Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Lang ersehntes Wiedersehe­n

Über viele Monate haben wir die meiste Zeit digital Kontakte pflegen müssen. Wie großartig fühlt es sich an, endlich wieder Freunde ganz real zu treffen!

-

Es ist ein warmer Juni-Abend, und ich radle mit meinem leicht rostigen Fahrrad durch eine altbekannt­e Siedlung im Duisburger Süden. Die Straßen und Häuser sind vertraut, doch neu gestrichen­e Zäune und mittlerwei­le bewohnte Gebäude, die vor einem Jahr noch Baustellen waren, verraten mir, dass ich hier lange nicht mehr vorbeigefa­hren bin. Seltsam aufgeregt komme ich am Haus einer Freundin an, schließe mein Fahrrad ab und klingle.

Ich muss kurz warten, krame schon mal den Zettel vom Testzentru­m heraus und kann gar nicht anders, als vor Freude breit zu grinsen, als mir die Türe geöffnet wird und ich zwei meiner Freunde sehe. In Person, ohne einen Computerbi­ldschirm zwischen uns. Die Begrüßung ist ein bisschen holprig: Umarmen ist uns noch zu nah. Für diesen komischen Fuß-Innenseite­n-High-Five-Kick ist zu wenig Platz – und so wird es letztendli­ch ein euphorisch­es Zuwinken auf eineinhalb Meter Entfernung.

Über die letzten sechs Monate ist man müde geworden von digitalen Abenden in Videokonfe­renzen, die man einsam vor der Laptop-Kamera verbringt. Die Spiele, die man online zusammen spielen kann, machen nach den vielen Runden auch keinen Spaß mehr. Und keiner sitzt gerne den Abend lang zu Hause allein vor dem Schreibtis­ch, wenn draußen bestes Sommerwett­er ist. Zum Glück ist es endlich wieder möglich, sich mit einer Gruppe von Freunden ganz legal zu treffen, natürlich getestet.

Und so sitzen wir nun gemeinsam im orangen Sonnenlich­t, grillen, trinken selbst gemixte Cocktails, unterhalte­n uns, lachen und überlegen, wie wir endlich an eine Impfung kommen. Wir genießen die Zeit, sind kaum am Handy und freuen uns über die Gespräche, die analog so viel lebendiger und näher sind und nicht wegen schlechter Internetve­rbindung mitten im Satz abbrechen können.

Doch letztendli­ch reden wir wieder einmal über das, was im letzten halben Jahr alles nicht passiert ist, wie wir in digitalen Vorlesungs­sälen sitzen und uns nicht wie richtige Studierend­e fühlen, welche Reisen und Erfahrunge­n wir nicht machen konnten, wie sehr wir uns nach den gemeinsame­n Partys in den engen Vereinshei­men der Vorstadt und den Nächten in den Clubs und Bars im Zentrum sehnen. Und wie sehr wir uns gegenseiti­g vermisst haben.

Dieser Abend, auf den wir die letzten Monate sehnlichst gewartet haben, geht bis tief in die Nacht und so kurven wir melancholi­sch, glücklich und vielleicht ein bisschen angetrunke­n im Morgengrau­en nach Hause und hoffen auf einen langen, gemeinsame­n Sommer.

 ?? FOTO: KLOMP ?? Sebastian Klomp studiert Medienund Kulturwiss­enschaft an der Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf.
FOTO: KLOMP Sebastian Klomp studiert Medienund Kulturwiss­enschaft an der Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany