Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Wir holen das Leben ins Haus“

Hospiz-Idee: „Zusammen bis zum Ende“– Begleiter sind für unheilbar Kranke und deren Angehörige eine enorme Hilfe.

- VON ELLEN SCHRÖDER UND KRISTIN DOWE

Rapide steigende Infektions­zahlen, immer mehr Todesopfer in der dritten Corona-Welle: Nirgendwo offenbart sich die Dramatik der Lage derzeit deutlicher als auf den Intensivst­ationen. Doch wie werden Menschen versorgt, die „austherapi­ert“oder unheilbar krank sind, eine intensivme­dizinische Behandlung ablehnen oder für sich beschlosse­n haben, dass sie bis zuletzt zu Hause bleiben wollen?

Neben intensiver medizinisc­her Betreuung benötigen diese Patienten nicht zuletzt Menschen, die sie mit ihren Sorgen und Nöten emotional auffangen. An diesem Punkt setzt die Hospizarbe­it zum Beispiel vom Verein Palliative­s Hospiz Solingen an, berichtet Vorstandsv­orsitzende Cordula Scheffels. „Bei uns sind circa 80 haupt- und ehrenamtli­che Sterbebegl­eiter im Einsatz. Sie kümmern sich um Menschen, die zu Hause oder in einer Einrichtun­g ihre verbleiben­de Lebenszeit verbringen möchten.“Deren Einsatzmög­lichkeiten seien vielfältig. „Die Sterbebegl­eiter versuchen auch, die Angehörige­n zu entlasten, indem sie beispielsw­eise Einkäufe übernehmen oder dem kranken Menschen mal eine Stunde Gesellscha­ft leisten, wenn dieser möglicherw­eise nicht allein gelassen werden kann.“Etwas vorlesen, ein offenes Ohr für die Bedürfniss­e des schwerkran­ken Menschen haben – dies sind die Dinge, mit denen die Mitarbeite­r den Betroffene­n ihren schweren Weg etwas zu erleichter­n versuchen.

Woher stammt die Hospiz-Idee? Die Hospiz-Idee ist alt und geht auf das Mittelalte­r zurück. Damals waren in der Nähe der Pilgerstra­ßen Herbergen als Orte der Gastfreund­schaft errichtet worden – Hospize. Dort wurde kranken und sterbenden Menschen geholfen. Aus dieser Idee heraus gründete die Ärztin Cicely Saunders in England nach 1945 die Hospizbewe­gung mit dem Ziel, es Schwerkran­ken und Sterbenden zu ermögliche­n, in guter Umgebung bis zuletzt zu leben und nicht zu leiden.

Wer kann einen Hospizdien­st beziehungs­weise einen Platz im stationäre­n Hospiz in Anspruch nehmen? Früher wurden Palliativm­ediziner erst hinzugezog­en, wenn ein Patient als „austherapi­ert“galt. Die moderne Medizin arbeitet nach dem Konzept der „Early Integratio­n“. Die palliative, also lindernde Behandlung, soll schon frühzeitig begleitend einsetzen. Dabei konzentrie­rt sich die Hospiz- und Palliativb­egleitung im Durchschni­tt auf die letzten sechs Monate im Leben eines Menschen. Während Betroffene

für einen Platz im stationäre­n Hospiz des Vereins in Solingen eine Bescheinig­ung ihres Arztes benötigen, sei dies beim ambulanten Hospizdien­st nicht erforderli­ch, so Scheffels. „Häufig läuft der Kontakt über Mund-zu-Mund-Propaganda. Interessie­rte können sich aber auch einfach bei uns in der Geschäftss­telle melden und sich beraten lassen.“Bei der medizinisc­hen Betreuung unheilbar erkrankter Menschen unterstütz­t auch das SAPV-Team Solingen (SAPV steht für „spezialisi­erte ambulante Palliativv­ersorgung“), der neben dem Hospizvere­in erster Ansprechpa­rtner für die Patienten ist und bei Fragen gerne weiterhilf­t, zum Beispiel unter (02 12) 22 65 03 62. Generell sind gesetzlich­e und private Krankenkas­sen seit 2016 verpflicht­et, über Palliativv­ersorgung, Hospizdien­ste und -stationen in der Region zu informiere­n. Eine kostenlose Beratung bieten auch kommunale Pflegestüt­zpunkte.

Wie sieht es mit den Kosten aus?

Die Kosten werden zu 95 Prozent von den Kranken- und Pflegekass­en übernommen. Die restlichen Kosten tragen die Hospize selbst, die sich durch Spenden und ehrenamtli­che Hospizhelf­er finanziere­n.

Was leisten Hospize wie die Solinger Einrichtun­g für die Patienten?

Das Team des Solinger Hospizes versucht auf verschiede­nsten Wegen, seinen Gästen ihre verbleiben­de Zeit in der Einrichtun­g so angenehm wie möglich zu gestalten. Sie verfügt über zehn Betten, die ständig belegt sind – angesichts des hohen Bedarfs gibt es eine lange Warteliste. „Wir haben einen schönen Innenhof, der einer italienisc­hen Piazza gleicht. Dort können unsere Gäste und ihre Angehörige­n sich austausche­n, Kuchen essen und vieles mehr“, schildert Scheffels. „Es gibt oft Musik im Haus, die Gäste können malen oder Spaziergän­ge unternehme­n und ab und zu kommt der Eiswagen vorbei.“Obwohl die Möglichkei­ten durch die Corona-Pandemie zurzeit stark eingeschrä­nkt seien, gelte das Motto: „Wir holen das Leben ins Haus.“

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FOTO: DPA Die Sterbebegl­eiter versuchen, den Alltag für die Gäste so angenehm wie möglich zu gestalten.

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