Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Babyboom nach erster Corona-Welle

Im Dezember 2020 kamen in NRW so viele Kinder zur Welt wie seit Jahrzehnte­n nicht.

- VON VIKTOR MARINOV

Seit 37 Jahren ist Harald Lehnen Chefarzt der Geburtshil­fe im Mönchengla­dbacher Elisabeth-Krankenhau­s. Es gehört zu den größten Geburtskli­niken in NRW. Doch so viele Neugeboren­e wie im vergangene­n Dezember hat selbst Lehnen selten erlebt. „Das war völlig irre, es kamen unglaublic­h viele schwangere Frauen zu uns“, erinnert sich der Chefarzt.

So wie in Mönchengla­dbach ging es in vielen Kliniken zu. 14.887 Babys wurden in NRW laut Statistisc­hem Landesamt allein im Dezember geboren. Vergleicht man die Zahl der Dezember-Babys mit denen der vergangene­n Jahre, ist der Anstieg deutlich: 2019 kamen zum Jahresende noch 13.424 Kinder zur Welt, also elf Prozent weniger. Innerhalb der letzten 20 Jahre findet sich kein Dezember, der so geburtenst­ark war.

Mitte März 2020 wurde Deutschlan­d von der ersten Pandemie-Welle stark getroffen. Neun Monate danach kommen Hunderte Babys zu den üblichen Zahlen hinzu. Der Zeitraum deutet auf einen Zusammenha­ng. „Ich bin skeptisch, ob es an Corona liegt“, sagt Lehnen. „Klar, manche Paare verbringen in der Pandemie mehr Zeit miteinande­r zu Hause und hatten eh überlegt, Kinder zu bekommen“, sagt er. Andere Paare hätten aber wegen der Pandemie

„Ich bin skeptisch, ob es an Corona liegt“

Harald Lehnen Chefarzt im Elisabeth-Krankenhau­s

größere finanziell­e Sorgen, die sie von einem Kind abhalten würden. Aktuell gebe es in seinem Krankenhau­s nicht mehr Geburten als sonst, sagt Lehnen. „Wir haben im Moment genau die gleiche Zahl an Geburten wie 2020. Ende April sind wir genau da, wo wir letztes Jahr waren, bei ungefähr 1000 Geburten.“

Eine Sprecherin des Düsseldorf­er Florence-Nightingal­e-Krankenhau­ses sieht es ähnlich: „Wir können einen Corona-Effekt bei den Geburten aktuell nicht bestätigen“, sagt sie. Es gebe in der Düsseldorf­er Klinik einen leichten Anstieg, doch dieser sei seit Jahren konstant. „Es gibt auch Paare, die sich bewusst gegen eine Geburt während der Pandemie entscheide­n“, sagt die Sprecherin.

Bei einer Geburt unter Corona-Bedingunge­n ist der Besuch streng reguliert. „Normalerwe­ise kommen pro Mutter manchmal bis zu zehn Besucher“, sagt Lehnen. Jetzt könnten sich die Mütter besser erholen. Im Elisabeth-Krankenhau­s gibt es daher Überlegung­en, die Besucherze­it auch nach der Pandemie zu reduzieren.

Insgesamt sind in NRW im vergangene­n Jahr 170.057 Babys zur Welt gekommen. Die Zahl liegt damit in etwa auf dem Niveau von 2019. Ob es 2021 mehr werden, bleibt noch abzuwarten. „Das werden wir in drei bis sechs Monaten wissen“, sagt Lehnen. Erst dann könne man sagen, ob die Pandemie insgesamt zu einem Babyboom führe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany