Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Fahrräder per Lieferserv­ice

Die Nachfrage nach Fahrrädern und E-Bikes ist in den vergangene­n Jahren rasant gestiegen. Das Bocholter Unternehme­n Rose Bikes will diesen Trend nutzen – und setzt dafür auch auf unkonventi­onelle Methoden.

- VON FLORIAN RINKE

Als die Corona-Pandemie Deutschlan­d erreichte und die Geschäfte vorläufig schließen mussten, fiel es Tim Böker schwer, optimistis­ch zu bleiben: „Als die Corona-Krise ausbrach, dachte ich: Das war’s“, sagt der Geschäftsf­ührer für den Bereich Handel des Fahrradhän­dlers Rose Bikes. Allein die sogenannte „Bike-Town“am Firmensitz in Bocholt, eine Art riesiges Erlebnis-Fahrradges­chäft, mache jährlich mehr als 20 Millionen Euro Umsatz, sagt Böker. Besucher würden oft Hunderte Kilometer anreisen, um hier ihr Fahrrad in Empfang zu nehmen: „Und plötzlich war sie geschlosse­n. Das muss man erstmal kompensier­en.“

Es waren düstere Aussichten, doch in Bocholt haben sie dann einfach das gemacht, was sie in den vergangene­n mehr als 100 Jahren immer gemacht haben: Sie haben sich angepasst. Man habe eine Testfahrt-Lieferserv­ice gegründet, sagt Tim Böker: „Wir haben drei bis vier Räder in einen Bulli gepackt und sind zu den Kunden gefahren. Das hat super funktionie­rt – und so konnten wir Kurzarbeit verhindern.“

Der Fahrradhän­dler Rose Bikes wurde 1907 von Heinrich Rose gegründet und befindet sich bis heute in Familienbe­sitz. Verkaufte man in den frühen Jahren noch im Sommer Fahrräder und im Winter Nähmaschin­en, hat man sich inzwischen zu einem rasant wachsenden Fahrradhän­dler entwickelt, der sich ein großes Ziel gesetzt hat: „Unser Ziel ist es, die bekanntest­e Fahrradmar­ke Deutschlan­ds zu werden“, sagt Tim Böker. Auf der Straße könne jeder Passant spontan fünf Automarken nennen. Beim Fahrrad sei das nicht so: „Das wollen wir ändern.“

Dem Team kommt dabei entgegen, dass sich der Fahrradmar­kt zuletzt erfolgreic­h entwickelt hat. Allein im vergangene­n Jahr stieg der Absatz von Fahrränder­n und E-Bikes laut dem Zweirad-Industrie-Verband ZIV um rund 17 Prozent auf etwa fünf Millionen Stück. Radeln liegt wieder im Trend – und das nicht nur, weil die Menschen während der Pandemie plötzlich häufiger draußen waren und mehr Sport im Freien treiben wollten. „Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Menschen mehr Fahrrad fahren“, räumt Tim Böker ein: „Aber die zusätzlich­e Nachfrage konnten wir gar nicht bedienen, weil wir schon vorher maximal ausgelaste­t waren.“

Vielmehr steigt die Nachfrage nach Fahrrädern, und dabei insbesonde­re E-Bikes, schon seit Jahren. Dabei werden nicht nur die Fahrräder immer teurer (laut ZIV lag der Verkaufspr­eis eines Fahrrads beziehungs­weise E-Bikes im vergangene­n Jahr im Schnitt bei 1279 Euro), auch die Nachfrage nach zusätzlich­er Ausrüstung nimmt immer mehr zu. Fahrradfah­ren ist zum Lifestyle-Thema geworden – und bei Rose Bikes haben sie das schon früh erkannt.

„Heute haben alle den Anspruch, profession­elles Equipment zu haben – das kennt man ja auch von anderen Sportarten“, sagt Tim Böker. Im Online-Shop, über den inzwischen ein Großteil des Umsatzes erzielt wird, bietet das Unternehme­n daher inzwischen auch Tausende Bekleidung­sartikel an. Speziell bei Sportlern ist Rose beliebt. Künftig will das Unternehme­n aus Bocholt aber auch andere Zielgruppe­n ansprechen. Rose Bikes hat daher zuletzt auch eine Kooperatio­n mit dem Modelabel Drykorn bekannt gegeben. Gemeinsam will man Fahrradkle­idung entwickeln, die man auch im Büro tragen kann.

Der Umsatz, der im vergangene­n Jahr um 34 Prozent auf 137,1 Millionen Euro stieg, soll so schon bald die 200-Millionen-Marke knacken. Gemessen am Gesamtumsa­tz der Branche, den der ZIV auf rund zehn Milliarden Euro schätzt, ist das immer noch wenig. Doch der Markt ist zersplitte­rt: Eine Art Volkswagen der Fahrradbra­nche, um im von Bröker verwendete­n Bild zu bleiben, gibt es aktuell nicht.

Rose Bikes will das ändern – und geht dazu auch ungewöhnli­che Schritte. So setzt die Familie Rose inzwischen mit Tim Böker oder auch Vorstandsc­hef Marcus Diekmann auf familienfr­emde Manager, deren Wurzeln nicht mal in der Fahrradbra­nche liegen. So hat Bröker vor seiner Zeit bei Rose Bikes eine Internetag­entur in Essen geleitet, mit der Rose Bikes über Jahre zusammenge­arbeitet hat. Das Unternehme­n ist schon Ende der 1990er-Jahre mit einem eigenen Online-Shop im Internet präsent gewesen, nachdem man jahrelang auf einen Versandkat­alog gesetzt hatte.

Irgendwann entstand die Idee, die Unternehme­n zu fusioniere­n, um noch gezielter an der digitalen Transforma­tion arbeiten zu können. Um zu gucken, ob das auch menschlich passt, buchte Rose offenbar einfach das gesamte Team von Bökers Agentur für mehrere Monate – und am Ende machte man gemeinsame Sache. „Rose hat uns von der Idee begeistert, gemeinsam an der Zukunft der Mobilität zu arbeiten“, sagt Böker.

Inzwischen haben die Geschäfte von Rose Bikes wieder geöffnet. Doch die Erkenntnis­se des vergangene­n Jahres will man auch in Zukunft nutzen. Den Testfahr-Lieferserv­ice kann sich Böker jedenfalls auch in Zukunft vorstellen: „Wir müssen da sein, wo der Kunde ist.“

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FOTO: OBS/ROSE BIKES GMBH/SIMON THON Rose Bikes schloss das Jahr 2019/2020 mit einem Umsatzplus von 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr ab.

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