Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Alles auf Anfang

Von Harmonie kann nach dem Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder keine Rede sein. Der Frust über den Ablauf der Nominierun­g ist groß, auch in der CDU. Jetzt heißt es, vorsichtig aufeinande­r zuzugehen.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND MAXIMILIAN PLÜCK

„Markus Söder unterstütz­en? Bei uns möglich!“, heißt es auf einem Twitter-Konto. So weit, so gut. Pikant nur, dass das Twitter-Konto der offizielle CSU-Account ist. Damit macht die Partei bundesweit Werbung für ihre Onlinemitg­liedschaft. Nicht nur das: CSU-Generalsek­retär Markus Blume hieß zudem einen Mann aus Schleswig-Holstein willkommen, der nach eigenen Angaben als „deutliches Zeichen“Onlinemitg­lied wurde. Das „deutliche Zeichen“ist eine Stichelei gegen die Kanzlerkan­didatur von CDU-Chef Armin Laschet, der aus dem Streit mit CSU-Chef Söder als Sieger hervorging.

Dieser Streit hat der CSU nach eigenen Angaben einen „sprunghaft­en“Anstieg von Online-Mitgliedsc­haften in ganz Deutschlan­d beschert. Bei dem kostenpfli­chtigen Angebot, das die CSU seit September 2020 anbietet, handelt es sich nicht um eine Vollmitgli­edschaft. „Die CSU kommt bei der Bearbeitun­g derzeit kaum hinterher. Es sind in den vergangene­n Tagen mehrere Hundert Anträge eingegange­n“, sagt ein CSU-Sprecher. Im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale in Berlin, gibt es dazu nur stummes Kopfschütt­eln.

Wie man es auch dreht und wende: Die Union ist drei Tage nach der Nominierun­g ihres Kanzlerkan­didaten von einer Annäherung noch weit entfernt, von Harmonie ganz zu schweigen. Auch wenn es an offizielle­n Beschwörun­gen nicht mangelt. Der Vorsitzend­e der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, spricht zwar von einer „durchaus gedrückten Stimmung“an der Basis der Unionsnach­wuchsorgan­isation, die mehrheitli­ch Söder unterstütz­t hatte. Die JU habe aber „auch immer deutlich gemacht, dass wir gemeinsam mit CDU und CSU und dem Kanzlerkan­didaten in den Wahlkampf ziehen werden“, sagte Kuban.

Der Chef der Jungen Union Bayern, Christian Doleschal, wird deutlicher. Er dankt den CDU-Landesverb­änden für ihre Unterstütz­ung für Söder. Es sei nicht selbstvers­tändlich, dass diese sich so deutlich positionie­rt hätten. „Wir akzeptiere­n das Ergebnis. Die Stimmung ist aber noch nicht da, wo sie hingehört.“Nun sei es wichtig, dass auch von Laschet Signale kämen. Es gehe vielleicht nicht um Umfragen, am Ende aber um Wahlergebn­isse.

Telefonier­t man im Südwesten, Osten und Norden mit Funktionst­rägern, so berichten führende CDU-Leute von einem „riesigen

Frust“und „großer Angst, vieles zu verlieren“. Viele Mitglieder seien „in heller Panik“. Laschet werde menschlich geschätzt, aber auf seine Zugkraft im Wahlkampf wage keiner so richtig zu setzen. „Söder hätte noch einen Tag durchhalte­n müssen und sich von Wolfgang Schäuble nicht ins Bockshorn jagen lassen dürfen“, schimpft einer der ersten Reihe. Zitieren lassen will sich jedoch keiner. Man verschickt lieber Umfragen der „Wirtschaft­swoche“, wonach die grüne Spitzenkan­didatin Annalena Baerbock die Favoritin von Führungskr­äften in der Wirtschaft für die Nachfolge Angela Merkels ist. Unions-Spitzenkan­didat Laschet folgt dort hinter FDPChef Christian Lindner auf Patz drei.

Auch an der Basis in Nordrhein-Westfalen

herrscht Katerstimm­ung. „Ich frage mich, wie man das noch bis September gedreht bekommt“, sagt ein ranghohes Mitglied aus Westfalen. Derzeit verfange doch der Eindruck, dass „die da oben“gegen die Basis entschiede­n hätten. Er sieht die Gefahr, dass sich die Wahl im September zu einer Denkzettel­veranstalt­ung auswachsen werde. „Entweder bleiben dann unsere Mitglieder zu Hause oder wählen die FDP.“Es sei nicht so, dass man vor Ort die große Söder-Fangemeind­e habe, aber die Mitglieder störten sich massiv am Umgang der Parteispit­ze mit der Basis.

Ein Hauptverwa­ltungsbeam­ter der CDU versucht sich in Ironie: „Gott sei Dank haben wir nicht denjenigen mit den guten Umfragewer­ten

genommen, dann können wir jetzt schön das Feld von hinten aufrollen und angreifen.“

Auf Funktionst­räger-Ebene ist die Lage anders. Der Chef des Arbeitnehm­erflügels in NRW, Dennis Radtke, sagt, in der CDA herrsche große Zufriedenh­eit. „Ich kann natürlich nicht für jedes Mitglied sprechen, aber auf der mittleren Führungseb­ene höre ich keine Klagen.“Aus seiner Sicht stünden jetzt die Mandatsträ­ger in der Verantwort­ung voranzugeh­en. „Wir gewinnen diese Wahl nicht mit Wehklagen und Selbstbesc­häftigung, sondern nur mit durchgedrü­cktem Kreuz, Geschlosse­nheit, mutigem Programm und Team.“Doch an Geschlosse­nheit und Team hapert es gerade. Da hilft nur ein Neuanfang.

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Ein Helfer stellt in Sachsen-Anhalt ein Wahlplakat der CDU vor ein weiteres, noch verhülltes Wahlplakat.

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