Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Auf dem Mars startet ein kleiner Helikopter
Die Nasa wird ihren Hubschrauber „Ingenuity“erstmals über dem Roten Planeten aufsteigen lassen.
(dpa) Für das, was in den kommenden Tagen wenige Meter über der Mars-Oberfläche passieren soll, zieht die US-Raumfahrtbehörde Nasa einen historischen Vergleich. Am 17. Dezember 1903 hoben die Brüder Wright in North Carolina zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte mit einem motorisierten Flugzeug ab. Zwölf Sekunden war die Maschine in der Luft – 36 Meter, die in die Geschichte eingingen. Nun steht der Erstflug auf dem Mars bevor.
Die Nasa plant, den Mini-Hubschrauber „Ingenuity“(„Einfallsreichtum“) etwa 30 Sekunden in der dünnen Atmosphäre des Roten Planeten schweben zu lassen. Ab frühestens 11. April soll der Heli zum ersten dieser Flüge auf einem anderen Planeten starten.
Zum Hintergrund: „Ingenuity“war Ende Februar im Bauch des Rovers „Perseverance“nach 203 Flugtagen in dem ausgetrockneten See „Jezero Crater“auf dem Mars aufgesetzt. Diesen See soll „Perseverance“in den kommenden zwei Jahren untersuchen. Entwicklung und Bau hatten rund 2,5 Milliarden Dollar (etwa 2,2 Milliarden Euro) gekostet und acht Jahre gedauert. Das Fahrzeug soll auf dem Mars nach Spuren früheren mikrobiellen Lebens fahnden sowie das Klima und die Geologie des Planeten erforschen. Dem ersten Flug für den 1,8 Kilogramm leichten Mini-Hubschrauber an Bord gehen ebenfalls Jahre akribischer Arbeit voraus. Der Erfolg der Mission lässt dabei kaum Platz für Fehler. Es gibt einige Herausforderungen, die „Ingenuity“meistern muss.
Bislang wurde „Ingenuity“durch den Rover „Perseverance“auf dem Mars geschützt. Eingebaute Heizungen verhindern bei Nächten mit Minus 90 Grad, dass Elektronik an Bord zerstört wird. „Während es eine große Herausforderung sein wird, auf der Marsoberfläche ausgesetzt zu werden, wird es eine noch größere Herausforderung sein, die erste Nacht auf dem Mars allein zu überleben, ohne dass der Rover ihn schützt und mit Strom versorgt“, sagte Chefingenieur Bob Balaram. Diese Hürde hat die kleine Maschine bereits gemeistert, doch es warten noch weitere bitterkalte Nächte.
Weil der nächste Mensch, der „Ingenuity“in der Mitte seines 100 Quadratmeter großen Startplatzes aufstellen könnte, mehr als
250 Millionen Kilometer weg ist, muss der Hubschrauber sich aufwendig selbst in Stellung bringen. Nachdem er vom Rover abgesetzt wurde, beginnt ein Prozess über mehrere Tage, bei dem „Ingenuity“vom Fahrzeug abgedockt und mit dessen Greifarm auf seine vier Beide gestellt wird.
Wenn die Wetterbedingungen gut sind, wird das Nasa-Team danach die Erlaubnis zum Start geben. Die Rotoren beschleunigen dann auf
2537 Umdrehungen die Minute und „Ingenuity“hebt zu seinem historischen Jungfernflug ab: Er steigt drei Meter in die Höhe, bleibt für
30 Sekunden in der Luft und landet wieder. Die Rotorblätter müssen bei Mars-Flügen um ein Vielfaches schneller kreisen als auf der Erde. Denn obwohl die Anziehungskraft dort nur etwa ein Drittel so stark ist wie die der Erde, beträgt die Dichte der Atmosphäre auf der Oberfläche im Vergleich nur ein Prozent.