Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Immobilien-Kauf wird zur Kostenfalle
In einer TV-Dokumentation werden vom Käufer zweier Wohnungen Vorwürfe gegen die Stadt-Sparkasse Solingen erhoben. Das Finanzinstitut widerspricht
Die Freude bei Friedrich Winter (Name geändert) und seiner Frau war groß, als sich 2012 ein Immobilienvermittler im Auftrag eines Bauträgers bei ihm gemeldet und ihm ein attraktives Geschäft vorgeschlagen hatte: Er könne dem in Berlin lebenden Ehepaar zwei Wohnungen in Solingen zum Kauf anbieten. Nach Mieteinnahmen und Steuerersparnis hätten die Winters nur 200 Euro monatlich anlegen und bei einer Laufzeit des Kredits von 30 Jahren gerade mal 72.000 Euro für die beiden Immobilien investieren müssen, deren Wert zusammen angeblich mehr als 200 000 Euro betragen sollte.
Einzige Voraussetzung: Für die Finanzierung könnten die Friedrichs sich nicht an ihre Hausbank wenden, sondern müssten den Kredit bei der Sparkasse Solingen aufnehmen. Diese wolle die Finanzierung für alle Wohnungen des Hauses als „Gesamtpaket“übernehmen.
Was für die Winters folgte, war ein finanzielles Desaster, von dem sie sich bis jetzt nicht erholt haben. Ein Beitrag des Senders ZDF info beschäftigt sich mit dem Fall. Wie sich später herausstellte, entsprach der tatsächliche Wert der beiden Wohnungen in einem Haus an der Straße Unter St. Clemens in der Innenstadt, die das Ehepaar Winter als Altersvorsorge vermieten wollte, nicht ansatzweise dem ausgegebenen Kaufpreis – sie wiesen etliche Mängel auf.
Vier Wochen nach dem ersten Kontakt zwischen Friedrich Winter und dem Vermittler machte dieser schließlich Druck: Winter müsse sich sofort für den Kauf entscheiden, nur jetzt könne er ihm diese günstigen Konditionen anbieten. Nur zwei Wochen später fuhr der Berliner nach Solingen, um zuerst den Darlehensvertrag bei der Sparkasse und schließlich den Kaufvertrag beim Notar zu unterzeichnen – alles an einem Tag. Weil die Sparkasse als Kreditgeberin hinter dem Projekt stand, habe er an dessen
Seriosität nicht gezweifelt, so Winter. „Da hatte ich einfach Vertrauen. Ohne die Sparkasse hätte ich mich niemals auf den Kauf eingelassen.“
Beim Notar wartete eine Gruppenbeurkundung auf ihn – eine Praxis, die nach Einschätzung von Rechtsanwalt Kim Oliver Klevenhagen höchst fragwürdig ist: „Normalerweise muss jeder Kaufvertrag einzeln vorgetragen werden, so eine Gruppenabfertigung ist heute gar nicht mehr zulässig.“Ebenso unüblich sei es, dass diese wichtigen Formalitäten bei einem Immobilienerwerb an einem Tag über die Bühne gehen.
Bei der Unterzeichnung des Darlehensvertrages habe Friedrich Winter ein Mitarbeiter der Sparkasse beruhigt, dass die Wohnungen „schon jetzt mehr wert sind als Sie bezahlen“. Erst nach den beiden Terminen bekam Winter das Haus nach
eigenen Angaben zum ersten Mal zu Gesicht: Besichtigen durfte er aber nur eine Wohnung – bei der anderen seien die aktuellen Bewohner nicht da, und für Keller und Dachboden des Hauses fehlten angeblich die Schlüssel. Dennoch vertraute Winter in das Geschäft und machte trotz der Warnsignale keinen Gebrauch von seinem Widerrufsrecht.
Das böse Erwachen folgte circa ein Jahr später, als der Mieter jener Wohnung kündigte, die Winter noch nie gesehen hatte und er sich auf die Suche nach einem Nachmieter machen musste. „Von der Hausverwaltung hieß es plötzlich, die Wohnung sei in einem nicht vermietbaren Zustand“, erinnert er sich. „Da sind wir aus allen Wolken gefallen.“Die ungeplanten Renovierungskosten beliefen sich für das Paar auf mehr als 40.000 Euro. Sie hätten ständig neu investieren müssen, weil sich das gesamte Haus in einem maroden Zustand befunden habe, so Winter.
Das betrügerische Prinzip dahinter hat Methode, wie auch in dem Beitrag des ZDF deutlich wird: Vermittler bieten eine Immobilie vermeintlich zum Nulltarif ohne Risiken für den Käufer an – das Objekt finanziere sich selbst, heißt es. Dieses befindet sich in der Regel weit vom Wohnort des Interessenten entfernt, zudem werden Besichtigungstermine immer wieder unter Vorwänden verschoben.
Einen Ausweg aus der Kostenfalle haben die Winters bislang nicht gefunden. Zwar sehen sie die Hauptschuld im vorliegenden Fall bei dem verantwortlichen Bauträger
und dem Immobilienvermittler, weisen aber auch der Sparkasse einen Teil der Verantwortung zu. Denn dem finanzierenden Kreditinstitut obliegt die sogenannte „interne Beleihungswertermittlung“, in deren Rahmen eine Bank nicht nur die Kreditwürdigkeit des Kapitalanlegers, sondern auch den Wert des zu finanzierenden Objekts zu prüfen hat. Allerdings habe niemals ein Mitarbeiter der Sparkasse die Wohnungen gesehen. „Die Sparkasse hat ja auch eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Kunden“, moniert Friedrich Winter.
Dort betrachtet man den Sachverhalt allerdings anders: „Die Bewertung der Sicherheit kann über verschiedene Verfahren durchgeführt werden. Entsprechend den Vorgaben der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht / Anmerkung der Redaktion) hat sich das finanzierende Kreditinstitut von der Werthaltigkeit und dem rechtlichen Bestand der Sicherheit zu überzeugen“, erläutert Sparkassen-Sprecher Martin Idelberger auf Nachfrage. „Auf Basis einer Außenbesichtigung und der nachgewiesenen Mieten erschienen die Kaufpreise für die vermieteten Wohnungen zwar ambitioniert, jedoch unauffällig.“Eine Besichtigung der Innenräume durch die Sparkasse fand demnach nicht statt.
„Wir bedauern sehr, dass das Immobilieninvestment der Käufer teilweise nicht den erhofften Erfolg gebracht hat“, so Idelberger weiter. „Es findet jedoch keine Kaufberatung oder anderweitige Prüfung durch die Sparkasse im Auftrag des Kunden statt. Die Kaufentscheidung trifft der Immobilienerwerber. Es liegt in seiner Verantwortung, dass er sich umfassend mit der Immobilie beschäftigt und für sich den Wert des Objektes einschätzt.“