Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die digitale Uni macht einsam
Hochschullehre braucht Begeisterung – auf Distanz geht das aber nicht.
Vor einem Jahr sattelten die deutschen Hochschulen im Zuge der Kontaktbeschränkungen auf die digitale Lehre um. Vorlesungen und Seminare erfolgen seither über Videokonferenzraumsysteme. Hochschullehrende halten ihre Lehrveranstaltungen in Echtzeitübertragung ab oder stellen aufgezeichnete Vorlesungen auf Lernplattformen zur Verfügung. Übungen und Experimente werden gefilmt und als Medien des Distanzpraktikums verwendet. Klausuren erfolgen in eigens dafür entwickelten elektronischen Testsystemen, und selbst mündliche Prüfungen werden per Videokonferenz durchgeführt. Das Umsatteln auf die digitale Hochschullehre erfolgte überraschend effizient und war den Umständen entsprechend erfolgreich.
Im letzten Sommer erzählte mir ein Kollege von einer Idee für ein Lehrmedienkonzept, bei dem digitalisierte Vorlesungen von Verlagen per Lizenz an Universitäten verkauft würden. Ganze Vorlesungsreihen könnten so im Stil von „Leschs Kosmos“-Sendungen didaktisch perfektioniert und unterhaltsam gestaltet werden. Hintergrund ist hier, dass die grundständige Lehre an den deutschen Hochschulen aufgrund vergleichbarer Inhalte einander ähnelt. Für Hochschullehrende würde ein solches Outsourcen von grundständiger Lehre an Verlage im besten Fall bedeuten, dass sie mehr Zeit für ihre Forschung haben. Im schlechtesten Fall würde es die Lehrenden verzichtbar machen.
Ein Jahr später wird deutlich, welche Nachteile die digitale Lehre an den
Universitäten mit sich bringt. Das erfolgreiche Vermitteln von Wissen benötigt Begeisterung – und die kann nur über den persönlichen Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden geteilt werden. Die digitale Lehre hat die vor den Bildschirmen sitzenden Studierenden einsam gemacht und die auf anonyme Videokacheln starrenden Lehrenden ausgebrannt. Während digitale Medien die Hochschullehre sicherlich sinnvoll unterstützen können, werden sie diese nie ersetzen können, denn Studierende und Lehrende bilden eine nicht trennbare akademische Einheit.