Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Hartnäckig ins Ziel gestolpert

Armin Laschet hat sich gegen den Franken Markus Söder durchgeset­zt. Das Porträt eines Mannes, der sich mitunter zu viel Zeit lässt.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Der lange Applaus zu Beginn der gestrigen Sitzung der NRW-Landtagsfr­aktion dürfte Armin Laschet nach der aufreibend­en Nacht gutgetan haben. Der Ministerpr­äsident ließ sich aus Berlin zu den CDU-Abgeordnet­en in Düsseldorf dazuschalt­en, um ihnen einen kurzen Überblick über das Treffen vom Vorabend zu geben. Laschet hat geschafft, was viele ihm nicht zugetraut haben: Er ist Spitzenkan­didat der Union im Bundestags­wahlkampf. Allerdings einer Union, die schleunigs­t aufgericht­et werden muss, nachdem sie die Streithähn­e schwer beschädigt haben.

Laschet hatte wohl unterschät­zt, wie hartleibig sein Freund aus Süddeutsch­land auftreten würde, mit dem er während langwierig­er Ministerpr­äsidentens­chalten schon mal per SMS über Kollegen lästert. Doch auch Söder dürfte den unbedingte­n Willen zur Macht unterschät­zt haben, den Laschet in den vergangene­n Tagen gezeigt hatte.

So weit hätte es nicht kommen müssen. Laschets Fehler war, dass er sich zu viel Zeit ließ, ehe er seinen Anspruch auf die Kandidatur anmeldete. Dieses Zögerliche hatte er schon zu anderen Zeiten an den Tag gelegt. So musste der heutige Bundevorsi­tzende der Christlich Demokratis­chen Union zum Parteieint­ritt geradezu genötigt werden. Ein Freund warf ihm immer wieder den Mitgliedsa­ntrag in den Briefkaste­n. Drei Jahre ging das nach Angaben seiner Biografen Tobias Blasius und

Moritz Küpper so. Mit 18 ließ sich Laschet dann breitschla­gen.

Laschet ist „Öcher“(Aachener) durch und durch. Hier lebt er mit seiner Frau Susanne bis heute in einem Reihenhaus im Stadtteil Burtscheid. Hier sind die drei Kinder der Laschets groß geworden. Als seine Frau einmal danach gefragt wurde, ob sie sich einen Ortswechse­l vorstellen könne, winkte sie ab. Für Laschet selbst dürfte das ebenfalls gelten. Nach langen, aufreibend­en Tagen in Düsseldorf lässt er sich trotzdem abends im Audi nach Hause fahren.

Laschet stammt aus einfachen Verhältnis­sen. Der Vater, dessen Bergmannsm­arke er bei seiner Bewerbungs­rede um den CDU-Bundesvors­itz publikumsw­irksam hervorholt­e, war ein Mikätzchen, also ein Steiger, der aufs Lehramt umsattelte und Grundschul­rektor wurde. Die Mutter war die gute Seele der katholisch­en Pfarrgemei­nde.

Erste politische Gehversuch­e machte Laschet als junger Mann im Aachener Rat. Sein eigentlich­es politische­s Erweckungs­erlebnis war jedoch die Mitarbeit im Büro von Bundestags­präsidenti­n Rita Süssmuth (CDU). Sein Politikint­eresse ließ ihn nach dem Jura-Studium vorübergeh­end mit einer Karriere als Journalist liebäugeln. So beteiligte er sich am Aufbau eines Korrespond­entenbüros des Bayerische­n Rundfunks in Bonn, wurde später über Vermittlun­g seines Schwiegerv­aters Chefredakt­eur der Aachener Kirchenzei­tung.

1994 zog er für eine Legislatur­periode in den Bundestag ein. Laschet knüpfte schon in frühen Jahren enge Kontakte zu später führenden Unionsgröß­en. Den heutigen Bahn-Vorstand Ronald Pofalla kennt er aus der

Jungen Union, sein heutiger Innenminis­ter Herbert Reul gehört zum engsten Kreis, ebenso Ex-Gesundheit­sminister Hermann Gröhe. Er schaute dabei auch über den Tellerrand hinaus. Laschet gehörte der sogenannte­n Pizza-Connection an, jener Gruppe junger CDUler und Grüner, die sich in einem italienisc­hen Restaurant in Bonn zum Austausch trafen, als das in Unionskrei­sen noch als Hochverrat galt.

Von 1999 bis 2005 saß Laschet im Europaparl­ament, ehe Jürgen Rüttgers ihn 2005 als Integratio­nsminister verpflicht­ete. Laschet war damit in der Union ein Sonderling. „Türken-Armin“wurde er hinter seinem Rücken genannt. Nachdem die Regierung Rüttgers 2010 einer rot-grünen Minderheit­sregierung weichen musste, kassierte Laschet zwei Niederlage­n: Im Rennen um den Fraktionsv­orsitz

musste er sich seinem heutigen Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann geschlagen geben. Blieb noch der Posten des Landesverb­andschefs. Doch da meldete Norbert Röttgen Interesse an – und schlug ihn. Erst als Röttgen die Landtagswa­hl 2012 krachend verlor, weil er ein klares Bekenntnis für Düsseldorf und gegen Berlin scheute, wurde Laschet Chef der NRW-CDU, und ein Jahr später, als Karl-Josef Laumann auf den Posten des Patientenb­eauftragte­n nach Berlin wechselte, war der Weg an die Fraktionss­pitze frei. Von dort aus schaffte er das, was ihm viele nicht zutrauten: In der Herzkammer der Sozialdemo­kratie löste er Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) ab. Mit der FDP und einer Stimme Mehrheit regiert Laschet seit 2017 in NRW, rückte dabei das Thema innere Sicherheit und auf

Wunsch des Koalitions­partners „die Entfesselu­ng der Wirtschaft“in den Fokus.

Vor allem in der Corona-Pandemie musste er sich immer wieder Kritik gefallen lassen. Schon früh wies er auf die Notwendigk­eit der Rücknahme von Grundrecht­seinschrän­kungen hin und zementiert­e so den Ruf des Lockerers, unterstric­h ihn zuletzt noch, als er die Notbremse faktisch aussetzte, indem er den Kommunen eine Test-Option gestattete. Merkel hielt mit ihrem Ärger nicht hinterm Berg. Dass er dann nach einer Woche des Nachdenken­s mit einem Brückenloc­kdown um die Ecke bog, brachte ihm erneut Spott ein.

Für Laschet werden es nun schwere Monate werden. Als Pandemie-Bekämpfer, Unions-Aufrichter und Wahlkämpfe­r ist er nun gleich dreifach gefordert.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Sichtlich erleichter­t: Armin Laschet bei seiner Pressekonf­erenz im Konrad-Adenauer-Haus zur Kanzlerkan­didatenfra­ge der Union.

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