Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die Polizei warnt in diesem Monat vor Wildunfällen. Besonders ein Tier stellt ein hohes Risiko dar.
Im April passieren die meisten Unfälle mit querendem Wild. Zwischen 6 und 9 Uhr morgens müssen Autofahrer besonders aufpassen. Am häufigsten gibt es Kollisionen mit Rehen.
Es ist 6.10 Uhr am vergangenen Montagmorgen, als auf der Bundesstraße 59 im Rhein-ErftKreis ein Reh mit dem Auto eines
48-Jährigen zusammenstößt. Das Tier wird auf die Gegenfahrbahn geschleudert. Dort kann ein 23-jähriger Fahrer aus Köln mit seinem Auto zwar noch ausweichen; dabei kommt er aber nach rechts von der Fahrbahn ab und überschlägt sich. Während der ältere der beiden Männer unverletzt bleibt, wird der jüngere in ein Krankenhaus gebracht.
Zu solchen Wildunfällen kommt es aktuell in NRW sehr häufig – vor allem in ländlicheren Regionen. Nach Angaben der Polizei gibt es zum Beispiel derzeit im Kreis Coesfeld fast täglich Zusammenstöße mit
Wild. „Letzte Woche waren es 36 Unfälle, vor allem mit Rehen“, so die Polizei.
In keinem anderen Monat häufen sich die Wildunfälle so wie im April, wie eine aktuelle Auswertung des Deutschen Jagdverbandes ergeben hat. Demnach sind vor allem die frühen Morgenstunden für Wildtiere und Autofahrer besonders gefährlich. Zwischen 6 und 9 Uhr passieren demnach doppelt so viele Wildunfälle wie zur gleichen Zeit im März. „Für viele Wildtiere, also hauptsächlich die Pflanzenfresser, allen voran das Reh, endet jetzt die Fastenzeit. Es gibt endlich wieder frisches Grün zu fressen. Deswegen sind sie viel unterwegs“, sagt Biologe Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband.
Rehe kommen auch am häufigsten unter die Räder; sie machen laut Jagdverband 49 Prozent aller insgesamt gemeldeten Wildunfälle aus. Im April sind es verstärkt Rehböcke. Zu diesem Ergebnis ist der Deutsche Jagdverband (DJV) nach wissenschaftlicher Auswertung von insgesamt mehr als 30.000 Datensätzen aus dem Tierfund-Kataster (tierfund-kataster.de) gekommen. Die Daten hatten Verkehrsteilnehmer zwischen April 2018 und Februar
2021 eingegeben. Die Auswertung zeigt auch, dass kleinere Säugetiere deutlich öfter Opfer von Wildunfällen sind als bisher angenommen. Rund drei Dutzend Kleinsäuger-Arten wie Marder, Ratte, Igel und Eichhörnchen machen demnach insgesamt zwölf Prozent der gemeldeten Wildunfälle aus. Hase und Kaninchen kommen zusammen auf weitere zehn Prozent, Füchse auf sieben Prozent. Erst dann folgt mit dem Wildschwein (fünf Prozent) ein zweites großes Wildtier. Die Gruppe der Vögel ist an vier Prozent der Kollisionen beteiligt.
Die Folgen eines Zusammenstoßes zwischen Auto und Wild werden laut Polizei oft unterschätzt. Polizei, Kreisjägerschaft und Landesjagdverband
appellieren an alle Autofahrer, in den mit Warnschildern gekennzeichneten Gefahrenzonen besonders vorsichtig zu fahren. Auf diesen Abschnitten sollte man den Fuß vom Gas nehmen und die Fahrbahnränder beobachten. „Bereits eine Geschwindigkeitsreduktion von 100 auf 80 km/h verkürzt den Bremsweg um etwa 24 Meter und kann so dazu beitragen, einen Aufprall zu vermeiden“, sagt ein Sprecher des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC).
Ein ADAC-Crashtest hat gezeigt, dass Autoinsassen einen Wildunfall auch bei erhöhter Geschwindigkeit unverletzt überleben können. Die Kollision zwischen dem Fahrzeug und dem 180 Kilogramm schweren
Keiler-Dummy fand bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h statt. Trotz des heftigen Aufpralls blieb der Fahrzeuginsasse, in diesem Fall ein Stuntman, unverletzt.
Einen absolut sicheren Schutz zur Vermeidung von Wildunfällen gibt es offenbar nicht. Nach Meinung des ADAC sollte die Erkennung von Wildtieren bei der Entwicklung von Notbremsassistenten mit betrachtet und integriert werden. Mit vorhandener Technik werde ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit geleistet. Notbremsassistenten sind bislang aber für die Erkennung von Fahrzeugen, Fußgängern und Radfahrern optimiert. Doch die häufig verbauten Radarsensoren könnten bei Dunkelheit oder Nebel ihre besonderen Stärken auch bei der Erkennung von Tieren ausspielen.
Wer aber in ländlichen Regionen mit dem Auto oder Motorrad an Wäldern entlangfährt, sollte nach Meinung von Jagdverbänden immer mit Wildtieren rechnen. Die Tiere würden häufig in Waldabschnitten und an Feldrändern die Straßen überqueren, vor allem morgens und abends während der Dämmerung. Grundsätzlich sollte man zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Wild auf der Fahrbahn rechnen, heißt es.