Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die Gute, die Böse und die Katze
Haustier-Hatz statt Mörderjagd: Der „Polizeiruf 110“ist locker leicht und erfrischend anders.
Ein schöner, dreigeteilter Anfang ist das: Die Hauskatze Pandora spürt den Tiger in sich oder jedenfalls Wanderlust, also flaniert sie auf gepflegten Pfoten in die Vorstadt. Zeitgleich schwitzt sich die Eben-Nicht-Mordermittlerin Bessie Eyckhoff (Verena Altenberger) an diesem grauen Herbstmorgen ins Glück, noch vor dem Dienst, mit Treppenläufen und allem Pipapo. Dazu läuft der famose Song „Wann strahlst du?“mit Zeilen wie: „Ich liebe die, die staunen können / über die Blume auf dem Schrott.“
Der Bösewicht erscheint früh und trotzdem mit Macht: Karin Meyer (herrlich niederträchtig: Lilly Forgách) prahlt damit, dass sie die pflegebedürftige Frau Schrödinger (Ilse Neubauer) ins Jenseits befördern wird, um an deren Haus zu kommen. Die Herztabletten werde sie der alten Dame vorenthalten, erklärt sie triumphierend. So einfach sei das perfekte Verbrechen, doziert sie vor ihrem Gatten und Handlanger (Ferdinand Dörfler): „Wer soll’s denn merken?“
Na, wer wohl? Unsere Bessie natürlich, die zwar nicht zuständig ist, aber sich, ganz Goldstück, auf die Suche nach Frau Schrödingers Katze macht, als die Seniorin deren Entfleuchen kummervoll auf der Wache meldet. So führt eins zum anderen: Aus dem felinen Vermisstenfall Pandora entwickeln sich gleich mehrere Fälle von Mord und Totschlag.
So schön kann es sein, wenn man ein Gedankenexperiment von 1935 zur Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik wörtlich nimmt. Das Ganze ist hochphysikalisch, die Kernaussage umso simpler: „Schrödingers Katze“ist in einem Schwebezustand, weder tot noch lebendig – so lange, bis man nach ihr sieht. Auf dieselbe Weise verändert sich im Film das Schicksal der alten Dame. Durch bloßes Hinsehen, Hinhören, Kümmern. Ein schöner Gedanke, und so wahr.
Bessie kann gar nicht anders. Sie versteht sich als Freund und Helfer, und unter der Uniform Mensch geblieben ist sie obendrein. Doppelt hält eben besser.
Dieser Münchner „Polizeiruf“, der dritte Fall der sturen Streifenpolizistin, ist schwer sehenswert. Und das nicht bloß, weil er der letzte große Krimi ist vor der langen Sommerpause bis Ende August. Sondern auch, weil Verena Altenberger die Elisabeth Eyckhoff so toll anlegt: Ein Mensch mit mehr Selbstzweifeln als Superkräften. Eine Polizistin, die Türen eintreten und Schießen kann, aber davor und danach schwer durchatmen muss. Eine Frau, die alleine klar kommt, aber auch Verstärkung rufen kann. Die eine arge Wut auf ihre bräsigen Kollegen samt Chef hat, aber sie mühsam runterschluckt. Eine junge Frau in „männerlastigem Metier“, so hat es der Kritiker Matthias Dell einmal auf den Punkt gebracht, gezwungen zu pendeln zwischen den Polen Wissen und Warten. „Wissen, dass sie es kann; warten, ob sie es darf.“
Dran bleiben sollte bei diesem
Film insbesondere, wem der melancholische Grundton zu Beginn nicht recht passt. Der verflüchtigt sich nämlich zugunsten einer locker-leichten, lustvoll überdrehten Krimikomödie über Gelegenheitsganoven mitsamt kleiner Liebesgeschichte.
Ist es eine Blume auf dem Schrotthaufen des deutschen Sonntagabendkriminalfilms also? Mei, übertreiben wir’s mal nicht. Dafür wird dem Zuschauer leider einmal mehr zu wenig zugetraut und zu viel vorgekaut.
Aber schee ist’s scho.
„Polizeiruf 110: Frau Schrödingers Katze“, Das Erste, 20.15 Uhr