Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Niemand verdient mehr als Pötsch
Der Aufsichtsratsvorsitzende von Volkswagen führt für das Jahr 2020 die Einkommensliste der Kontrollgremien der Dax-Konzerne an. Aufsichtsratschef der Volkswagen AG
Die Aufsichtsräte in den Dax-Konzernen haben im vergangenen Jahr im Durchschnitt weniger verdient als im Jahr zuvor. Das lag zum einen daran, dass einige von ihnen im Zuge der Corona-Krise auf Teile ihrer Vergütung verzichtet haben; zum anderen, dass für Online-Treffen keine Sitzungsgelder vorgesehen sind. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Unternehmensberatung HKP am Mittwoch vorgestellt hat.
Demnach gingen die Bezüge der Aufsichtsräte vergleichsweise moderat um rund vier Prozent zurück. Immerhin flossen den Unternehmenskontrolleuren damit im Schnitt noch rund 416.000 Euro zu. Spitzenverdiener war der Chefaufseher von Volkswagen. Er strich 900.000 Euro für seine Tätigkeit ein. Damit löste Hans Dieter Pötsch den in den vergangenen Jahren immer an der Spitze stehenden Paul Achleitner ab, Vorsitzender des Aufsichtsgremiums
der Deutschen Bank. Der landete nun mit gut
800.000 Euro „nur“auf dem zweiten Platz, gefolgt vom Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle mit
680.000 Euro Vergütung. Reitzle wiederum leitet – wie Nikolaus von Bomhard – auch noch ein zweites Aufsichtsgremium eines Dax-Konzerns, nämlich das von Continental. Für beide Tätigkeiten zusammen strich Reitzle 1,2 Millionen Euro ein. Von Bomhard musste sich bei Post und Münchener Rück mit insgesamt
720.000 Euro bescheiden. Schon daraus ist ersichtlich, dass es große Unterschiede in der Besoldung der Chefaufseher in den Dax-Unternehmen gibt. Die weibliche Form muss an dieser Stelle nach wie vor nur in einem Ausnahmefall bemüht werden, nämlich für die Biologin und Henkel-Erbin Simone Bagel-Trah. Dabei ist sie nicht nur die Henkel-Aufsichtsratschefin, sondern auch die Vorsitzende des Henkel-Gesellschafterausschusses. Immerhin ist seit 2015 die
Frauenquote in den Aufsichtsratsgremien insgesamt gestiegen: Lag sie vor fünf Jahren noch bei weniger als 30 Prozent, ist sie bis 2020 auf knapp 40 Prozent gestiegen.
Der Unterschied in der Bezahlung der Chefaufseher jedenfalls lässt sich mit Blick auf die unteren Ränge erfassen: Bei Beiersdorf, Infineon und dem Essenslieferdienst Delivery Hero kassierten die Gremienchefs jeweils nur gut 200.000 Euro. Im Fall Delivery Hero fällt eine weitere Besonderheit auf: Hier ist der Abstand zum Gehalt des Vorstandsvorsitzenden Niklas Östberg am größten, der für seine Arbeit aufgrund einer Auszahlung von Aktien-Boni fast 46 Millionen Euro eingestrichen hat. Bei Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing lag das Gehalt dagegen nur weniger als fünf Mal höher als das Salär von Paul Achleitner.
Während Vorstände von Dax-Konzernen teilweise hohe Boni, also Erfolgsprämien, kassieren, ist das bei den Aufsichtsräten der Unternehmen unüblich geworden. Mittlerweile
Topverdiener
Der Wirtschaftsingenieur Hans Dieter Pötsch ist Vorstandsvorsitzender der Porsche SE und seit Oktober 2015 Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG.
Werdegang
Der gebürtige Österreicher (70) begann seine Karriere bei Autobauer BMW, Werkzeughersteller Trumpf und CNC-Spezialist Traub.
hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass das bei den Kontrolleuren der Unternehmen kontraproduktiv sein könnte. „Wir sehen seit vielen Jahren, dass die Festvergütung die Hauptvergütung der Aufseher in Dax-Konzernen ist, die variable Vergütung ist dort fast ausgestorben“, sagte Studienautorin und HKP-Partnerin Regine Siepmann. Ausnahme bilden die beiden Fresenius-Konzerne, die nach wie vor mit klassischen Boni auch für Aufsichtsräte arbeiten. Allerdings sind die im vergangenen Jahr aufgrund bescheidener Geschäftsergebnisse ebenfalls weggefallen.
Bescheidene Geschäftsergebnisse wiederum waren für immerhin acht der 30 Aufsichtsratschefs der Grund, auf einen Teil ihrer Bezüge zu verzichten, um so ein Zeichen in der Corona-Krise zu setzen. Und dieser freiwillige Verzicht wiederum trägt etwa zur Hälfte zu den gut vier Prozent bei, um die die Aufsichtsratsgehälter im vergangenen Jahr im Durchschnitt zurückgegangen sind. Die andere Hälfte des Rückgangs liegt darin begründet, dass Sitzungsgelder zurückgefahren worden sind. Denn Geld für die Teilnahme an den jeweiligen Sitzungen ist Teil der Vergütung von Aufsichtsräten. Allerdings beziehen sich diese Zahlungen in den meisten Satzungen auf die physische Teilnahme an den Gremientreffen, nicht auf Online-Video-Konferenzen. Deswegen wurden diese Gelder oft nur teilweise ausbezahlt.
Dabei haben sich – bedingt durch die Krise – die Sitzungen gehäuft. Die Arbeitsbelastung der Mitglieder der Kontrollgremien ist also im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie sogar gestiegen. Im Durchschnitt trafen sich die Gremien neun Mal, im Jahr vor der Krise waren es nur sieben Sitzungen. Dabei hatte einer gleich doppelt Pech: Der Aufsichtsrat mit der zweitniedrigsten Vergütung aller Dax-Konzerne, der von Delivery Hero, tagte im vergangenen Jahr stolze 27 Mal mit seinen Kolleginnen und Kollegen.