Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Auch FDP ist gegen die Ausgangssperre
Fraktionschef Sven Chudzinski nennt Maßnahme „unverhältnismäßig und weitgehend wirkungslos“. OB Mast-Weisz ist verärgert über den Partner im Ampelbündnis und verweist auf Handlungsdruck durch steigende Infektionszahlen.
Fraktionschef Sven Chudzinski nennt Maßnahme „unverhältnismäßig und weitgehend wirkungslos“. OB Mast-Weisz ist verärgert.
Dass aus den Reihen der CDU regelmäßig Kritik an der Arbeit der Stadtspitze kommt, ist er gewohnt. Die Kritik der mit SPD und Grünen im Rat als Mehrheit kooperierenden FDP-Ratsfraktion an der seit gestern geltenden Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr aber hat Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz (SPD) kalt erwischt. „Mir sind sämtliche Gesichtszüge
„Wir laufen gerade mit wehenden Fahnen
auf die 300 zu. Wir sind Tabellenführer
in NRW.“
Burkhard Mast-Weisz Oberbürgermeister (SPD)
entgleist“, beschreibt der OB seine Reaktion auf eine Pressemitteilung, die die FDP am Montagabend nach ihrer Fraktionssitzung versandte.
Fraktionschef Sven Chudzinski spricht darin von einem „unverhältnismäßigen Eingriff“in die Grundrechte. Die bestehenden Regeln „seien ausreichend, wenn sie konsequent umgesetzt“und vor allem deren Einhaltung auch kontrolliert würde. Aussagen aus dem Rathaus, wonach der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) die nächtliche Ausgangssperre nicht kontrollieren könne, nähren Zweifel an der von Krisenstab und Verwaltungsspitze erlassenen Verordnung.
„Ich glaube, dass man mit einer vernünftigen Teststrategie das Thema besser in den Griff bekommt“, sagte Chudzinski im Gespräch mit unserer Redaktion. Würde man etwa die Teilnahme am Fastenbrechen im gestern begonnenen Ramadan an die Durchführung eines Corona-Tests koppeln, „bekommen wir so die Menschen raus, die asymptomatisch sind und nicht wissen, dass sie sich angesteckt haben“.
Nicht vermittelbar ist für die FDP die mit einer Ausgangssperre einhergehende Bevormundung jener Menschen, die bereits gegen das Virus geimpft sind. Sie würden sich fragen, warum sie jetzt in den eigenen vier Wänden bleiben müssen. „Wie soll das denn gehen?“, sagt der Oberbürgermeister, als er im
BM-Gespräch auf die gewünschte Ausdifferenzierung angesprochen wird. Auch Geimpfte könnten das Virus noch übertragen.
Zentrales Ziel der Stadt sei es, Kontakte zu vermeiden. „Darum sollen die Leute zu Hause bleiben.“Spaziergänge an der frischen Luft würden damit nicht unmöglich gemacht. „Die sind auch vor 21 Uhr möglich.“Auch seien nicht alle Parks geschlossen, sondern nur jene drei, die sich als Hotspots erwiesen haben, in denen es regelmäßig zu größeren Treffen komme. Der OB stellt klar: „Der KOD wird die Ausgangssperre bis spät in die Nacht kontrollieren.“
Er befürchte, „dass die Zahlen weiter steigen“, erklärt Mast-Weisz den Handlungsdruck: „Wir laufen gerade mit wehenden Fahnen auf die 300 zu.“Ein Ergebnis, so vermutet er, auch der von der Stadt unterstützten Ausweitung der Testmöglichkeiten im Stadtgebiet, wie sie auch die FDP wünscht.
Nicht nur am Inhalt der Kritik stört sich der OB, sondern auch am Vorgehen der FDP. Als er Chudzinski
am Sonntag informiert habe, habe dieser keine Einwände gegen die Pläne formuliert. Das habe er als Zustimmung gewertet. „Ich wollte die Fraktionsvorsitzenden mit in die Verantwortung nehmen.“Dass Chudzinski, wie sich nun herausstelle, nicht bereit sei, diese Verantwortung zu übernehmen, müsse er akzeptieren
Chudzinski stellt den Vorgang anders dar. Er habe die Information des OB am Sonntag nur „zur Kenntnis genommen“. Vor einer Positionierung sei die Abstimmung mit seiner Fraktion am Montagabend zwingend gewesen. „Ich bin ja kein Einzelkämpfer.“Er wünscht sich, „dass wir Dinge mit einer solchen Tragweite vorher politisch diskutieren“.
„Die Pandemie ist eine Zeit der Exekutive“, hält der OB dagegen.
Krisenstab und Verwaltungsspitze müssten zum Teil schnell entscheiden. „Es geht um Gefahrenabwehr.“Sein Eindruck: Das Rumgeeiere der Politik in Berlin mache die Leute strubbelig. Vor Ort müsse man diesen Eindruck nicht verstärken.