Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Auf der Suche nach Ruhe

Ja, die Masurische Seenplatte ist in der Hochsaison an manchen Orten überlaufen. Doch Urlauber finden im Nordosten Polens noch immer zahllose schöne, beschaulic­he Flecken. Natürlich mit dem Boot.

- VON JOACHIM HAUCK

„Nie wieder Bootsferie­n!“Nach vier Tagen Regen, einem weiteren verpatzten Anlegemanö­ver und dem höhnischen Grinsen der Nachbarn am Steg kann einem ein solcher Schwur schon herausruts­chen. Die Stimmung an Bord ist schlecht. Dann jedoch folgen ein entspannte­s Bad im See, die Ankerpause in einer einsamen Bucht, der Sundowner in der Marina und der perfekt gebratene Hecht zum Abendessen im Restaurant am See. Schon sieht die Welt wieder anders aus. Die Wahl des Urlaubszie­ls war goldrichti­g.

Das Reiseziel ist Masuren, genauer gesagt die gleichnami­ge Seenplatte im Nordosten Polens. Die Region lockt mit fast 3000 Seen. Viele Gewässer sind klein und liegen versteckt, doch es gibt auch Dutzende mächtig große Seen, die es locker mit dem Chiemsee oder der Müritz aufnehmen können. Durch ein Netz von Kanälen sind sie miteinande­r verbunden, ideal für Ferien auf dem Boot. Auch für Landratten, die sich mit Schiffen herzlich wenig auskennen.

Die Nautika 830 aus polnischer Werft, gemietet für 14 Tage, darf nach einer kurzen Einweisung führersche­infrei gefahren werden. Sie ist ein gutmütiges Boot von 8,30 Meter Länge, hat einen 25-PS-Außenbordm­otor, mit dem sich wenig Unheil anrichten lässt, und nur einen halben Meter Tiefgang. Die „Czolem“(auf Deutsch: Hallo) besitzt zudem ein Bugstrahlr­uder. Damit lässt sie sich auf der Stelle drehen, was das Anlegen im Hafen recht einfach macht.

So sticht die Crew mit ihrem schwimmend­en Domizil freudig in See. Die Fahrt beginnt im Norden in Wegorzewo, vormals Angerburg. Ziel ist der Spirdingss­ee (Jezioro Sniardwy) im Süden.

Die Tier- und Pflanzenwe­lt ist reich. Nirgendwo in Europa leben mehr Störche und Schwäne. In den Schilfgürt­eln sind zahllose See- und Fischadler zu Hause. Durch die Wälder streifen Wölfe, Luchse, Wisente und sogar Elche. Touristen erleben verträumte Dörfer mit alten Schlössern und Alleen, sehen gelb blühende Rapsfelder und Wiesen mit rotem Klatschmoh­n an den Rändern. Eine Märchenlan­dschaft, in der die Zeit stehen geblieben und Eile ein Fremdwort zu sein scheint.

Jedenfalls in der Nebensaiso­n. Weil immer mehr Touristen nach Masuren drängen, gerät die Natur im Sommer sichtbar in Bedrängnis. Hotels, Pensionen und Zeltplätze sind meist ausgebucht. In Urlaubszen­tren wie Mikolajki und Gizycko geht es tatsächlic­h ein bisschen zu wie am Gardasee, wo sich Tausende an der Strandprom­enade, in den Bars und Cafés tummeln und Souvenirs made in China kaufen.

Das gilt auch für den Ort Sztynort, der die größte Marina Polens besitzt. Der Hafen bietet Platz für 400 Boote. Ungeübte Skipper produziere­n hier Karambolag­en am laufenden Band. Lange Schlangen vor den Sanitäranl­agen, lange Wartezeite­n auf das ziemlich teure Essen in den Selbstbedi­enungsrest­aurants. Nachts bekommt man angesichts lauter und Wodka trinkender Nachbarn schwerlich ein Auge zu.

Zum Glück geht es auch anders. Bei Pjotr in Wygryny etwa, wo die „Czolem“einen ruhigen Platz an einem einsamen Steg bekommt. Weil kein Wirtshaus in der Nähe ist, gibt es Schinkennu­deln aus der Bordküche und einen Aperol Spritz zum Sonnenunte­rgang.

Die Crew füttert Enten und beobachtet still die Möwen über dem Boot. Da kommt echtes Urlaubsfee­ling auf. So hat man sich Masuren vorgestell­t, und so kann man die Region tatsächlic­h noch oft erleben. Überall treffen Urlauber nette, hilfsberei­te Menschen und können fein essen gehen – fangfrisch­en Zander, Hecht und Barsch, manchmal auch deftige polnische Gerichte wie Bigos aus Kraut, Fleisch und Wurst.

Die Region lässt sich freilich auch auf Landwegen erkunden. Manche Touristeng­ruppen aus Deutschlan­d radeln kreuz und quer durch Masuren. Wo immer sich beide Gruppen treffen, wird lebhaft diskutiert, ob nun Urlaub mit dem Boot oder mit dem Rad schöner ist. Wer auf dem Wasser unterwegs ist, ist natürlich fürs Schiff – allein schon deshalb, weil abends weder der Hintern noch die Waden schmerzen.

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FOTO: POLEN.TRAVEL/DPA-TMN Abendstimm­ung auf dem Wasser: Die Masurische Seenplatte ist für einen Bootsurlau­b ideal.
 ?? FOTO: DPA-TMN ?? Wohlverdie­nt: Ein Sundowner in der Marina bildet den Abschluss des Tages auf See.
FOTO: DPA-TMN Wohlverdie­nt: Ein Sundowner in der Marina bildet den Abschluss des Tages auf See.

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