Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Nur langsame Erholung der Industrie
In vielen Betrieben ist Kurzarbeit zwar kein Thema mehr. In einigen kämpft man indes gegen die Insolvenz.
Im März 2020 hat die Corona-Krise endgültig die Solinger Industrie erreicht. BIA und Borbet gehörten zu den ersten großen Arbeitgebern vor Ort, die weite Teile ihrer Belegschaft in Kurzarbeit schickten. Knapp ein Jahr später berichtet Marko Röhrig von einer „großen Kluft“zwischen den hiesigen Betrieben. „Bei vielen ist Kurzarbeit kein Thema mehr. Ich betreue derzeit aber auch zwei drohende Insolvenzen und befürchte, dass die Zahl steigen könnte“, erklärt der Erste Bevollmächtigter der IG Metall Remscheid-Solingen.
Martin Klebe bestätigt diesen Eindruck. Zwar sei die Zahl der Anzeigen auf Kurzarbeitergeld seit Dezember
leicht angestiegen. Davon seien jedoch vornehmlich vom Lockdown geplagte Branchen wie Gastronomie und Einzelhandel betroffen. „Mein Eindruck ist, dass die Industrie ganz gut durch die Krise kommt, wenngleich natürlich weiterhin Betriebe in Kurzarbeit sind“, sagt der Leiter der Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal.
Bei BIA hat sich die Situation weitestgehend entspannt. „Die Automobilindustrie hat sich recht schnell erholt“, erklärt Marketing-Leiter Vincent Domscheit auf Anfrage. Im Spätsommer 2020 konnte der letzte der rund 1000 BIA-Mitarbeiter die Kurzarbeit verlassen. Der Umsatz habe sich beim Hersteller galvanisierter Kunststoffteile für die Autoindustrie im Vorjahr zudem nicht so schlecht entwickelt wie zu Beginn der Krise befürchtet. Das könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ergebnis deutlich unter den
2019 erstellten Prognosen lag. Mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie hat auch Borbet Solingen zu kämpfen. „Wir haben das Geschäftsjahr 2020 mit negativem Ergebnis abgeschlossen“, sagt Kai Berger. Er leitet das Solinger Werk des Räderherstellers. Rund 680 Personen sind an der Weyerstraße beschäftigt. Im April vor einem Jahr stand die Produktion komplett still. Im Mai wurde der Betrieb langsam wieder hochgefahren. Seit Ende
2020 befindet sich kein Beschäftigter mehr in Kurzarbeit. Vorsorglich habe man jedoch bis Ende 2021 Kurzarbeit angezeigt. „Momentan
denke ich allerdings nicht, dass wir diese Option tatsächlich ziehen müssen“, betont Berger.
Trotz dieses leicht positiven Trends leide das Geschäft noch immer unter der Pandemie. Auch die wirtschaftlichen Folgen der Suezkanal-Blockade lassen sich schwer abschätzen. Das Produktionsvolumen liege derzeit bei rund 80 Prozent. Stellt Borbet an der Weyerstraße in guten Jahren bis zu 2,2 Millionen Räder her, laufe es 2021 auf rund 1,8 Millionen hinaus.
„Die Autobauer haben zwar angekündigt, dass wir in der zweiten Jahreshälfte Kapazitäten für große Stückzahlen vorhalten sollen. Bislang sind aber keine Bestellungen eingegangen“, skizziert Kai Berger die Situation. Zu den größten Borbet-Kunden
gehören Ford, Mercedes, AMG, Audi, Porsche, Jaguar Land Rover, Volvo und der PSA-Konzern.
Von einem wirklichen Aufschwung spürt auch BIA noch nichts. Seit März seien wieder einige Verwaltungsmitarbeiter in Kurzarbeit. „Momentan stagnieren die Umsatzzahlen“, sagt Vincent Domscheit. Zum einen bleibe das Kaufverhalten der Endkunden zurückhaltend. Zudem gebe es Lieferengpässe in der Halbleiterindustrie.
Wie sich das laufende Geschäftsjahr angesichts dieser Herausforderungen entwickelt, vermag Domscheit kaum zu sagen. Viel hänge davon ab, ob und wie schnell die Corona-Krise überwunden wird. Er betont jedoch: „Selbst unter günstigsten Voraussetzungen ist klar, dass auch 2021 kein gutes Ergebnis zu erwarten ist.“
Diese Ansicht teilt Kai Berger. Überhaupt befinden sich Räderhersteller wie Borbet Solingen in einer schwierigen Lage. Grund dafür sei neben der Krise günstig produzierende Konkurrenz in Asien und auch in Nordafrika. „Diese Konditionen können wir auch aufgrund unserer hohen Lohnkosten in Solingen nicht anbieten“, erklärt Berger. Aus einem Verteilungs- sei damit ein Verdrängungsmarkt geworden. Dieser Tatsache müsse sich Borbet stellen und seine Kostenstruktur entsprechend anpassen. Ein Sparprogramm sei in Arbeit.