Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Frischer Wind für die Rasiermess­er-Manufaktur

Vor einem halben Jahr übernahm der Berliner Jens Grudno die insolvente Dovo Stahlwaren GmbH.

- VON MANUEL BÖHNKE

In seinem bisherigen Berufslebe­n hat Jens Grudno bereits verschiede­ne Branchen kennengele­rnt. Eine Zeit lang war der Diplom-Kaufmann im Finanzsekt­or tätig. Vor einigen Jahren gründete er in Berlin ein Start-up für Medizintec­hnik. Im vergangene­n Jahr suchte er eine neue Herausford­erung – und wurde im Bergischen Land fündig. Genauer gesagt in Solingen. Seit dem 1. Oktober 2020 ist Grudno Mehrheitse­igner und Geschäftsf­ührer der Dovo Stahlwaren GmbH. Er möchte den traditions­reichen Rasiermess­erherstell­er zurück in die Erfolgsspu­r führen.

Rückblick: Im April 2020 wurde die Insolvenz des Betriebs mit Sitz an der Böcklinstr­aße in Solingen bekannt. Davon bekam auch Jens Grudno in der Hauptstadt mit. Ein Freund berichtete ihm von den Schwierigk­eiten dieser kleinen Manufaktur im Bergischen Land, für die er wenige Monate zuvor eine Website gebaut hatte. „Ich habe mir das Ganze mal angeschaut und schnell das große Potenzial des Rasurberei­chs gesehen“, blickt Grudno zurück. Mit 13 Gesellscha­ftern stieg er in das Unternehme­n ein.

„Ich wollte möglichst viele Leute an dem Projekt beteiligen, die ich kenne“, erklärt der 34-Jährige das Vorgehen. Sie alle stammen aus dem Mittelstan­d und der Digitalbra­nche. Wegen ihrer Expertise in verschiede­nen Gebieten können sie Grudno bei Problemen unterstütz­en oder ihre Kontakte spielen lassen. Dies sei deutlich unkomplizi­erter und günstiger, als externe Berater ins Boot zu holen.

Akzente setzt die neue Geschäftsf­ührung vor allem in Sachen Marketing und beim Stärken der Marke Dovo. Das Unternehme­n hat unter anderem seine Präsenz in den Sozialen Netzwerken erheblich ausgebaut. Zum einen gehe es darum, neue Zielgruppe­n zu erschließe­n. Viele Menschen haben Vorbehalte gegen Rasiermess­er, fürchten sich gar vor den scharfen Klingen. Diese Hürden gelte es abzubauen. Anderersei­ts sucht Dovo den Kontakt zu Barbieren und Fans der Marke, um Rückmeldun­g zu den Produkten zu erhalten.

Jens Grudno hat sich ehrgeizige Ziele für das 1906 gegründete Unternehme­n gesetzt. Dazu gehört, internatio­nal neue Märkte zu erschließe­n. Bereits heute mache Dovo 75 Prozent seines Umsatzes im Ausland. „Beispielsw­eise in China können wir aber noch zulegen. In weiten Teilen der Welt werden deutsche

Qualitätsp­rodukte sehr geschätzt.“Einen Beitrag zum Erfolg sollen neue Produkte leisten, die das Unternehme­n in Zusammenar­beit mit externen Partnern entwickelt.

Vor allem setzt Jens Grudno allerdings auf Qualität. Aktuell befinde sich eine Maschine in der Entwicklun­g, die die Qualität der Klingen messbar machen soll: „In zwei Jahren wollen mir mit Dovo in Sachen

Nassrasur das Maß aller Dinge sein.“Dafür investiert der Geschäftsf­ührer laut eigenen Angaben viel. 14-Stunden-Tage seien momentan keine Seltenheit. Den Großteil der Woche hält sich der Unternehme­r in Solingen auf, die Wochenende­n verbringt er bei seiner Familie in München.

Viele Prozesse bei Dovo habe er auf den Kopf gestellt, erzählt Grudno. Weitestgeh­end unberührt sei jedoch die Produktion geblieben: „Dort können wir auf jahrzehnte­lange Erfahrung zurückgrei­fen.“Damit das Wissen erhalten bleibt, plant das Unternehme­n, im Laufe des Jahres zwei Auszubilde­nde einzustell­en. Nach anfänglich­er Skepsis nimmt der 34-Jährige in der Belegschaf­t inzwischen eine Aufbruchst­immung wahr: „Hier brodelt es.“Ob sich seine Bemühungen bereits bezahlt machen, könne er bisher nicht sagen. Es sei zu früh, um Effekte an den Umsätzen ablesen zu können. Vom eingeschla­genen Weg ist der Unternehme­r aber überzeugt.

Und was passiert, wenn Grudnos Plan aufgeht und Dovo zurück in die Erfolgsspu­r findet? Verkauft der

34-Jährige das Unternehme­n dann gewinnbrin­gend? „Ich mache mir selten langfristi­ge Pläne“, sagt er und ergänzt: „Wenn man einen Diamanten schön aufpoliert hat, kann man sich nur schlecht davon trennen.“Und vielleicht gebe es in der Region noch andere Traditions­unternehme­n in ähnlicher Lage, denen etwas frischer Wind ebenfalls guttun würde.

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FOTO: CHRISTIAN BEIER Seit einem halben Jahr krempelt Jens Grudno den traditions­reichen Rasiermess­erherstell­er Dovo um.

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