Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Einblicke in Solinger Befindlichkeiten
Im Winter wurde die erste Solinger „Mitte-Studie“durchgeführt. In einer Online-Befragung und in Interviews wurden Einstellungen, Haltungen und Perspektiven auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und Menschenfeindlichkeit erhoben.
Schonungslos legt die Mitte-Studie der Stadt Solingen und des Diakonischen Werkes offen, woran es in Klingenstadt an vielen Stellen hakt. Es gibt Fremdenfeindlichkeit mitten in der Stadtgesellschaft. Jeder Vierte glaubt, es gibt zu viele Solinger, die „von woanders herkommen.“
Aber der Zusammenhalt der Solinger Stadtgesellschaft ist dann in der Tiefe doch stärker, als man vielleicht bei der ersten Zahl denken möchte. Immerhin glauben 55 Prozent der Befragten nicht an zu viele Fremde und möchten zu 63 Prozent in Solingen alt werden. Jeder Zweite glaubt, er erfahre die gleiche Anerkennung in Solingen, wie die anderen. 16 Prozent fühlen sich aber ausgegrenzt. In der Konsequenz kommt die Studie zum Ergebnis: Nur der gegenseitige Dialog über alle Grenzen hinweg verbessert die Situation.
Im Rahmen einer Zusammenhaltskonferenz mit 60 Teilnehmern stellten Michael Roden für den Stadtdienst Integration und Anno Kluß für die Firma Context, die die Studie durchführte, die Ergebnisse vor. 1539 Personen waren per Online-Fragebogen und per Zoom-Interviews eingebunden. 10.000 Personen aus der Bürgerschaft waren angesprochen worden. In der Summe sei das aber repräsentativ, erklärte Prof. Dr. Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konfliktund Gewaltforschung in Bielefeld. Er begleitet die Solinger Studie und führt eine gleiche auf Bundesebene durch, deren Ergebnisse in Kürze erwartet werden.
Auf 143 Seiten gibt es Hunderte Einzelergebnisse der Studie, die einen tiefen Einblick in die Befindlichkeit der Solinger zulassen. Daher sind die anfangs genannten Zahlen auch nur ein Bruchteil der gesamten Studie. Die Analyse teilt in zwei große Gruppen auf: Da ist auf der einen Seite die „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Sie untersucht das Thema sehr individuell nach allen Altersstufen, Einkommensgruppen, Bildungsniveau und ethnischer Herkunft sowie religiöser Zugehörigkeit. Dagegen stehen Ergebnisse, die generell unter dem Stichwort „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“auflisten, wie die Solinger die Harmonie im Zusammenleben empfinden – natürlich auch wiederum individuell auf die oben genannten Kategorien heruntergebrochen.
Anno Kluß und Prof. Zick verwiesen darauf, dass Fremdenfeindlichkeit oft auch mit dem Glauben an Verschwörungstheorien zusammenhänge. So sind sich jede fünfte Solingerin und Solinger sicher, dass die Bundesrepublik von geheimen Mächten gesteuert wird. Zugleich gibt es Deckungsgleichheit bei ablehnenden Haltungen gegenüber Schwulen und Lesben oder auch gegenüber Behinderten.
Auch all diese und jeden der Fremdenfeindlichen müsse man im Gespräch überzeugen, in die Mitte der bunten Gesellschaft zurückzufinden, erklärte Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) in seinem Grußwort. Ulrike Kilp, Leiterin des Solinger evangelischen Diakonischen Werks merkte an: „Die Befragten haben ehrlich Auskunft gegeben.“Das sei eine gute Basis, Lehren aus der Studie für die Praxis zu ziehen.
Diese Basis ist das Gespräch über die gesellschaftlichen Unterschiede und alle Hürden hinweg. Dazu nennt die Studie das Ergebnis der Befragungen aus den Interviews: „Viele sagen, dass gegenseitiger Wille im Kontakt der Menschen aus verschiedenen sozialen Gruppen nötig ist, damit Maßnahmen nachhaltig gelingen und zum gesellschaftlichen Zusammenhang beitragen.“
Einfach wird das nicht, denn es gelte dies, erklären die Solinger in der Studie: „Es ist Mut, Aktionismus und Eigeninitiative gefragt, offen auf Menschen zuzugehen. Dafür benötigt es Neugierde, Interesse und den Willen, andere Menschen kennenzulernen.“