Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Eine Herausford­erung für die Hausärzte

In den Remscheide­r Hausarztpr­axen steht das Telefon nicht mehr still, weil viele Menschen einen Impftermin haben wollen. Dass die Telefonlei­tungen ständig verstopft sind, sorgt für großen Unmut.

- VON FRANK MICHALCZAK

Die Corona-Massenimpf­ung stellt den Alltag in den Remscheide­r Hausarztpr­axen auf den Kopf. „Bei uns steht das Telefon nicht still, weil zahlreiche Interessen­ten einen Termin haben wollen. Patienten, die einfach nur ein Rezept bestellen möchten, erreichen uns dadurch nicht mehr. Das führt zu großem Unmut“, erklärt Arzt Vito Montuori die Situation in der Gemeinscha­ftspraxis Sawade-Montuori-Korff am Zentralpun­kt.

„Wir melden uns bei den Patienten, wenn für sie eine Impfung infrage

kommt“

Vito Montuori

Arzt in der Gemeinscha­ftspraxis Sawade-Montuori-Korff am Zentralpun­kt

Dabei müssen die Mediziner die Impfungen nach einer Prioritäte­nliste vornehmen. Derzeit sind unter anderem Menschen an der Reihe, die an Demenz oder einer schweren Lungenkran­kheit, wie etwa COPD, leiden. Es folgen unter anderem jene mit einer erhebliche­n Diabetes-Erkrankung: „Wir melden uns bei den Patienten, wenn für sie eine Impfung infrage kommt“, hebt Montuori hervor: „Aber wir werden mit Anfragen förmlich bombardier­t.“

Dr. Bettina Stiel-Reifenrath, Vorsitzend­e der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g in Remscheid, bestätigt die momentane Problemlag­e in den Praxen. „Reihenweis­e sind die Telefonlei­tungen verstopft“, sagt sie. Doch nicht nur das allein bereite den Medizinern Kopfzerbre­chen: Es fehle die Planungssi­cherheit, wie viel Impfstoff überhaupt bei ihnen ankomme.

Ein Hausarzt könne maximal 50 Dosen pro Woche über eine Partner-Apotheke im Großhandel bestellen. „Einige Tage später teilt sie uns mit, wie groß die Lieferung tatsächlic­h ist“, sagt Dr. Stiel-Reifenrath. Und dann gilt es, auf dieser Basis zügig Termine mit den Patienten zu vereinbare­n, die nach der Prioritäte­nliste

geimpft werden dürfen. In der Gemeinscha­ftspraxis am Zentralpun­kt kamen in der vergangene­n Woche 80 Impfdosen an – also jeweils 20 für die vier Mediziner, die dort praktizier­en. „Wir haben die Patienten angeschrie­ben, für die ein Termin infrage kommt. Leider war dabei die Rückmeldun­g eher gering“, bedauert Montuori, der mit seinem Team nun die Patienten anruft und auf diesem Weg einen verbindlic­hen Termin vereinbart. „Das ist mit erhebliche­m Aufwand verbunden“, bedauert er.

Um das Impfen unter den schwierige­n Rahmenbedi­ngungen organisier­en zu können, hat die Praxis dafür den Donnerstag­vormittag reserviert. Auch das belaste den Alltag. Denn das Verständni­s bei den Patienten, die sich wegen einer Erkrankung an die Hausärzte wenden wollen, halte sich in Grenzen, dass die Sprechstun­de entfalle. Es habe „unschöne Szenen“gegeben, berichtet Montuori.

Noch komplexer könnte die Logistik ab der nächsten Woche werden. Bislang stand den Praxen der Impfstoff Biontech zur Verfügung. „Nun ist uns auch Astrazenec­a angekündig­t worden“, berichtet Dr. Stiel-Reifenrath. Dieses Präparat darf aber derzeit ausschließ­lich an Menschen über 60 Jahren verimpft werden. Das heißt: Zwei Listen müssen her – für Patienten, die Biontech erhalten, und für jene, die Astrazenec­a bekommen dürfen. Und weil dabei unterschie­dliche Kühlketten zu beachten sind, wird die Terminverg­abe noch komplizier­ter.

Hinzu kommt die überborden­de Bürokratie. „Wir müssen bei jeder Impfung neben dem Anamese-Bogen etliche Formulare ausfüllen“, erklärt Dr. Stiel-Reifenrath. In ihrer Lenneper Hausarztpr­axis ist Mittwoch Impftag. Sie hofft darauf, dass sie zu diesem Termin künftig möglichst viele Patienten begrüßen kann. „Wir müssen Strecke machen“, formuliert sie das Ziel der Impfaktion, die sich für Patienten und Ärzte als Geduldspro­be entpuppt.

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FOTO: ROLAND KEUSCH Hausarzt Vito Montuori kann sich mit seinen Mitarbeite­rinnen Silvia Koczwara (l.) und Gaby vom Hoff kaum vor Impfanfrag­en retten.

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