Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Wer an Tampons verdient
Marktführer Johnson & Johnson hat seinen o.b.-Produkten ein neues Design verpasst – und den Preis nach oben korrigiert.
Es war lange Zeit eine hitzige Debatte mit allerlei Dimensionen und Positionen: Ist die hohe Besteuerung von Damenhygieneartikeln noch gerechtfertigt, war sie es jemals? Sollte man Tampons und Binden nicht gleich kostenlos zugänglich machen für alle Frauen, wie es in Schottland der Fall ist? Und: Wenn das für Menstruationsprodukte gilt, warum dann nicht auch etwa für Rasiergeräte, weil Männer schließlich ebenso wenig für ihren Bartwuchs können wie Frauen für ihre monatliche Periode?
Am Ende stand die Entscheidung, die Mehrwertsteuer für Damenhygieneartikel von 19 auf sieben Prozent zu senken, wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Oktober 2019 verkündete. In den Petitionsausschuss des Bundestages brachte das Thema eine Initiative der Zeitschrift „Neon“zusammen mit „Einhorn“, einem Berliner Start-up für nachhaltige Kondome und Periodenprodukte. Tampons zählten zum Grundbedarf, die „Luxussteuer“auf solche Produkte bedeute nichts weniger als „Diskriminierung von Menstruierenden“, so der Aufruf damals.
Die Steuersenkung war eine Errungenschaft – nicht nur auf feministischer, sondern schlicht auch auf finanzieller Ebene. Dass Handelsund Drogerieketten versprachen, den Steuervorteil vollständig weiterzugeben, konnten Kundinnen deutlich spüren. Zunächst zumindest: Denn seit Kurzem erscheinen die o.b.-Produkte des Herstellers Johnson & Johnson in neuem Design in den Regalen der Drogerieund Supermärkte. Statt Blau sind die Packungen jetzt weiß, auch die Inhaltsmengen sind teils geändert – ebenso die Preise.
Kostete etwa eine Packung „Tampons Pro Comfort Normal“bislang 3,55 Euro (56 Stück), zahlt man in neuer Optik im Drogeriemarkt Rossmann jetzt 4,99 Euro (64 Stück). Trotz der neuen Verpackungsgröße ist das eine Preiserhöhung um 23 Prozent, wie es auch die Verbraucherzentrale Hamburg auf ihrer „Liste der Mogelpackungen“im Einzelhandel veröffentlicht hat.
Hersteller Johnson & Johnson gibt auf Nachfrage an, bei der Marke o.b. zum 1. April einen Relaunch und eine „Produktoptimierung“durchgeführt zu haben – die Unverbindliche Preisempfehlung (UVP) allerdings nicht geändert zu haben, beziehungsweise „angepasst aufgrund vergrößerter Verpackung“.
Das US-Unternehmen, das 2015 bei einem Marktanteil von 75 Prozent im Tamponsegment lag, weist darauf hin, dass „die tatsächliche Gestaltung der Regalpreise im Ermessen des Handels“liege.
Während sich Rossmann zu „sensiblen Preisfragen“gar nicht äußern will, gibt Konkurrent DM an, dass der Hersteller Johnson & Johnson nach dem Relaunch entschieden habe, den Einkaufspreis „anzupassen“. „Wir bieten unseren Kunden das Produkt dennoch zu einem Preis an, der weiterhin unter der UVP des Herstellers liegt“, betont dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer. Tatsächlich liegt der Preis für die Packung „o.b. Comfort Normal“mit 4,45 Euro unter dem von Konkurrent Rossmann (4,99 Euro).
Nun ist jeder Kunde in seiner Wahl der Marken und Märkte genauso frei wie der Hersteller Johnson&Johnson in seiner Preisgestaltung. Zumindest gibt es erhebliche Spielräume
für Preiserhöhungen, bevor das Kartellamt einschreitet. Und es gibt Alternativen, nicht nur im Tamponsegment: Neben Start-ups wie „Einhorn“mit seinen fair produzierten, nachhaltigen (entsprechend teureren) Tampons haben längst Menstruationstassen und Periodenunterwäsche auf den Markt gefunden. Auch wenn wohl der Großteil der Frauen weiter auf klassische Produkte setzt.
Fakt ist, dass Frauen fünf Tage im Monat, 30 Jahre ihres Lebens auf irgendeine Form von Menstruationsartikeln angewiesen sind. Dass diese zum Grundbedarf zählen, und das auch mit der niedrigen Besteuerung anerkannt wird, ist ein Fortschritt, der im Jahr 2019 längst überfällig war. Wohingegen bei der Forderung, die Artikel Frauen komplett kostenlos zur Verfügung zu stellen, vieles ungeklärt ist: Wie soll dies koordiniert werden? Wer soll das bezahlen? Was ist mit dem Grundbedarf von Männern – werden die damit ebenso benachteiligt wie Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen?
Der Preis, den Frauen mehr oder weniger zwangsweise dafür zahlen, dass sie eine Frau sind, sollte so fair wie möglich sein. In der Welt der Marktwirtschaft steht das Wohl der Menschheit gewöhnlich nicht an oberster Stelle. Schon im Januar 2020, zur Einführung der Steuersenkung, war fraglich, wie lange Kundinnen profitieren werden. Berichten der „Lebensmittelzeitung“zufolge hatten einige Hersteller bereits pünktlich zur Steuersenkung ihre Preise gegenüber dem Handel kräftig erhöht. Von Steigerungen im zweistelligen Prozentbereich war in der Branche die Rede. Formal sind die Gründe dann oft eine „Verbesserung der Qualität“, eine „Optimierung der Produkte“. Trotzdem liegt der Verdacht nahe, dass Händler oder Hersteller die zwölf Prozent abschöpfen wollen, die vorher an den Staat gingen.
Nicht zuletzt das war lange im Voraus von politischen Entscheidern auch befürchtet worden. Die selbe Petition gegen die Tamponsteuer, die 2019 Erfolg hatte, war 2015 im Bundestag abgeschmettert. „Die Weitergabe einer Umsatzsteuerersparnis an die Kunden läge allein im Ermessen des Unternehmers, ist von der Wettbewerbsposition abhängig und könnte vom Gesetzgeber nicht sichergestellt werden“, so die Begründung damals. Das Parlament bezweifelte, dass die Vergünstigungen langfristig beim Verbraucher ankommen.