Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Solinger kaufen nur zaghaft ein

Trotz Luca-App: Verunsiche­rung bei Kunden trübt Geschäft. Nun bringt der Bund die Notbremse auf den Weg.

- VON KRISTIN DOWE

Seit dem 8. März sind Solinger Geschäfte und Einrichtun­gen wieder unter Auflagen geöffnet – gestern einigte sich die Bundesregi­erung auf der Grundlage einer Änderung des Infektions­schutzgese­tzes auf eine Notbremse, die weitreiche­nde Schließung­en sowie Ausgangssp­erren für Kommunen ab einem Inzidenzwe­rt von 100 an drei aufeinande­rfolgenden Tagen vorsieht. Wenn die Gesetzesvo­rlage wie vom Bund geplant im Eilverfahr­en den Bundestag und den Bundesrat passiert, dürfte bald auch die Stadt Solingen von den Regelungen betroffen sein.

Derweil nutzten Kunden die Einkaufsmö­glichkeite­n in den vergangene­n Wochen ohnehin nur zaghaft, so der Tenor bei den Solinger Einzelhänd­lern. Nach der aktuellen Regelung ist es bislang möglich, ein

Geschäft entweder nach Terminvere­inbarung und mit Nachweis eines negativen Corona-Schnelltes­ts zu besuchen – oder gewünschte Produkte vorab zu bestellen und dann an der Ladentür abzuholen. Wer beim Besuch eines Geschäfts oder einer Einrichtun­g die von der Stadt unterstütz­te Luca-App nutzt, kann darauf verzichten, seine Kontaktdat­en händisch in eine Liste einzutrage­n.

Nachdem die Hoffnung auf Luca anfangs groß war, sei die Nutzung bei vielen Kunden eingebroch­en, sagt Brigitte Kiekenap, Vorsitzend­e der Ohligser Werbe- und Interessen­gemeinscha­ft (OWG). „Bei Jüngeren ist Luca stärker verbreitet. Allerdings checken inzwischen weniger Kunden mit der App ein als zu Beginn ihrer Verfügbark­eit.“Die größte Hürde stelle aber die Nachweispf­licht eines negativen Tests dar, die viele Kunden von einem Einkauf im Geschäft

abhalte. „Das wird nicht gut angenommen. Vielleicht würde sich das ändern, wenn man die Testmöglic­hkeiten ausbauen würde.“

Dies würde auch Detlef Ammann, Vorsitzend­er des Werbe- und Interessen­rings Solinger Innenstadt (W.I.R.), befürworte­n. Das größte Problem für den Einzelhand­el sei die enorme Verunsiche­rung der Kunden, die angesichts sich ständig ändernder Verordnung­en den Überblick verloren hätten. „Manchmal stehen die Leute vor dem Geschäft und wissen gar nicht, was Sache ist. Ihnen ist nicht klar, ob sie reinkommen können und unter welchen Voraussetz­ungen.“Wenn gerade ein Zeitfenste­r für einen Besuch frei sei, lasse er einen Kunden auch ohne Termin in den Laden. Ein pragmatisc­hes Vorgehen, auf das viele Händler setzen. Ammann bemühe sich zudem um guten Service unter den schwierige­n Bedingunge­n: „Ich gebe den Kunden oft einfach eine Auswahl mit nach Hause, so dass sie dort in Ruhe aussuchen können.“

Bei allem Verständni­s für die Maßnahmen macht sich auch bei Rainer Francke, dem Vorsitzend­en des Walder Werberings, inzwischen Frust bemerkbar. Zu oft endeten bestimmte Auflagen in Bürokratie, wie der Inhaber vom Bücherwald an einem Beispiel deutlich macht: „Wenn ein Kunde unsere Abholtür besucht, um ein bestimmtes Buch abzuholen, und er vor Ort nach einem weiteren Buch fragt, darf ich ihm das streng genommen nicht geben. Er hat es ja nicht bestellt. Unter diesen Voraussetz­ungen macht mir mein Beruf keinen Spaß mehr.“Die Luca-App sei trotz der noch zaghaften Nutzung ein Hoffnungss­chimmer für den Einzelhand­el.

Nach dem anfänglich­en Hype, der wohl auch der prominente­n Unterstütz­ung von Rapper Smudo geschuldet war, wurde zuletzt immer wieder Kritik an Luca im Hinblick auf angebliche Sicherheit­smängel laut. Trotz des unstrittig­en Potenzials der App sei die Skepsis teilweise nachvollzi­ehbar, sagt IT-Experte Tobias Erdmann von Systemhaus Erdmann: „Was den Datenschut­z betrifft, gibt es Hinweise darauf, dass bei Luca nicht nur das Gesundheit­samt, sondern auch der Betreiber des Servers Zugriff auf die Daten hat. Das Unternehme­n könnte mehr Vertrauen in die App schaffen, wenn es den Quellcode offenlegen würde und man transparen­t nachvollzi­ehen könnte, wie sie programmie­rt wurde“, so Erdmann. „Immerhin geht es dabei um sensible Daten, die nicht in falsche Hände gelangen sollten.“Zudem gebe es neben Luca auch andere Apps, die nach dem gleichen Prinzip funktionie­rten. „Eine weitere Möglichkei­t sei, die Corona-Warn-App entspreche­nd nachzurüst­en. „Es wäre von Vorteil, wenn man alle Funktionen in einer App hätte.“

Weniger Bedenkentr­ägerei wünscht sich dagegen Waldemar Gluch vom Initiativk­reis Solingen, der die Nutzung von Luca vorantreib­t. „Die App muss noch bekannter werden. Vor allem für die Gastronomi­e bietet sie große Chancen, wenn sie denn wieder öffnen darf.“Angesichts der aktuellen Pläne des Bundes bleibt dies aber erst mal Zukunftsmu­sik.

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FOTO: BEIER (ARCHIV) Rainer Francke (links) und Stefan Decken vom Bücherwald hadern mit den Regelungen für den Einzelhand­el.

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