Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Reise zurück in die Wirtschaftswunderjahre
Lothar Vieler hat sein erstes Buch geschrieben. Es handelt von Erinnerungen an die Kindheit und Jugend am Lenneper Kreishaus.
Wenn der bekannte Lenneper Lothar Vieler von früher erzählt, ist man als Zuhörer auf einmal mitten drin im Lennep der 50er- und
60er-Jahre. Lebhaft und persönlich berichtet der heute 72-Jährige von seinen Kindheits- und Jugenderinnerungen, die rund um das Kreishaus spielen. Viel hatte die Familie im Nachkriegsdeutschland nicht. „Aber Langeweile kannten wir nicht“, sagt er lachend. Für seine vier Enkel wollte er seine Geschichte niederschreiben. Entstanden ist die Idee mit Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr.
Herausgekommen ist dabei ein
304 Seiten starkes Buch, das nun im Bergischen Verlag erschienen ist. „Tante Mary und das Wirtschaftswunder – Eine Jugend im Bergischen“lautet der Titel. „Wer mir vor zwei Jahren gesagt hätte, du schreibst ein Buch, dem hätte ich gesagt, ich fahre auch zum Mond“, sagt der Neu-Autor lachend.
Dass ihm das Erzählen liegt, hat er bereits oft als Stadtführer in der Rolle des Lenneper Nachtwächters „Gustav om Hackenberge“bewiesen. Doch die Touren müssen seit
2020 bekanntermaßen ausfallen, und so hat der ehemaligen Vertreter im Ruhestand viel Zeit. „In der Pandemie hat sich gezeigt, dass meine Enkel ganz andere Bedürfnisse haben, als ich mir das vorstellen konnte. Für sie wollte ich aufschreiben, wie sich die Dinge verändert haben und wie ich aufgewachsen bin“, erklärt er die Motivation, „Mitten in Trümmern, aber mit jeder Menge Abenteuer, Freude und Freunden, Freiheit und Vertrauen, das ich doch das ein oder andere Mal auch enttäuscht habe“, räumt er ein.
Innerhalb von 14 Tagen hatte er die ersten 70 Seiten zusammen. Seine Frau und seine Tochter waren die ersten Kritikerinnen und ermutigten ihn, noch mehr aufzuschreiben. „Beim Schreiben stellt man fest, dass da Erinnerungen hochkommen, die ich schon längst abheftet hatte. Das ist so, als würde man in den Keller gehen und einen bestimmten Karton suchen, aber einen anderen finden. Das war sehr erhellend“, beschreibt Vieler seine Schreiberfahrung. Erst in dieser Rückschau habe er verstanden, welche Rolle sein Vater für ihn gespielt habe und wie entscheidend er ihn geprägt habe.
Thematisch wird im Buch viel abgedeckt. Es geht nicht nur um die namensgebende Tante Mary, die jedes Jahr zum Geburtstag oder Weihnachten
aus den USA einen Brief mit zehn US-Dollar schickte. „Ein Dollar war damals etwa 4,20 Mark wert. Mit dem Schein konnte man eine ganze Monatsmiete zahlen“, erinnert Vieler sich zurück. Es geht auch um Dinge wie den ersten Fernsprachapparat. Weil der Vater selbständiger Schneider war, war die Familie einer der ersten mit Telefon – das wurde von der gesamten Nachbarschaft genutzt. Das erste Fernsehgerät bekam die Familie an dem Tag, als Kennedy erschossen wurde. Autos gab es damals nur wenige auf Lenneps Straßen. Jedes knatternde Gefährt, das am Kreishaus vorbeikam, wurde bejubelt, erzählt Vieler.
Dadurch nimmt er den Leser nicht nur mit in seine persönlichen Erinnerungen, sondern allgemein zurück in die Vergangenheit. Dadurch,
so hofft Vieler, entstehen bei den Lesern möglichst viele „Weißt du noch?“-Momente.
Zudem hat er am Ende der Kapitel noch einen historischen Exkurs zu Lennep eingefügt. „Wissenswertes über die Heimat“, ergänzt Vieler. So erfährt man zum Beispiel, warum Hackenberg früher zu Wermelskirchen gehörte, dass man eine der Badewannen der Badeanstalt mieten konnte oder warum es eine Julius-Cäsar-Straße am Hasenberg gibt.
Lothar Vieler hofft, dass bald auch Lesungen möglich sein werden. „Ich freue mich darauf, zu sehen, wie das Buch bei den Zuhörern wirkt, welche Erinnerungen bei ihnen auftauchen und mich mit ihnen auszutauschen.“