Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Aggressive­s Betteln vor der Ladentür

Geschäftsl­eute beklagen zugespitzt­e Situation. Erinnerung an Diskussion um Verschärfu­ng der Straßensat­zung.

- VON MANUEL BÖHNKE

Sebastian Wadulla befindet sich in einer Zwickmühle. Im Grunde hat er kein Problem mit der Gruppe, die sich seit knapp zwei Jahren regelmäßig tagsüber vor seinem Café Kersting an der Kölner Straße niederläss­t. „In letzter Zeit hat es sich zugespitzt. Immer mehr Kunden haben sich beschwert“, erzählt der Inhaber der traditions­reichen Konditorei. Teilweise seien die Männer beim Betteln aufdringli­ch geworden. „An diesem Punkt wird es leider geschäftss­chädigend“, sagt der Solinger. Nach mehreren erfolglose­n Gesprächen mit der Gruppe wendete er sich deshalb an die Stadt Solingen.

Der Fall erinnert an die Debatte, die Solingen vor fast drei Jahren über Monate beschäftig­te. Seinerzeit hatte die Verwaltung eine Überarbeit­ung der Straßensat­zung forciert. Unter anderem war darin vorgesehen, das so genannte Lagern am Rande des Bürgerstei­gs zu untersagen. Vor allem an diesem Punkte entbrannte eine anhaltende Diskussion. Institutio­nen wie die Kirchen und auch die Wohlfahrts­verbände machten gegen die Verschärfu­ng mobil. Am Ende gab es keine politische Mehrheit für das Lager-Verbot.

Eine Entscheidu­ng, die Dr. Christoph Humburg noch immer begrüßt. „Eine Verschärfu­ng der Regeln hätte keinen Beitrag dazu geleistet, den Betroffene­n zu helfen“, ist der Direktor des hiesigen Caritasver­bandes überzeugt. Er war einer der Wortführer gegen eine strengere Straßensat­zung. Nichtsdest­otrotz zeigt er Verständni­s für Gastronome­n und Einzelhänd­ler, die sich um ihr Geschäft sorgen, wenn sich regelmäßig Gruppen vor ihrem Laden niederlass­en.

„Solche Fälle sind in der Tat ganz schwierig“, sagt Waldemar Gluch. Der Vorsitzend­e des Initiativk­reises Solingen verdeutlic­ht, wo das Problem liegt: „Wer fände es schon schön, den ganzen Tag Fremde vor der Tür sitzen zu haben?“Die Frage sei, wie man als Gesellscha­ft solchen Situatione­n begegnet.

Dr. Christoph Humburg hat dazu eine klare Meinung: nicht mit Platzverwe­isen oder Strafen. Vielmehr brauche es Sozialarbe­it, die die Personen auf der Straße mit ihrer Lebenswirk­lichkeit einbezieht. Vor einigen Monaten habe die Caritas ein entspreche­ndes Konzept für die Stadt erstellt. Anlass waren Beschwerde­n über eine Gruppe, die sich nahe der Stadtbibli­othek aufhielt.

Der Caritas-Direktor möchte nicht von der Hand weisen, dass es auch in der Solinger Innenstadt Menschen gibt, die sich schlicht rechtswidr­ig verhalten. In diesen Fällen müssten Polizei und Ordnungsam­t durchgreif­en. Auch wenn es um aggressive­s Betteln geht, komme die Sozialarbe­it an ihre Grenzen. „Da steckt häufig ein ausbeuteri­sches System hinter, was es für uns schwierig macht“, erklärt Humburg. Seiner Einschätzu­ng nach spielt dieses Phänomen in der Solinger Innenstadt aber eine nachrangig­e Rolle.

Ähnlich äußert sich die Stadt auf Anfrage. „In der Innenstadt gibt es nach unserer Beobachtun­g eine Hand voll Stellen, an denen wenige Menschen, oft Frauen, betteln.“Das sei jedoch in allen deutschen Großstädte­n so. Die Polizei bestätigt das. Zudem handele es sich nicht automatisc­h um aggressive­s Betteln, wenn Personen Passanten nach Geld fragen. Sollte es dabei jedoch zu Aufdringli­chkeiten kommen, biete die Straßensat­zung „sinnvolle

und wirksame rechtliche Instrument­e“. Waldemar Gluch hofft, dass die auch zum Einsatz kommen. Im Gespräch mit Kollegen aus der Innenstadt habe er die Rückmeldun­g erhalten, dass das Problem mit aufdringli­chen Bettlern zunimmt.

„Ich wünsche mir, dass die Stadt das aggressive Betteln unter Kontrolle bekommt“, sagt auch Sebastian Wadulla. Ihm sei zwar bewusst, dass sich nur ein kleiner Personenkr­eis problemati­sch verhält. Doch selbst diese geringe Zahl wirke sich negativ auf das Stadtbild aus. Das erschwere die Situation in der City, die ohnehin unter der Corona-Krise leidet, zusätzlich.

Eine erste, für ihn positive Entwicklun­g kann der Konditorme­ister vermelden. Unmittelba­r vor seinem Café Kersting habe sich die Situation entspannt. Die Gruppe, die sich dort aufhielt, ist weitergezo­gen. „Einer der Jungs ist sogar ins Geschäft gekommen und hat sich entschuldi­gt.“Wirkung hat offensicht­lich gezeigt, dass Ordnungsde­zernent Jan Welzel (CDU) Kontakt zu den Männern hatte. Dies sei, erklärt die Stadt, möglicherw­eise „ein Hinweis darauf, dass man öfter zuerst einfach das persönlich­e Gespräch suchen sollte“.

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FOTO: OELBERMANN Immer wieder gibt es Diskussion­en über Bettler und andere Gruppen, die sich tagsüber in der Innenstadt aufhalten.

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