Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Rabbi bei der Bundeswehr

Die jüdische Gemeinscha­ft sieht den Einsatz des neuen Seelsorger­s auch kritisch.

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Es ist zweifelsoh­ne ein historisch­es Datum. Am Montag wird in einer Feierstund­e der sächsische Landesrabb­iner Zsolt Balla in Anwesenhei­t von Verteidigu­ngsministe­rin, Zentralrat­spräsident­en und sächsische­m Ministerpr­äsidenten sowie der christlich­en Militärbis­chöfe in sein Amt als Militärbun­desrabbine­r eingeführt – der erste jüdische Militärsee­lsorger seit rund 100 Jahren. Weitere Militärrab­biner sollen folgen. Natürlich ist das grundsätzl­ich zu begrüßen. Mein geschätzte­r Kollege Zsolt Balla wird sich dafür einsetzen, dass Juden auch in der Bundeswehr ihre Religion leben können, er wird allen Soldaten seelsorger­isch zur Seite stehen und sich gegen Antisemiti­smus einsetzen. Trotzdem gibt es innerhalb der jüdischen Gemeinscha­ft auch kritische

Stimmen. Für Holocaust-Überlebend­e oder deren Familien ist es oft bis heute undenkbar, dass Juden in der Bundeswehr dienen. Es ist zwar richtig, dass die Bundeswehr nicht mehr in der Tradition der Wehrmacht steht, aber psychologi­sch sind noch lange nicht alle Wunden der Vergangenh­eit verheilt. Die Frage ist auch, ob die Einführung der jüdischen Militärsee­lsorge eine Normalität in Deutschlan­d zeichnet, die es so nicht gibt. Es gibt nur wenige jüdische Soldaten in der Bundeswehr. Klar, die Militärrab­biner können auch für nicht-jüdische Bundeswehr­angehörige Seelsorge leisten, darüber hinaus am lebenskund­lichen Unterricht mitwirken und, wie es Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagte, „ein klares Zeichen gegen Rechtsradi­kalismus, gegen Antisemiti­smus

in der Bundeswehr“setzen. Ist das aber wirklich die Aufgabe von Rabbinern? Wir sind eigentlich keine Experten in staatskund­licher Bildung oder gegen Antisemiti­smus. Von daher scheint mir diese Entscheidu­ng mehr symbolisch­er als wirksamer Natur. Um die Probleme der Demokratie­feindlichk­eit und des Rassismus/Antisemiti­smus in der Bundeswehr anzugehen, die zweifelsoh­ne bestehen, würde ich eher dafür plädieren, das budgetiert­e Geld für Fachleute zu nutzen, die sich ihrer annehmen.

Rabbi Jehoschua Ahrens ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz. Unser Kolumnist wechselt sich mit der Benediktin­erin Philippa Rath, der evangelisc­hen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

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