Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Solinger kaufen nur zaghaft ein
Trotz Luca-App: Verunsicherung bei Kunden trübt Geschäft. Nun bringt der Bund die Notbremse auf den Weg.
Seit dem 8. März sind Solinger Geschäfte und Einrichtungen wieder unter Auflagen geöffnet – gestern einigte sich die Bundesregierung auf der Grundlage einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes auf eine Notbremse, die weitreichende Schließungen sowie Ausgangssperren für Kommunen ab einem Inzidenzwert von 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen vorsieht. Wenn die Gesetzesvorlage wie vom Bund geplant im Eilverfahren den Bundestag und den Bundesrat passiert, dürfte bald auch die Stadt Solingen von den Regelungen betroffen sein.
Derweil nutzten Kunden die Einkaufsmöglichkeiten in den vergangenen Wochen ohnehin nur zaghaft, so der Tenor bei den Solinger Einzelhändlern. Nach der aktuellen Regelung ist es bislang möglich, ein
Geschäft entweder nach Terminvereinbarung und mit Nachweis eines negativen Corona-Schnelltests zu besuchen – oder gewünschte Produkte vorab zu bestellen und dann an der Ladentür abzuholen. Wer beim Besuch eines Geschäfts oder einer Einrichtung die von der Stadt unterstützte Luca-App nutzt, kann darauf verzichten, seine Kontaktdaten händisch in eine Liste einzutragen.
Nachdem die Hoffnung auf Luca anfangs groß war, sei die Nutzung bei vielen Kunden eingebrochen, sagt Brigitte Kiekenap, Vorsitzende der Ohligser Werbe- und Interessengemeinschaft (OWG). „Bei Jüngeren ist Luca stärker verbreitet. Allerdings checken inzwischen weniger Kunden mit der App ein als zu Beginn ihrer Verfügbarkeit.“Die größte Hürde stelle aber die Nachweispflicht eines negativen Tests dar, die viele Kunden von einem Einkauf im Geschäft
abhalte. „Das wird nicht gut angenommen. Vielleicht würde sich das ändern, wenn man die Testmöglichkeiten ausbauen würde.“
Dies würde auch Detlef Ammann, Vorsitzender des Werbe- und Interessenrings Solinger Innenstadt (W.I.R.), befürworten. Das größte Problem für den Einzelhandel sei die enorme Verunsicherung der Kunden, die angesichts sich ständig ändernder Verordnungen den Überblick verloren hätten. „Manchmal stehen die Leute vor dem Geschäft und wissen gar nicht, was Sache ist. Ihnen ist nicht klar, ob sie reinkommen können und unter welchen Voraussetzungen.“Wenn gerade ein Zeitfenster für einen Besuch frei sei, lasse er einen Kunden auch ohne Termin in den Laden. Ein pragmatisches Vorgehen, auf das viele Händler setzen. Ammann bemühe sich zudem um guten Service unter den schwierigen Bedingungen: „Ich gebe den Kunden oft einfach eine Auswahl mit nach Hause, so dass sie dort in Ruhe aussuchen können.“
Bei allem Verständnis für die Maßnahmen macht sich auch bei Rainer Francke, dem Vorsitzenden des Walder Werberings, inzwischen Frust bemerkbar. Zu oft endeten bestimmte Auflagen in Bürokratie, wie der Inhaber vom Bücherwald an einem Beispiel deutlich macht: „Wenn ein Kunde unsere Abholtür besucht, um ein bestimmtes Buch abzuholen, und er vor Ort nach einem weiteren Buch fragt, darf ich ihm das streng genommen nicht geben. Er hat es ja nicht bestellt. Unter diesen Voraussetzungen macht mir mein Beruf keinen Spaß mehr.“Die Luca-App sei trotz der noch zaghaften Nutzung ein Hoffnungsschimmer für den Einzelhandel.
Nach dem anfänglichen Hype, der wohl auch der prominenten Unterstützung von Rapper Smudo geschuldet war, wurde zuletzt immer wieder Kritik an Luca im Hinblick auf angebliche Sicherheitsmängel laut. Trotz des unstrittigen Potenzials der App sei die Skepsis teilweise nachvollziehbar, sagt IT-Experte Tobias Erdmann von Systemhaus Erdmann: „Was den Datenschutz betrifft, gibt es Hinweise darauf, dass bei Luca nicht nur das Gesundheitsamt, sondern auch der Betreiber des Servers Zugriff auf die Daten hat. Das Unternehmen könnte mehr Vertrauen in die App schaffen, wenn es den Quellcode offenlegen würde und man transparent nachvollziehen könnte, wie sie programmiert wurde“, so Erdmann. „Immerhin geht es dabei um sensible Daten, die nicht in falsche Hände gelangen sollten.“Zudem gebe es neben Luca auch andere Apps, die nach dem gleichen Prinzip funktionierten. „Eine weitere Möglichkeit sei, die Corona-Warn-App entsprechend nachzurüsten. „Es wäre von Vorteil, wenn man alle Funktionen in einer App hätte.“
Weniger Bedenkenträgerei wünscht sich dagegen Waldemar Gluch vom Initiativkreis Solingen, der die Nutzung von Luca vorantreibt. „Die App muss noch bekannter werden. Vor allem für die Gastronomie bietet sie große Chancen, wenn sie denn wieder öffnen darf.“Angesichts der aktuellen Pläne des Bundes bleibt dies aber erst mal Zukunftsmusik.