Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Start-up will Müll schon im Fluss stoppen
Drei Gründer engagieren sich für Umweltschutz und wollen auch Unternehmen ins Boot holen.
Eine Reise nach Vietnam gab den Ausschlag. Im Mekongdelta sahen Karsten Hirsch, Moritz Schulz und Georg Baunach mit eigenen Augen, wie Plastikmüll in die Weltmeere gespült wird. „Wir haben uns gefragt, warum sich niemand um die Flüsse kümmert“, blickt Hirsch zurück. Die Freunde entschieden, das Problem anzugehen. Im April 2019 gründete das Trio die Plastic Fischer GmbH. Das Ziel des Start-ups mit Sitz in Solingen: effektiv Plastik aus Flüssen entfernen, damit es nicht zu Meeresplastik wird.
Gelingen soll das mit einer möglichst einfachen, kostengünstigen Technologie. „Wir haben ein halbes Jahr lang verschiedene Varianten ausprobiert“, erzählt Geschäftsführer Karsten Hirsch. Herausgekommen sind so genannte Trashbooms. Dabei handelt es sich um schwimmende Zäune. Sie bestehen im Wesentlichen aus PVC-Rohren und Gittern. Die Barrieren halten den Müll in den Flüssen auf.
Helfer vor Ort müssen nicht mehr Flaschen, Verpackungen und Tüten einzeln aus dem Wasser fischen. Vielmehr können sie den Abfall deutlich effektiver mit Keschern sammeln und anschließend sortieren. Die Kosten für ein System betragen rund 2000 Euro. Je nach Fluss hält ein Trashboom bis zu 500 Kilogramm Müll auf – pro Tag. Zwei bis drei Prozent können recycelt werden – der Rest wird verbrannt.
Im Einsatz ist das System von Plastic Fischer bislang in der indonesischen Stadt Bandung. Der dortige Fluss Citarum gilt als einer der dreckigsten der Welt. Auch in Indien ist das Unternehmen aktiv. Wegen der Corona-Pandemie ist es Hirsch seit mehr als einem Jahr nicht mehr möglich, die Entwicklungen vor Ort zu begleiten. Zuletzt war der 29-Jährige von Juni bis Dezember 2019 in
Indonesien. „Wir arbeiten mit Partnern und haben uns ein Team aufgebaut, das jeden Monat wächst“, berichtet der Geschäftsführer. „Was neue Projekte angeht, haben wir leider die freie Wahl. Es ist in wahnsinnig vielen Flüssen unfassbar dreckig“, sagt Hirsch.
Aktuell hat das Plastic-Fischer-Team den Saigon in Vietnam im Blick. Um dort nicht nur Abfall, sondern auch invasive Wasserhyazinthen aus dem Fluss zu ziehen, soll erstmals eine halbautomatisierte Lösung zum Einsatz kommen. „Mehr Automatisierung streben wir allerdings nicht an“, betont Hirsch. Es gehöre zum Ziel des Unternehmens, Arbeitsplätze zu schaffen. Das soll einerseits gegen die Armut in den betroffenen Regionen helfen. Auf der anderen Seite hofft das Start-up, die lokale Bevölkerung für die Probleme zu sensibilisieren, die Müll in Gewässern verursacht.
Aktuell arbeitet Plastic Fischer nicht kostendeckend. Die Gründer und kleinere Investoren haben die bisherigen Projekte finanziert. Außerdem überzeugte das Konzept bei mehreren Wettbewerben, zuletzt vor knapp zwei Wochen beim Berg-Pitch in Solingen.
Langfristig sollen „Plastic Credits“neue Trashbooms finanzieren. Die Idee: Umweltbewusste Firmen unterstützen das Vorhaben, um plastikneutral zu arbeiten – ähnlich wie beim CO2-Fußabdruck. Hirsch zufolge können Betriebe beispielsweise dafür sorgen, dass ein Jahr lang pro Monat eine Tonne Müll aus einem Fluss gefischt wird. Pro Tonne koste das 500 bis 800 Euro. „Das ist nicht nur für Unternehmen interessant, die selbst Plastikmüll verursachen. Die Weltmeere gehen uns alle an“, betont der Geschäftsführer.
Bisher arbeitet Plastic Fischer mit drei Kunden zusammen. Die Zahl soll schnell steigen. Karsten Hirsch hofft, dass das Modell auf lange Sicht eine ähnliche Bedeutung erhält wie Klimaneutralität. Der 29-jährige Kölner ist vom eingeschlagenen Weg überzeugt. Er hat sich gegen eine Laufbahn als Jurist und für Plastic Fischer entschieden. Er hat eine Beschäftigung gefunden, die ihm sinnvoller erscheint.