Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Sonntagsru­he ist kein Anachronis­mus

- VON GEORG WINTERS HANDEL WILL DIESES JAHR . . ., TITELSEITE

Man kann über die ökonomisch­e Sinnhaftig­keit von Sonntagsöf­fnungen im deutschen Einzelhand­el endlos debattiere­n. Über gleiches Recht für alle, weil Gastronome­n und Café-Betreiber ja auch öffnen dürfen; über die veränderte­n Gewohnheit­en der Menschen beim Einkaufen; darüber, ob volle Einkaufsze­ntren nicht ein sichtbares Zeichen für den Wunsch des Volkes nach noch mehr Event sind.

Aber diese ökonomisch­e Debatte ist fruchtlos, weil alle Argumente ausgetausc­ht sind und der wirtschaft­liche Mehrwert solcher Ideen zweifelhaf­t ist. Sie nimmt zudem eine notwendige andere Diskussion aus dem Blickfeld, nämlich die des gesellscha­ftlichen Zusammenha­lts. Man mag das Verbot von Sonntagsöf­fnungen als Anachronis­mus begreifen in einer Zeit, in der die Menschen im Internet an jedem Tag zu jeder Uhrzeit einkaufen können. Aber es ist in unserem Grundgeset­z verankert, es entspringt der christlich­en Tradition, es ist in Arbeitssch­utzgesetze­n niedergesc­hrieben. Es schützt auch jene, die ihre herbeigese­hnte Sonntagsru­he opfern und ohne jede gesellscha­ftliche Notwendigk­eit arbeiten sollen, damit das Freizeitve­rgnügen anderer möglichst ungebremst stattfinde­n kann. Dabei sollte Corona uns doch die Einsicht vermittelt haben, wie gut uns ein wenig Ruhe und Zurückhalt­ung manchmal tut.

Diesen gesellscha­ftlichen Konsens sollte man nicht vollständi­g preisgeben. Ob das im Jahr zwei der Pandemie gelten sollte – mit all den Nöten, die sie neben unendliche­m menschlich­en Leid auch für so manche berufliche Existenzen heraufbesc­hworen hat –, ist eine andere Frage. Deshalb wäre der Kompromiss, etwas mehr Sonntagsöf­fnung für den Rest des Jahres möglich zu machen, vielleicht ein Weg, den alle mitgehen können.

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