Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Sektenführer in Kleve vor Gericht
Dem 58 Jahre alten Niederländer wird schwerer sexueller Missbrauch vorgeworfen.
Ein 58-jähriger Niederländer muss sich seit Freitag vor dem Klever Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Kleve wirft dem Angeklagten sexuellen Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 132 Fällen vor, in 64 Fällen tateinheitlich mit schwerem sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Auch wegen Freiheitsberaubung steht der
58-Jährige vor Gericht.
Laut Anklage ist der 58-Jährige eines der führenden Mitglieder und „selbsternannter Prophet“des „Orden der Transformanten“, einer aus den Niederlanden stammenden Sekte. Der Angeklagte soll eine heute 26-jährige Frau – deren Familie 2004 in die Sekte eintrat – seit
2006 immer wieder sexuell missbraucht haben. „Das Verlassen der Gemeinschaft wird als Todsünde angesehen“, heißt es weiter in der Anklageschrift.
Die Taten sollen sich zunächst in den Niederlanden, seit 2012 vor allem auf dem Klostergut Graefenthal im niederrheinischen Goch abgespielt haben. Laut Staatsanwaltschaft ließ sich der Angeklagte 2012 mit einer Gruppe der Sekte in der ehemaligen Zisterzienserinnenabtei nieder. Er habe sich den Mitgliedern als „von Gott auserwählter Prophet“präsentiert, dem zu dienen sei. Mit fünf Frauen der Sekte soll er Kinder haben.
Im Oktober 2020 rückte ein Großaufgebot der Polizei in Goch an und nahm den Niederländer fest. Die mutmaßliche Geschädigte befindet sich seitdem nicht mehr auf dem Klostergut der Sekte. Sie hatte den Angeklagten im Ermittlungsverfahren schwer belastet. Die 26-Jährige wird als Nebenklägerin durch einen Rechtsanwalt im Prozess vertreten. Sie soll als Zeugin aussagen.
Die drei Verteidiger des Angeklagten wiesen die Anklagevorwürfe am Freitag als falsch zurück. Sexueller Missbrauch sei in der Glaubensgemeinschaft tabu, und „niemand im Orden stand oder steht über diesen Regeln“, sagte Rechtsanwalt Rüdiger Deckers. Zudem würden die Vorwürfe wesentlich auf den Aussagen der Belastungszeugin basieren, so die Verteidigung. Und die Zeugin habe in einem Handychat, der Teil der Akten ist, selbst geäußert, dass sie vielleicht schizophren sei. Die Verteidigung beantragte zudem die Einstellung des Verfahrens aufgrund von Verfahrenshindernissen.
Der Prozessauftakt am Freitag war von großem Medieninteresse begleitet. Der Vorsitzende Richter Christian Henckel kündigte an, dass die Öffentlichkeit für weite Teile des Prozesses ausgeschlossen werde. Der Ausschluss betraf am Freitag eine Einlassung des Angeklagten. Es gehe um persönliche Umstände, deren öffentliche Erörterung laut Vorsitzendem schutzwürdige Interessen verletzen würde.
Der Angeklagte soll sich als auserwählter Prophet präsentiert haben, dem zu
dienen sei