Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Jetzt ist noch nicht die Zeit für Sonderrech­te

- VON MARTIN KESSLER BERICHT AUSGANGSSP­ERREN ERST AB 22 UHR, POLITIK

Es ist schon reichlich unverfrore­n, wenn examiniert­e Mediziner und Lehrer eine illegale Party feiern, während andere brav die Corona-Regeln beachten. So geschehen in einem Schreberga­rten in Köln-Porz. Der Gipfel aber ist, dass die Party-Gäste offenbar keine Einsicht zeigten: Sie seien geimpft und deshalb gehe ihre ausgelasse­ne Feier völlig in Ordnung. Um es klar zu sagen: Jetzt ist weder für Geimpfte noch für Menschen ohne Impfschutz die Zeit für Partys. Das aktuelle Infektions­geschehen lässt keine andere Wahl zu. Und solange nicht abschließe­nd geklärt ist, inwieweit auch Geimpfte das Virus verbreiten, muss das so bleiben.

Erst wenn eine solche Ansteckung­sgefahr nicht mehr besteht, tritt eine neue Situation ein. Dann sollten Geimpften die Grundrecht­e nicht weiter vorenthalt­en werden. Denn selbst wenn diese Personen das Privileg hatten, vor anderen den Impfstoff zu bekommen, gibt es keinen Grund mehr, ihnen die Reisefreih­eit, die Möglichkei­t zum Einkaufen oder zu gegenseiti­gen Treffen zu verwehren. Schließlic­h würde niemand schlechter gestellt, nur die Geimpften besser. Freizügigk­eit, Entfaltung der Persönlich­keit, Unverletzl­ichkeit der Wohnung sind auch keine Privilegie­n, sondern die unveräußer­lichen Rechte jedes Einzelnen. Sie dürfen nur in großen Notlagen wie einer Corona-Pandemie eingeschrä­nkt werden.

Vielleicht ist es klug, sich trotzdem zurückzune­hmen, wenn man wieder über die vollen Grundrecht­e verfügt. Die Geimpften sollten sich nicht ins volle Party-Leben stürzen. Das kann auf andere Menschen schon provoziere­nd wirken, die durch die Akzeptanz der Ethikregel­n der Ständigen Impfkommis­sion bestimmten Altersgrup­pen den Vorrang eingeräumt haben. Wenn beide Gruppen das beachten, ist es um eine solidarisc­he Gesellscha­ft umso besser bestellt.

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