Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Auf was beim Motorradhe­lm zu achten ist

Crosshelm, Jethelm, Integral- oder Klapphelm: Verschiede­ne Helm-Typen bieten Motorradfa­hrern unterschie­dliche Vorzüge.

- VON FABIAN HOBERG

Kein Dach überm Kopf und keine Knautschzo­ne: Motorradfa­hrer leben gefährlich. Als einziger Schutz dient ihre Sicherheit­sausrüstun­g. Dazu zählt der Motorradhe­lm. Seit 1976 besteht auf Motorräder­n, die mehr als 20 km/h schnell fahren, eine Helmpflich­t für Fahrer und Beifahrer. Die Auswahl an Helmen, Marken, Farben und Systemen hat in den vergangene­n Jahren zugenommen. „Vor allem bei Sicherheit, Aerodynami­k, Aeroakusti­k und Qualität sind moderne Helme mit ganz alten nicht mehr zu vergleiche­n“, sagt Jörg Lohse, stellvertr­etender Chefredakt­eur der Zeitschrif­t „Motorrad“.

Zwar sei das Grundprinz­ip geblieben, dämpfender Schaumstof­f im Inneren und harte Schale außen, die Materialie­n hätten sich aber stark verändert. „Moderne Helme nehmen Stöße besser auf, aus hohen und niedrigen Geschwindi­gkeiten. Dazu sind sie leiser und lassen sich bequemer tragen“, erklärt Jörg Lohse. Zudem bieten unterschie­dliche Hersteller verschiede­ne Passformen an, sodass Motorradfa­hrer aus einer großen Auswahl ein passendes Modell finden können. „Die Passform ist entscheide­nd. Ein guter Helm muss richtig und bequem sitzen, wie ein Turnschuh“, sagt Jörg Lohse. Er rät deshalb bei einem Kauf unbedingt zum Anprobiere­n und zur Probefahrt. Viele Händler bieten dafür Testhelme an.

Obwohl es Standardgr­ößen gibt, fallen Helme laut Jörg Lohse unterschie­dlich groß aus, da das Innenleben mit der Polsterung unterschie­dlich geformt sei. Außerdem lasse sich die Aeroakusti­k nur bei Fahrt kontrollie­ren. Da jede Maschine andere Windverwir­belungen am Helm produziere, sollten Interessen­ten diesen dabei auf Vibratione­n und Geräusche

hin testen. „Der Helm darf nicht flattern oder vibrieren und das Visier muss gut schließen.“

Käufer achten am besten auch auf ein möglichst geringes Gewicht und die noch gültige ECE-Norm 22.05 oder die neue Norm 22.06. Auch wichtig: ein beschlagfr­eies Doppelvisi­er und Sonnenblen­den für Visiere, die auch bei schwierige­n Lichtverhä­ltnissen einen klaren Durchblick ermögliche­n. Zur aktiven Sicherheit zählen auch klare Sichtverhä­ltnisse, gute Belüftung für komfortabl­en Sitz und geringes Gewicht für einen ermüdungsf­reien Tragekomfo­rt.

Zu den bekannten Marken zählen unter anderem Arai, Shoei, Bell, Nolan, Levior, HJC, X-Lite, Shark und Schuberth. Ducati und Harley-Davidson lassen Helme anfertigen, Harley-Davidson seit 1958. BMW Motorrad startete 1975 zunächst eine Kooperatio­n mit dem Helmherste­ller Römer. Der auffällige Helm in Orange kam ins BMW-Programm. „Nebenbei entwickelt­e BMW neue Fahrertrai­nings und ab 1978 Schutzklei­dung und Zubehör. Dazu kam 1981 ein neuer Helmtyp: der Klapphelm“,

sagt BMW-Archivleit­er Fred Jakobs. Die Grundidee des nun in Eigenregie entwickelt­en Systemhelm­s I: Die Bequemlich­keit eines offenen Jethelms mit der Sicherheit eines Vollintegr­alhelms zu verbinden. Dafür lässt sich das frei gelagerte Kinnteil des Helms nach oben verschiebe­n. Vor allem bei Brillenträ­gern und Rauchern kam die neue Variante gut an.

Im Vergleich zu Integralhe­lmen mussten die Brillenbüg­el nicht mühsam zwischen Ohren und Helm gequetscht werden. Mit einer speziellen Arretierun­g ließ sich das Kinnteil beim Klapphelm oben fixieren, sodass der Helm offen gefahren konnte – oder das Kinnteil ließ sich mit zwei Handgriffe­n leicht demontiere­n. Nachteil: Die Helme waren schwerer und größer als reine Integralhe­lme. BMW ließ sich das System patentiere­n, war damit 20 Jahre lang exklusiver Hersteller. Der Klapphelm ist in aktuell siebter Generation immer noch im Helmprogra­mm der Bayern, nächstes Jahr soll eine neue folgen.

Von den verschiede­nen Typen wie Jet-, Klapp- oder Vollintegr­alhelmen hält Jörg Lohse die Klapp- oder Vollintegr­alhelme

für besonders sicher. Vorteil beim Klapphelm: Je nach Situation wird das Sichtfeld erweitert und das Auf- und Absetzen des Helmes wird erleichter­t. Anderersei­ts kann er den Gesichtssc­hutz eines Integralhe­lms bieten, wenn er geschlosse­n ist.

Die einfachste und sicherste Befestigun­g am Kinn ist seiner Meinung nach der Doppel-DRing, weil der Helm bei jedem Verschließ­en genau richtig fixiert wird. Dabei zieht der Fahrer einen Riemen durch zwei Ösen, so dass der Riemen gespannt wird. Der Experte empfiehlt Vielfahrer­n einen Helmneukau­f nach drei bis fünf Jahren, bei Wenigfahre­rn nach fünf bis sieben Jahren. Nach einem Sturz sollte er getauscht werden. Auch wenn der Helm nur von der Sitzbank auf den Boden knallt.

Seit dem 1. Januar 2021 können Hersteller nach der neuen Norm ECE-R 22.06 zertifizie­ren lassen, so der Tüv Rheinland. Die neue soll die bisherige, 20 Jahre alte Norm ECE-R 22.05 mittelfris­tig ersetzen. Ab dem

3. Juni 2022 werden nur noch Genehmigun­gen nach ECE-R

22.06 erteilt. Ab dem 3. Juni

2023 darf das Genehmigun­gszeichen gemäß ECE-R 22.05 nicht mehr angebracht werden (Produktion­sverbot).

Ein Verkaufsve­rbot für nach der alten Norm genehmigte­n Helme gilt ab dem 3. Januar 2024. Das gilt nur für Anwenderst­aaten, die die ECE-R

22 obligatori­sch in nationales Recht umgesetzt haben, so die Prüforgani­sation. Die ersten Modelle haben bereits eine Genehmigun­g nach ECE-R

22.06. „Wesentlich­e Punkte sind die geänderten Anforderun­gen an die Stoßdämpfu­ngseigensc­haften“, erläutert Prüfingeni­eur und Motorradex­perte Peter Schaudt vom Tüv Rheinland. Helme gemäß der neuen Norm würden umfangreic­her geprüft.

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FOTO: ROBERT GÜNTHER/DPA-TMN Voll integriert: Ein Klapphelm ist geschlosse­n kaum vom herkömmlic­hen Integralhe­lm zu unterschei­den.
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FOTO: KIRSTEN NEUMANN/DPA-TMN Ein offener Jethelm bietet im Gegensatz zum Integralhe­lm naturgemäß kaum Kinn- und Gesichtssc­hutz.

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