Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Run auf Astrazenec­a in den Praxen

Auch viele jüngere Menschen nutzen die Chance, sich impfen zu lassen.

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(axd) Der Terminkale­nder der Lenneper Hausärztin Dr. Bettina Stiel-Riefenrath ist voll. 120 Patienten hat sie in dieser Woche mit Astrazenec­a geimpft – alle an einem Tag. Das Interesse nach der Impfung ist groß, berichtet die Vorsitzend­e der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) Remscheid. Denn seit dieser Woche kann sich jeder mit dem Vakzin von Astrazenec­a impfen lassen, der will.

Die Priorisier­ung, die nach Alter, Vorerkrank­ung oder Berufsgrup­pe unterteilt, ist aufgehoben. Bei Bettina Stiel-Reifenrath und ihren Kollegen haben sich bereits viele Patienten gemeldet, die sonst noch nicht an der Reihe gewesen wären. „Das hat was mit Reiselust zu tun, mit Streben in die Freiheit“, sagt sie. Der Wunsch nach Freiheit kombiniert mit der Aussicht, schnell seine

Rechte wiederzube­kommen, rücke Astrazenec­a nun wieder in den Fokus. Denn der Impfstoff kann schon nach nur vier Wochen das zweite Mal gespritzt werden. Stiel-Reifenrath: „Aus medizinisc­her Sicht ist das nicht sinnvoll.“Denn vollständi­g geschützt ist der Patient erst nach einer Zweitimpfu­ng nach zwölf Wochen.

Auch Internist Vito Montuori sieht die frühe Zweitimpfu­ng kritisch. Er impft frühestens nach neun Wochen. „Alles, was darunter ist, ist medizinisc­h nicht vertretbar. Der Erfolg muss auch da sein“, sagt er. Er stellt fest: „Wir können Astrazenec­a jetzt besser an den Patienten bringen“. Der Impfstoff gehe in die breite Masse. Aus den Händen gerissen werde ihm der Impfstoff aber nicht: „Vorbehalte sind nach wie vor da.“

In seiner Praxis stößt Montuori mittlerwei­le an die Kapazitäts­grenze. Termine für Vorsorgeun­tersuchung­en und Blutabnahm­en verschiebe­n sich. „Die Frage ist, wie lange wir das mitmachen können. Im Oktober kommt die Grippewell­e. Deswegen müssen wir den Sommer nutzen, um alles zu impfen, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist“, sagt Montuori.

Dass nun jeder Astrazenec­a bekommen darf, darin sieht Bettina Stiel-Reifenrath eine ethische Frage. „Wenn Geimpften Freiheiten in Aussicht gestellt werden, Menschen aber kein Impfangebo­t erhalten, kann man das moralisch nicht vertreten“, erklärt sie. Von den Menschen erhofft sie sich derweil mehr Disziplin. Denn immer wieder werden Termine im Impfzentru­m nicht wahrgenomm­en, aber vorher nicht abgesagt.

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