Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Morgens nachsehen, ob Lämmer geboren sind
Die Familie Rocholl betreibt seit sieben Jahren einen Erlebnisbauernhof in Höhrath und muss in der Corona-Pandemie viele Abstriche machen.
Inmitten der Häuser und Höfe, quasi im Herzen von Höhrath liegt der Erlebnisbauernhof Rocholl, ein Paradies besonders – aber nicht nur – für Kinder. Hier finden in normalen Zeiten Besuche statt, Kurse werden angeboten, Kindergeburtstage gefeiert.
Während der Corona-Monate ist wenig davon geblieben. Das Ehepaar Kathy und Sven Rocholl, die sich selbstbewusst Bauern und nicht Landwirte nennen, führen den Hof seit 2014. „Der Platz hier zwischen Sengbachtalsperre und Schloss Burg ist optimal für uns“, verrät Kathy Rocholl bei einer Führung über den Erlebnisbauernhof. „Am Anfang wussten wir auch noch nicht, wohin uns der gemeinsame Weg führen würde.“
Kathy ist staatlich anerkannte Waldorf-Erzieherin und wuchs auf einem Ponyhof in Dortmund auf. Sven, gelernter Kfz-Mechaniker, wollte immer schon Bauer werden. Die Kinder des Paares, Tom und Teo, 2015 und 2017 geboren, haben sich bereits in den Ablauf des Hofes integriert. Man kann ihnen die Freude, die ihnen das Leben auf dem Hof bereitet, ansehen.
Es riecht nach Bauernhof. Heu, Tiere, Holz, Sonne auf Pferdefell und Gräsern. Auch die Tonkulisse ist landwirtschaftlich geprägt: Hühner gurren und scharren, Schweine grunzen, Schafe blöken, nur die Kaninchen schweigen.
Zwischendrin erklären Kathy und Teo das Leben auf dem Hof. „Zuerst hatten wir Pferde“, erklärt die Bäuerin, die 2019 die Prüfung zur Bauernhoferlebnispädagogin bestanden hat. „Shetland-Ponys und Irish Tinker. „Danach kamen die Kaninchen und die Schafe. Dann die Mini-Schweine.“
Der Hof wurde schnell zu einem ganzheitlichen Projekt. Der Tierbestand wurde umgestellt, so dass der Bauernhof inzwischen viele vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen beherbergt. Kathy Rocholl geht zügig zu den drei Husumer Sattelschweinen, die sich genüsslich im Suhl der Fellpflege widmen und zufrieden grunzen. Eber Karlchen ist dreckig wie ein … nun ja … Schwein, was er jedoch liebt. „Anfang Juli gibt’s Nachwuchs“, freut sich die Bäuerin. „Das kann man leicht errechnen, da die Schweine drei Monate,
drei Wochen und drei Tage trächtig sind.“
Nebenan tummeln sich die Rauwolligen Pommerschen Landschafe, die eher scheu sind, jedoch nichtsdestotrotz kräftig blöken können. Manche Schafe haben Bänder um den Hals gebunden: Alle sind selbst gehäkelt. Der Bestand der Pferde soll ebenfalls auf vom Aussterben bedrohte alte deutsche Rassen umgestellt werden.
Das selbstgewählte Landleben ist der Familie auch in Corona-Zeiten extrem wichtig, obwohl, so Kathy Rocholl, „das Überleben schon hart ist“. Außer der hippopädagogischen Einzelbehandlung (Reitunterricht) ist im Moment nicht viel geblieben.
Man muss bereit sein, Abstriche zu machen. Das fängt beim privaten Verzicht an. „Braucht man zwei Autos auf dem Hof oder 13 T-Shirts
im Schrank? Man denkt mehr über grundlegende Dinge nach, wie ‚Was ist mir wichtig?‘ oder „Was bedeutet mein Leben? Wo will ich hin?‘ Aber ich habe noch nie aufgegeben und tue das auch jetzt nicht. Wir sehen die Situation als Chance an. Und es bleibt ungemein spannend, morgens im Unterzeug in den Stall zu flitzen, um nachzusehen, ob die Lämmer geboren sind.“
Ein kleines Zubrot gewähren die Familien-Tierpatenschaften, die neuerdings im Angebot des Hofes sind. Die Familien bekommen regelmäßig eine elektronische Hofpost mit Neuigkeiten über den Hof und das bäuerliche Leben. Sobald Corona besiegt sein wird, sollen die Kurse wieder angeboten werden und das Leben auf dem Bauernhof wieder einigermaßen normal möglich sein. Die unbeschwerten Zeiten für Tom und Teo sind endlich: Die Familie hofft auf Plätze in der Waldorfschule in Bergisch Born.