Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Mein Herz schlägt für das kleine Land“
Vor dem EM-Spiel gegen Deutschland hören wir uns bei bergischen Sportlern um, die es wissen müssen.
(ad) Sein Sport ist Rollhockey. Fernando Picarra hat lange für die IGR Remscheid und später für I.S.O. gespielt. Inzwischen hat der 45-Jährige seine Spieler- und Trainerlaufbahn beendet. Hin und wieder streamt er sich nach Portugal, schaut sich an, wie die Profis der Kugel nachjagen. In diesen Tagen aber ist der gebürtige Remscheider mit den zwei Staatsbürgerschaften (er hat die deutsche und die portugiesische) ganz auf Fußball und die Europameisterschaft fokussiert. Wem er die Daumen drückt? „Mein Herz schlägt für das kleine Land“, sagt er. Und meint Portugal.
Dorthin sind seine Eltern schon vor 15 Jahren zurückgegangen. Und dort sind auch seine beiden Geschwister geboren. Der Vater war dann aus beruflichen Gründen in den 70er-Jahren nach Deutschland gegangen, die Mutter mit den beiden Erstgeborenen später. Picarra selbst ist in Remscheid zur Welt gekommen.
Picarra schildert die Portugiesen als gelassen und ruhig. „Wenn du mit ihnen einen Termin um 14 Uhr hast, kannst du davon ausgehen, dass sie um 15 Uhr erscheinen.“Beim Fußball aber werde es emotional: „Da sind alle mit großem Herzblut dabei.“Wie er selbst als erklärter Fan von Benfica Lissabon auch. Er wird das Spiel alleine schauen, sich vorher ein portugiesisches T-Shirt oder Trikot überstreifen: „Das bringt meistens Glück.“Und wie endet die Partie? „Ein Unentschieden könnte ich verkraften“, sagt er. „Deutschland wird sich zerreißen.“
Bei Nelson Martins, ebenfalls langjähriger Remscheider Rollhockeyspieler bei IGR und I.S.O., ist die unmittelbare familiäre Konstellation ein wenig anders. Seine Frau ist Deutsche, er hat die portugiesische Staatsangehörigkeit. Vor dem TV-Bildschirm sind die Sympathien klar verteilt. „Das ist schön zweigeteilt“, sagt er. Wissend, dass er sich auf seinen älteren Sohn verlassen kann. Der siebenjährige Fabio hat sich auf die Südeuropäer festgelegt. „Er steht voll auf Ronaldo“, begründet Nelson Martins. Auch Schlussmann Rui Patricio steht in der Gunst des jungen Remscheiders hoch im Kurs.
Vielleicht deshalb, weil der Kleine auch Torhüter ist – in der F2 des SSV Bergisch Born. „Darum konnte ich vom ersten portugiesischen Spiel gegen Ungarn auch nur die zweite Halbzeit gucken“, berichtet Nelson Martins. Sein Junge hatte Training. Die anderen Kinder sind mit drei Jahren (ein Junge) und einem Jahr (ein Mädchen) noch nicht alt genug, um sich wirklich für die EM zu interessieren.
Die Eltern von Martins´ und seinen Brüdern Victor und Mario sind in den 70er-Jahren nach Deutschland gekommen und leben in Lennep. Besuche in der Heimat stehen aber regelmäßig an. „Die restliche Familie lebt schließlich in Portugal“, sagt Nelson Martins. Wenn man dort ankomme, fühle man sich immer direkt wohl. Begründung: „Die Leute sind immer gut drauf und auch schon mit kleinen Dingen glücklich.“Das könne am vielen Sonnenschein liegen. Auf den Fußball bezogen: „Man ist stolz, für sein Land zu spielen.“
Im Gegensatz zum früheren Mannschaftskameraden Fernando Picarra schwärmt die komplette Familie nicht für Benfica Lissabon, sondern für den Lokalrivalen Sporting. „Ich finde die Jugendarbeit dort großartig“, begründet Nelson Martins seine Vorliebe für die Grün-Weißen. Keinesfalls zufällig sind spätere Stars wie Ronaldo, Figo und Nani dort ausgebildet worden.
Und was macht der Rollhockeysport? „Ich habe damals aufgehört, als mit I.S.O. Schluss war“, sagt Nelson Martins. „Mario und Victor haben danach noch in Recklinghausen gespielt, inzwischen aber auch nicht mehr.“Letzterer hat sich inzwischen dem Futsal zugewandt, einer anerkannten Variante des Hallenfußballs.