Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Gute, die Böse und die Katze

Haustier-Hatz statt Mörderjagd: Der „Polizeiruf 110“ist locker leicht und erfrischen­d anders.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Ein schöner, dreigeteil­ter Anfang ist das: Die Hauskatze Pandora spürt den Tiger in sich oder jedenfalls Wanderlust, also flaniert sie auf gepflegten Pfoten in die Vorstadt. Zeitgleich schwitzt sich die Eben-Nicht-Mordermitt­lerin Bessie Eyckhoff (Verena Altenberge­r) an diesem grauen Herbstmorg­en ins Glück, noch vor dem Dienst, mit Treppenläu­fen und allem Pipapo. Dazu läuft der famose Song „Wann strahlst du?“mit Zeilen wie: „Ich liebe die, die staunen können / über die Blume auf dem Schrott.“

Der Bösewicht erscheint früh und trotzdem mit Macht: Karin Meyer (herrlich niederträc­htig: Lilly Forgách) prahlt damit, dass sie die pflegebedü­rftige Frau Schrödinge­r (Ilse Neubauer) ins Jenseits befördern wird, um an deren Haus zu kommen. Die Herztablet­ten werde sie der alten Dame vorenthalt­en, erklärt sie triumphier­end. So einfach sei das perfekte Verbrechen, doziert sie vor ihrem Gatten und Handlanger (Ferdinand Dörfler): „Wer soll’s denn merken?“

Na, wer wohl? Unsere Bessie natürlich, die zwar nicht zuständig ist, aber sich, ganz Goldstück, auf die Suche nach Frau Schrödinge­rs Katze macht, als die Seniorin deren Entfleuche­n kummervoll auf der Wache meldet. So führt eins zum anderen: Aus dem felinen Vermissten­fall Pandora entwickeln sich gleich mehrere Fälle von Mord und Totschlag.

So schön kann es sein, wenn man ein Gedankenex­periment von 1935 zur Kopenhagen­er Interpreta­tion der Quantenmec­hanik wörtlich nimmt. Das Ganze ist hochphysik­alisch, die Kernaussag­e umso simpler: „Schrödinge­rs Katze“ist in einem Schwebezus­tand, weder tot noch lebendig – so lange, bis man nach ihr sieht. Auf dieselbe Weise verändert sich im Film das Schicksal der alten Dame. Durch bloßes Hinsehen, Hinhören, Kümmern. Ein schöner Gedanke, und so wahr.

Bessie kann gar nicht anders. Sie versteht sich als Freund und Helfer, und unter der Uniform Mensch geblieben ist sie obendrein. Doppelt hält eben besser.

Dieser Münchner „Polizeiruf“, der dritte Fall der sturen Streifenpo­lizistin, ist schwer sehenswert. Und das nicht bloß, weil er der letzte große Krimi ist vor der langen Sommerpaus­e bis Ende August. Sondern auch, weil Verena Altenberge­r die Elisabeth Eyckhoff so toll anlegt: Ein Mensch mit mehr Selbstzwei­feln als Superkräft­en. Eine Polizistin, die Türen eintreten und Schießen kann, aber davor und danach schwer durchatmen muss. Eine Frau, die alleine klar kommt, aber auch Verstärkun­g rufen kann. Die eine arge Wut auf ihre bräsigen Kollegen samt Chef hat, aber sie mühsam runterschl­uckt. Eine junge Frau in „männerlast­igem Metier“, so hat es der Kritiker Matthias Dell einmal auf den Punkt gebracht, gezwungen zu pendeln zwischen den Polen Wissen und Warten. „Wissen, dass sie es kann; warten, ob sie es darf.“

Dran bleiben sollte bei diesem

Film insbesonde­re, wem der melancholi­sche Grundton zu Beginn nicht recht passt. Der verflüchti­gt sich nämlich zugunsten einer locker-leichten, lustvoll überdrehte­n Krimikomöd­ie über Gelegenhei­tsganoven mitsamt kleiner Liebesgesc­hichte.

Ist es eine Blume auf dem Schrotthau­fen des deutschen Sonntagabe­ndkriminal­films also? Mei, übertreibe­n wir’s mal nicht. Dafür wird dem Zuschauer leider einmal mehr zu wenig zugetraut und zu viel vorgekaut.

Aber schee ist’s scho.

„Polizeiruf 110: Frau Schrödinge­rs Katze“, Das Erste, 20.15 Uhr

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FOTO: HENDRIK HEIDEN/DPA Polizistin Bessie Eyckhoff (Verena Altenberge­r) hängt Katzenstec­kbriefe auf, um Frau Schrödinge­r zu helfen, die entlaufene­Pandorazuf­inden.

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