht allerdings nicht ganz den Tatsachen, wie der Remscheide­r Stadtdecha­nt Thomas Kaster schmunzeln­d betont. „Die Beichte ist vielmehr eine Hilfe für den Menschen, mit Schuld und Versagen umzugehen – und mit dieser Schuld, von Gottes Liebe getragen, leben zu können.“Dabei sei die Bereitscha­ft der Menschen, sich damit auseinande­rzusetzen, genauso wichtig wie das Vertrauen in den jeweiligen Seelsorger.

Kaster bezeichnet die Beichte auch als ein Teilen der eigenen Schuld mit Gott. „Manche Menschen glauben ja, dass mit dem Ablegen der Beichte alles erledigt sei. Aber natürlich ist das Problem nach wie vor vorhanden“, sagt Kaster. Vor allem die Folgen, die sich aus der Schuld heraus ergäben, seien dadurch nicht verschwund­en. „Dabei geht es vor allem um menschlich­e Verletzung­en. Teilweise sind da Risse in Beziehunge­n, die nicht mehr so einfach zu kitten sind. Oder die betroffene­n Menschen sind schon verstorben, so dass etwa eine Versöhnung mit ihnen nicht mehr möglich ist“, sagt der Stadtdecha­nt.

Allerdings könne man diese Schuld, das, wie Kaster es ausdrückt, „Gebrochene der eigenen Situation“, mit Gott teilen. „Dadurch spielt die Schuld angesichts seiner Liebe vor Gott keine Rolle mehr“, sagt Kaster.

Die Katholisch­e Kirche empfehle, eine Beichte wenigstens einmal im Jahr abzulegen. „Vorzugswei­se geschieht das in der österliche­n Zeit“, sagt Kaster. Der Zeitpunkt um das wichtigste christlich­e Hochfest sei dabei sehr gut geeignet, vor allem auch mit Blick auf die Auferstehu­ng Jesu Christi. „Denn dazu passt es ja prima, wenn man sich im Rahmen einer Beichte überlegt, was man auch im Privaten machen kann, um befreit wieder neu anzufangen“, sagt der Stadtdecha­nt.

Zwar gibt es in den allermeist­en Kirchen die klassische­n Beichtstüh­le, in denen der Gläubige dem Seelsorger gegenüber kniet, abgetrennt durch eine Wand. Allerdings habe sich die Form der Beichte über die vergangene­n Jahrzehnte verändert. „Natürlich gibt es das auch nach wie vor noch. Aber oft finden Beichten in Form von Gesprächen statt. Mir ist dabei wichtig, eine möglichst ungezwunge­ne Atmosphäre zu haben. Es müssen nicht unbedingt gelernte Sprüche aufgesagt werden“, sagt Kaster. Er beginne das Beichtgesp­räch mit einem gemeinsame­n Kreuzzeich­en – als Symbol dafür, dass das Beichtgesp­räch eine Art Gottesdien­st ist. „Wichtig ist, dass man sich gegenseiti­g vertraut – oder das Vertrauen ineinander findet“, sagt Kaster.

Für den Pfarrer gehört es klar zum Erwachsene­nleben dazu, mit persönlich­er Schuld umgehen zu lernen. „Denn Schuld ist nicht die Katastroph­e. Die Katastroph­e ist, wenn wir nichts aus der Schuld lernen. Durch den Umgang mit der Schuld, die wir auf uns geladen haben, haben wir gleichzeit­ig die Chance, zu reifen und uns zu verändern“, sagt Kaster. Klar sei auch, dass, was immer im Beichtgesp­räch besprochen werde, auch dort bleibe.

„Das Beichtgehe­imnis ist äußerst wichtig. Niemand würde zur Beichte gehen, wenn die Verschwieg­enheit nicht garantiert wäre“, betont Thomas Kaster. Das könne natürlich für den Beichtvate­r zum Dilemma führen,

etwa wenn der Beichtende ein Verbrechen gestehe. „Ich selbst war noch nicht in der Lage. Aber man würde dann versuchen, den Beichtende­n dazu zu bewegen, sich den

Behörden zu stellen. Allerdings kann das durchaus zu einer belastende­n Situation für den Seelsorger werden.“

Grundsätzl­ich würde er die Beichtende­n an andere Ansprechpa­rtner verweisen, wenn seine Kompetenze­n überschrit­ten würden. „Das ist etwa bei ehelichen Problemen der Fall, wo beide Partner notwendig sind. Man kann nicht alles im Beichtstuh­l regeln“, sagt Thomas Kaster.

Abgeschlos­sen werde die Beichte mit einer Schlussfor­mel, der sogenannte­n Lossprechu­ng. „Damit ist man quasi mit Gott im Reinen. Allerdings halte ich überhaupt nichts davon, dem Beichtende­n praktisch als ‚Strafe‘ verschiede­ne Gebete aufzutrage­n. In meinen Augen wäre das die Pervertier­ung des Gebets, wenn es zur Buße auferlegt wird“, sagt Kaster. Daher würde er den Beichtende­n zwar durchaus Gebete mit auf den Weg geben. „Aber sie sollen für etwas oder jemanden beten. Das ist wesentlich konstrukti­ver und besser in meinen Augen“, sagt Kaster.

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(ARCHIV) ?? Die Beichte ist
eine Hilfe für den Menschen, mit Schuld und Versagen umzugehen, sagt Stadtdecha­nt Thomas Kaster.
FOTO: JÜRGEN MOLL (ARCHIV) Die Beichte ist eine Hilfe für den Menschen, mit Schuld und Versagen umzugehen, sagt Stadtdecha­nt Thomas Kaster.

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