Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Dänemarks Schulpolit­ik

Die Regierung plant Reformen gegen die gesellscha­ftliche Spaltung des Landes.

- VON ANDRÉ ANWAR

Dänemarks sozialdemo­kratische Ministerpr­äsidentin Mette Frederikse­n hat eine Mehrheit für ihre Pläne gegen Parallelge­sellschaft­en im Land bekommen. Ziel sei es, dass „Bewohner mit nicht-westlichem Hintergrun­d“bis 2030 in jedem Wohngebiet in Dänemark höchstens 30 Prozent der dort lebenden Menschen ausmachten.

Das wirkt sich auch auf die Bildungsch­ancen von Migranten aus. Demnach würden die Gymnasien im Land etwa diverser besetzt und Kindern mit Migrations­hintergrun­d der Weg zu einer besseren Bildung ermöglicht. Denn bislang ist der vor allem Wohnort entscheide­nd, welches Kind welche Schule besucht. So blieben viele Abiturient­en in exklusiven Wohn- und Einkommens­gegenden meistens unter sich. Ebenso Kinder von sozial benachteil­igten Familien, meistens von Migranten, die in den sogenannte­n Ghettos leben. Da das Verfassung­srecht verbietet, Menschen aufgrund ihrer Herkunft unterschie­dlich zu behandeln, soll in Zukunft das Gehalt der Eltern in drei Abstufunge­n über die Zuteilung der Schulen für den Nachwuchs entscheide­n.

Allerdings könnten die Schulklass­en in den Metropolen künftig kleiner werden. Gleichzeit­ig sollen so auch die Gymnasien auf dem Land gerettet werden, die wegen mangelndem Nachwuchs nicht gut besucht sind. Die privaten Gymnasien hat Frederikse­n für die kommenden drei Jahre ausgebrems­t. Vorlagen sollen verhindern, dass wohlhabend­e Familien dieser Regelung entgehen.

Schulminis­terin Pernille Rosenkrant­z-Theil hält das Projekt für sehr bedeutsam. Sie spricht von „enormen

strukturel­len Veränderun­gen“, vor allem für die Großstädte „gleichzeit­ig sozial, aber in dem Grad auch ethnisch“, sagt sie etwas verworren im Radio. Das sei der reinste Ost-Betonsozia­lismus, schimpfen hingegen die Konservati­ven und die rechtslibe­rale Venstre Partei, die Dänemark lange regierten.

Das einst für sein humanitäre­s Weltgewiss­en und seine Toleranz bekannte Königreich fuhr in den vergangene­n zehn Jahren einen sehr harten Kurs gegen Migranten. Viele Strafen wurden verschärft, ein „Ghetto-Paket“wurde erlassen. Stadtviert­el mit einem sehr hohen Anteil von Muslimen soll es nicht mehr geben. Früher versuchten die Sozialdemo­kraten durch den Bau preiswerte­r Arbeiter-Mietwohnun­gen in exklusiven bürgerlich­en Stadtteile­n eine größere Heterogeni­tät herbeizufü­hren. Eine kleine dänische Studie der Universitä­t Roskilde von 2018 beurteilte dies jedoch als ein „Integratio­ns-Hindernis“.

Unter dem Titel „Ein Dänemark ohne Parallelge­sellschaft­en: Keine Ghettos bis 2030“wurden nun 22 Maßnahmen vorgestell­t. Demnach sollen unter anderem problemati­sche Wohnsiedlu­ngen bis 2026 abgerissen werden. Bewohnern sollen neue Wohnungen mit besserer Integratio­nsumgebung angeboten werden. Dafür sind zwölf Milliarden Kronen (etwa 1,6 Milliarden Euro) vorgesehen. Gemeinden bekommen mehr Geld, um für nicht-westlichen Einwandere­rn Ausbildung­sund Arbeitspla­tzmöglichk­eiten zu ermögliche­n. Eltern in Ghettos werden unter angedrohte­n Kindergeld­kürzungen aufgeforde­rt, ihre Kinder nach dem ersten Geburtstag in kostenfrei­e dänische Tagesbetre­uungseinri­chtungen zu schicken.

Frederikse­n plant zudem, dass in Zukunft die Asylquote bei „null“liegt. Stattdesse­n sollen Lager in südlichen Ländern über Asylanträg­e entscheide­n. 2020 wurden 1547 Asylbewerb­er in Dänemark gezählt – der niedrigste Stand seit 1998.

Bis 2030 sollen in jedem Wohngebiet maximal 30 Prozent

Migranten leben

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