Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Wir holen das Leben ins Haus“
Hospiz-Idee: „Zusammen bis zum Ende“– Begleiter sind für unheilbar Kranke und deren Angehörige eine enorme Hilfe.
Rapide steigende Infektionszahlen, immer mehr Todesopfer in der dritten Corona-Welle: Nirgendwo offenbart sich die Dramatik der Lage derzeit deutlicher als auf den Intensivstationen. Doch wie werden Menschen versorgt, die „austherapiert“oder unheilbar krank sind, eine intensivmedizinische Behandlung ablehnen oder für sich beschlossen haben, dass sie bis zuletzt zu Hause bleiben wollen?
Neben intensiver medizinischer Betreuung benötigen diese Patienten nicht zuletzt Menschen, die sie mit ihren Sorgen und Nöten emotional auffangen. An diesem Punkt setzt die Hospizarbeit zum Beispiel vom Verein Palliatives Hospiz Solingen an, berichtet Vorstandsvorsitzende Cordula Scheffels. „Bei uns sind circa 80 haupt- und ehrenamtliche Sterbebegleiter im Einsatz. Sie kümmern sich um Menschen, die zu Hause oder in einer Einrichtung ihre verbleibende Lebenszeit verbringen möchten.“Deren Einsatzmöglichkeiten seien vielfältig. „Die Sterbebegleiter versuchen auch, die Angehörigen zu entlasten, indem sie beispielsweise Einkäufe übernehmen oder dem kranken Menschen mal eine Stunde Gesellschaft leisten, wenn dieser möglicherweise nicht allein gelassen werden kann.“Etwas vorlesen, ein offenes Ohr für die Bedürfnisse des schwerkranken Menschen haben – dies sind die Dinge, mit denen die Mitarbeiter den Betroffenen ihren schweren Weg etwas zu erleichtern versuchen.
Woher stammt die Hospiz-Idee? Die Hospiz-Idee ist alt und geht auf das Mittelalter zurück. Damals waren in der Nähe der Pilgerstraßen Herbergen als Orte der Gastfreundschaft errichtet worden – Hospize. Dort wurde kranken und sterbenden Menschen geholfen. Aus dieser Idee heraus gründete die Ärztin Cicely Saunders in England nach 1945 die Hospizbewegung mit dem Ziel, es Schwerkranken und Sterbenden zu ermöglichen, in guter Umgebung bis zuletzt zu leben und nicht zu leiden.
Wer kann einen Hospizdienst beziehungsweise einen Platz im stationären Hospiz in Anspruch nehmen? Früher wurden Palliativmediziner erst hinzugezogen, wenn ein Patient als „austherapiert“galt. Die moderne Medizin arbeitet nach dem Konzept der „Early Integration“. Die palliative, also lindernde Behandlung, soll schon frühzeitig begleitend einsetzen. Dabei konzentriert sich die Hospiz- und Palliativbegleitung im Durchschnitt auf die letzten sechs Monate im Leben eines Menschen. Während Betroffene
für einen Platz im stationären Hospiz des Vereins in Solingen eine Bescheinigung ihres Arztes benötigen, sei dies beim ambulanten Hospizdienst nicht erforderlich, so Scheffels. „Häufig läuft der Kontakt über Mund-zu-Mund-Propaganda. Interessierte können sich aber auch einfach bei uns in der Geschäftsstelle melden und sich beraten lassen.“Bei der medizinischen Betreuung unheilbar erkrankter Menschen unterstützt auch das SAPV-Team Solingen (SAPV steht für „spezialisierte ambulante Palliativversorgung“), der neben dem Hospizverein erster Ansprechpartner für die Patienten ist und bei Fragen gerne weiterhilft, zum Beispiel unter (02 12) 22 65 03 62. Generell sind gesetzliche und private Krankenkassen seit 2016 verpflichtet, über Palliativversorgung, Hospizdienste und -stationen in der Region zu informieren. Eine kostenlose Beratung bieten auch kommunale Pflegestützpunkte.
Wie sieht es mit den Kosten aus?
Die Kosten werden zu 95 Prozent von den Kranken- und Pflegekassen übernommen. Die restlichen Kosten tragen die Hospize selbst, die sich durch Spenden und ehrenamtliche Hospizhelfer finanzieren.
Was leisten Hospize wie die Solinger Einrichtung für die Patienten?
Das Team des Solinger Hospizes versucht auf verschiedensten Wegen, seinen Gästen ihre verbleibende Zeit in der Einrichtung so angenehm wie möglich zu gestalten. Sie verfügt über zehn Betten, die ständig belegt sind – angesichts des hohen Bedarfs gibt es eine lange Warteliste. „Wir haben einen schönen Innenhof, der einer italienischen Piazza gleicht. Dort können unsere Gäste und ihre Angehörigen sich austauschen, Kuchen essen und vieles mehr“, schildert Scheffels. „Es gibt oft Musik im Haus, die Gäste können malen oder Spaziergänge unternehmen und ab und zu kommt der Eiswagen vorbei.“Obwohl die Möglichkeiten durch die Corona-Pandemie zurzeit stark eingeschränkt seien, gelte das Motto: „Wir holen das Leben ins Haus.“