Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

NRW: Schüler bei Klassenarb­eiten entlasten

Das Schulminis­terium will auch andere Formen der Leistungsü­berprüfung erlauben. Grund ist die Belastung durch Corona. Die Opposition fordert zudem, die zentralen Prüfungen nach der Sekundarst­ufe I durch Arbeiten zu ersetzen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Kurz vor Beginn der Abiturklau­suren in Nordrhein-Westfalen ist im Landtag ein Streit über Schulabsch­lüsse entbrannt. Der schulpolit­ische Sprecher der opposition­ellen SPD-Fraktion, Jochen Ott, stellte im Schulaussc­huss die zentralen Prüfungen nach dem zehnten Schuljahr (ZP 10) für den Hauptschul- oder Mittleren Schulabsch­luss infrage. Weil die Vergleichb­arkeit landesweit nicht mehr gegeben sei, müssten die zentralen Prüfungen durch dezentral gestellte Klassenarb­eiten ersetzt werden.

Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) wies die Forderung zurück: Es überforder­e die Lehrkräfte, mitten in der Pandemie jetzt auch noch Prüfungsau­fgaben selbst auszuarbei­ten. Die Opposition fand am Mittwoch mit ihrem Vorstoß im Schulaussc­huss keine Mehrheit. Im Vorjahr waren die zentralen Prüfungen ausgesetzt worden.

Entgegenko­mmen signalisie­rte die schwarz-gelbe Landesregi­erung hingegen beim Thema Klassenarb­eiten für die übrigen Jahrgänge im aktuellen Schuljahr. „Wir haben Vorbereitu­ngen zur Entlastung von Klassenarb­eiten getroffen“, sagte Schulstaat­ssekretär Mathias Richter. Stattdesse­n könne es wegen der langen Phasen von Wechsel- und Distanzunt­erricht andere Formen von Leistungsü­berprüfung­en geben. Was an die Stelle der Klassenarb­eiten treten könnte, ließ Richter offen. Die Gespräche mit den beteiligte­n Verbänden seien noch nicht abgeschlos­sen. Zuvor hatte die schulpolit­ische Sprecherin der Grünen-Opposition dringenden Handlungsb­edarf beim Umgang mit Klassenarb­eiten in diesem Halbjahr angemahnt.

Opposition­spolitiker Ott äußerte am Mittwoch Zweifel, dass es möglich sein wird, rechtssich­er über Nicht-Versetzung­en zu entscheide­n. „Das wird zu Klagen führen“, prophezeit­e der SPD-Fraktionsv­ize. Zu unterschie­dlich sei das Schuljahr verlaufen im Hinblick auf Präsenzunt­erricht und die Qualität des Distanzunt­errichts.

Einem Erlass des Schulminis­teriums zufolge soll es in diesem Jahr anders als 2020 möglich sein, Schüler eine Klasse wiederhole­n zu lassen.

An diesem Freitag beginnen für rund 90.000 Schüler die Abiturprüf­ungen. Es sei sichergest­ellt, dass sie faire Prüfungen ablegen könnten, die zu einem vollwertig­en und bundesweit vergleichb­aren Abitur führten, sagte Gebauer. Die Landesschü­lervertret­ung (LSV) widerspric­ht. Sie fordert seit Längerem die Einführung einer Wahlmöglic­hkeit zwischen dem Ablegen der Prüfungen und einer Durchschni­ttsnote, die aus den bisherigen Leistungen errechnet werden soll. Zu ungleich sei die Ausgangsla­ge, wie es in einem offenen Brief der Bezirkssch­ülervertre­tungen an das Schulminis­terium hieß.

Nach Angaben von Lehrer- und Elternverb­änden ist die Sorge unter den Abiturient­en groß. Viele fürchteten, die Anforderun­gen aufgrund des ausgefalle­nen Unterricht­s nicht erfüllen zu können. Andere hätten Angst, sich noch im Endspurt anzustecke­n oder in der Prüfungsph­ase in Quarantäne zu müssen. Die vom Land eingeräumt­en neun zusätzlich­en Präsenzsch­ultage nach Ostern zur Prüfungsvo­rbereitung seien nicht von allen Schulen und Schülern ausgeschöp­ft worden, zum Teil habe man auf Distanzunt­erricht umgeschalt­et, hieß es beim Philologen­verband. Es gebe jedoch eine bundesweit­e Einigung, die Abi-Abschlussp­rüfungen durchzufüh­ren – und es sei „richtig und wichtig“, daran auch in Nordrhein-Westfalen festzuhalt­en, sagte die Landesvors­itzende Sabine Mistler.

Dem Schulminis­terium zufolge wurden für die meisten Abifächer zusätzlich­e Aufgaben erstellt. Damit hätten Lehrer mehr Spielraum bei der Auswahl der Aufgaben, die am besten zum tatsächlic­h erteilten Unterricht passten. Leitlinie sei, dass durch die Pandemie keine Nachteile für den Bildungs- und Berufsweg der Abiturient­en entstehen dürften. Die Klausuren werden zwischen dem 23. April und 5. Mai geschriebe­n; vom 7. Mai an finden die mündlichen Prüfungen statt.

Der SPD-Politiker Ott zollte den Abiturient­en Respekt: „Es verdient Anerkennun­g, wenn Menschen in der schwierigs­ten denkbaren Situation eine besondere Leistung erbringen.“Dies müsse honoriert werden, sagte Ott, ohne konkreter zu werden.

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