Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Eine Herausforderung für die Hausärzte
In den Remscheider Hausarztpraxen steht das Telefon nicht mehr still, weil viele Menschen einen Impftermin haben wollen. Dass die Telefonleitungen ständig verstopft sind, sorgt für großen Unmut.
Die Corona-Massenimpfung stellt den Alltag in den Remscheider Hausarztpraxen auf den Kopf. „Bei uns steht das Telefon nicht still, weil zahlreiche Interessenten einen Termin haben wollen. Patienten, die einfach nur ein Rezept bestellen möchten, erreichen uns dadurch nicht mehr. Das führt zu großem Unmut“, erklärt Arzt Vito Montuori die Situation in der Gemeinschaftspraxis Sawade-Montuori-Korff am Zentralpunkt.
„Wir melden uns bei den Patienten, wenn für sie eine Impfung infrage
kommt“
Vito Montuori
Arzt in der Gemeinschaftspraxis Sawade-Montuori-Korff am Zentralpunkt
Dabei müssen die Mediziner die Impfungen nach einer Prioritätenliste vornehmen. Derzeit sind unter anderem Menschen an der Reihe, die an Demenz oder einer schweren Lungenkrankheit, wie etwa COPD, leiden. Es folgen unter anderem jene mit einer erheblichen Diabetes-Erkrankung: „Wir melden uns bei den Patienten, wenn für sie eine Impfung infrage kommt“, hebt Montuori hervor: „Aber wir werden mit Anfragen förmlich bombardiert.“
Dr. Bettina Stiel-Reifenrath, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Remscheid, bestätigt die momentane Problemlage in den Praxen. „Reihenweise sind die Telefonleitungen verstopft“, sagt sie. Doch nicht nur das allein bereite den Medizinern Kopfzerbrechen: Es fehle die Planungssicherheit, wie viel Impfstoff überhaupt bei ihnen ankomme.
Ein Hausarzt könne maximal 50 Dosen pro Woche über eine Partner-Apotheke im Großhandel bestellen. „Einige Tage später teilt sie uns mit, wie groß die Lieferung tatsächlich ist“, sagt Dr. Stiel-Reifenrath. Und dann gilt es, auf dieser Basis zügig Termine mit den Patienten zu vereinbaren, die nach der Prioritätenliste
geimpft werden dürfen. In der Gemeinschaftspraxis am Zentralpunkt kamen in der vergangenen Woche 80 Impfdosen an – also jeweils 20 für die vier Mediziner, die dort praktizieren. „Wir haben die Patienten angeschrieben, für die ein Termin infrage kommt. Leider war dabei die Rückmeldung eher gering“, bedauert Montuori, der mit seinem Team nun die Patienten anruft und auf diesem Weg einen verbindlichen Termin vereinbart. „Das ist mit erheblichem Aufwand verbunden“, bedauert er.
Um das Impfen unter den schwierigen Rahmenbedingungen organisieren zu können, hat die Praxis dafür den Donnerstagvormittag reserviert. Auch das belaste den Alltag. Denn das Verständnis bei den Patienten, die sich wegen einer Erkrankung an die Hausärzte wenden wollen, halte sich in Grenzen, dass die Sprechstunde entfalle. Es habe „unschöne Szenen“gegeben, berichtet Montuori.
Noch komplexer könnte die Logistik ab der nächsten Woche werden. Bislang stand den Praxen der Impfstoff Biontech zur Verfügung. „Nun ist uns auch Astrazeneca angekündigt worden“, berichtet Dr. Stiel-Reifenrath. Dieses Präparat darf aber derzeit ausschließlich an Menschen über 60 Jahren verimpft werden. Das heißt: Zwei Listen müssen her – für Patienten, die Biontech erhalten, und für jene, die Astrazeneca bekommen dürfen. Und weil dabei unterschiedliche Kühlketten zu beachten sind, wird die Terminvergabe noch komplizierter.
Hinzu kommt die überbordende Bürokratie. „Wir müssen bei jeder Impfung neben dem Anamese-Bogen etliche Formulare ausfüllen“, erklärt Dr. Stiel-Reifenrath. In ihrer Lenneper Hausarztpraxis ist Mittwoch Impftag. Sie hofft darauf, dass sie zu diesem Termin künftig möglichst viele Patienten begrüßen kann. „Wir müssen Strecke machen“, formuliert sie das Ziel der Impfaktion, die sich für Patienten und Ärzte als Geduldsprobe entpuppt.