Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Sonntagsruhe ist kein Anachronismus
Man kann über die ökonomische Sinnhaftigkeit von Sonntagsöffnungen im deutschen Einzelhandel endlos debattieren. Über gleiches Recht für alle, weil Gastronomen und Café-Betreiber ja auch öffnen dürfen; über die veränderten Gewohnheiten der Menschen beim Einkaufen; darüber, ob volle Einkaufszentren nicht ein sichtbares Zeichen für den Wunsch des Volkes nach noch mehr Event sind.
Aber diese ökonomische Debatte ist fruchtlos, weil alle Argumente ausgetauscht sind und der wirtschaftliche Mehrwert solcher Ideen zweifelhaft ist. Sie nimmt zudem eine notwendige andere Diskussion aus dem Blickfeld, nämlich die des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Man mag das Verbot von Sonntagsöffnungen als Anachronismus begreifen in einer Zeit, in der die Menschen im Internet an jedem Tag zu jeder Uhrzeit einkaufen können. Aber es ist in unserem Grundgesetz verankert, es entspringt der christlichen Tradition, es ist in Arbeitsschutzgesetzen niedergeschrieben. Es schützt auch jene, die ihre herbeigesehnte Sonntagsruhe opfern und ohne jede gesellschaftliche Notwendigkeit arbeiten sollen, damit das Freizeitvergnügen anderer möglichst ungebremst stattfinden kann. Dabei sollte Corona uns doch die Einsicht vermittelt haben, wie gut uns ein wenig Ruhe und Zurückhaltung manchmal tut.
Diesen gesellschaftlichen Konsens sollte man nicht vollständig preisgeben. Ob das im Jahr zwei der Pandemie gelten sollte – mit all den Nöten, die sie neben unendlichem menschlichen Leid auch für so manche berufliche Existenzen heraufbeschworen hat –, ist eine andere Frage. Deshalb wäre der Kompromiss, etwas mehr Sonntagsöffnung für den Rest des Jahres möglich zu machen, vielleicht ein Weg, den alle mitgehen können.