Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Robin Hood und seine Genossen
Die Linke hat nun ihr Wahlprogramm. Sie verspricht die Verteilung von Reichtum und will die Bundeswehr deutlich verkleinern.
Dann doch noch auf in den Kampf. Obwohl die Linke Kampf nicht will, nicht Krieg, auch keine Auslandseinsätze deutscher Soldaten. Wenn sie ab Herbst im Bund mitregieren würde – wohinter wegen schlechter Umfragewerte ein dickes Fragezeichen steht –, verspricht sie schon jetzt: Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen, Abschmelzung des Wehretats jedes Jahr um zehn Prozent, Verabschiedung vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato, Verbot aller Rüstungsexporte aus Deutschland. Aber jetzt, bei diesem digitalen Parteitag, sollte noch mal eine Debatte ins Haus stehen, das ohnehin schon von den hohen Außentemperaturen überhitzt war. Eigentlich. Doch es kommt anders.
Bodo Ramelow, einziger Ministerpräsident mit Linke-Parteibuch, hat seinen Genossen trotz aller Entschlossenheit, die Welt schnell waffenfrei zu machen, dann doch zu etwas mehr Realitätssinn geraten. Man sollte zumindest darüber nachdenken, bei UN-Beschlüssen zu friedenserhaltenden Einsätzen eine Basis zu schaffen, „wo wir uns engagieren können“, sagt Ramelow noch. Ein Nato-Partner auf syrischem Boden, wo die Türkei dann gegen die Kurden vorgehe? Klares Nein. Aber über eine Beteiligung an UN-Friedenseinsätzen müsse man reden. Eine deutsche Armee zur Landesverteidigung? Das geht. Gegen ein eigenes Verteidigungsbündnis für Europa sei ebenso nichts einzuwenden – wie überhaupt Europa seinen eigenen Platz in der Welt der Sicherheitspolitik haben müsse.
Die Angst vor Ärger muss groß sein. Anders ist kaum zu erklären, dass die Parteitagsregie hin und her navigiert, wenn über das strittige Kapitel zur Außen- und Sicherheitspolitik beraten wird. Erst heißt es: am Sonntag, dem zweiten Tag des Wahlkonvents, dann schiebt die Linke die Abstimmung „überraschend“auf den späten Samstagabend. Beinahe im Vorbeigehen klärt – oder manifestiert – die Partei ihre Position
in einem zentralen Punkt der Außenund Sicherheitspolitik. Wenn die Linke ihren Frieden macht, dann möglichst geräuschlos. Der Entwurf des Vorstandes geht durch.
Und dann ist da immer wieder Robin Hood. In einem Fall kommt der mittelalterliche Umverteiler, der es den Reichen nimmt und den Armen gibt, aus Thüringen, wo es wie in der Erzählung aus Nottingham Forest auch viel Wald gibt. Im anderen Fall stammt Robin Hood aus Oldenburg. Und jedes Mal schlüpft bei der Linken eine Frau in die Figur des Rächers der Entrechteten. Einmal sagt die Co-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow, Spitzen-Linke aus Thüringen: „Wir verteilen Reichtum.“Später spricht es Bundestagsfraktionschefin Amira Mohamed Ali dann richtig aus: „Wir sind die Robin-Hood-Partei.“Mohamed Ali, die ihren Wahlkreis in Oldenburg hat, kämpft für ein Steuersystem, das kleine und mittlere Einkommen entlaste und „dafür endlich die Superreichen zur Kasse bittet“.
Linke-Vorsitzende Hennig-Wellsow hatte zum Einstieg in diesen digitalen Parteitag in den Reinbeckhallen in Berlin gesagt: Vermögende und Unternehmer würden „Verluste haben“, sollte ihre Partei ab Herbst mit an die Regierung im Bund kommen. „Die soziale Frage ist als Kern in unsere Gene geschrieben.“
Die Linke kommt bei Umfragewerten von sechs bis acht Prozent nicht von der Stelle. Bis zum erklärten Ziel, zweistellig bei der Bundestagswahl zu werden, ist es noch viel Arbeit. Die Parteichefin ruft zur Geschlossenheit auf. Geschlossen, beschlossen: Unter anderem will die Linke das Rentenniveau wieder auf
53 Prozent und den Mindestlohn auf
13 Euro anheben, eine Grundsicherung von 658 Euro einführen, ebenso eine solidarische Mindestrente von
1200 Euro sowie einen Mindesturlaubsanspruch von 36 Tagen im Jahr. Und dann noch „Sekt statt Selters“: Die Schaumweinsteuer soll auch abgeschafft werden.
Hennig-Wellsow weiß denn auch: „Ich spüre eine gewisse Angst und Furcht, dass wir es nicht schaffen. Aber ich sage euch: Wir gehen nicht zu Boden.“Klingt nach Angst vor einem K.o.-Schlag. Dann erzählt die Linke-Chefin über eine eigene Friedensmission. „Ich war gestern bei Oskar.“Der Linke-Fraktionschef im saarländischen Landtag, Oskar Lafontaine, liegt seit Wochen im Clinch mit dem dortigen Landesvorstand. Lafontaine hatte tatsächlich dazu aufgerufen, den Spitzenkandidaten
der Saar-Linken für die Bundestagswahl, Thomas Lutze, nicht zu wählen. Bei „Oskar“sei sie gewesen, „weil wir miteinander reden müssen“. Kleine Pause. „Miteinander!“Das könnte auch für den Streit um Sahra Wagenknecht, Lafontaines Ehefrau, gelten, die Spitzenkandidatin der Linken in Nordrhein-Westfalen ist. Dort haben die Genossen mittlerweile ein Parteiausschlussverfahren gegen Wagenknecht beantragt, weil sie der früheren Bundestagsfraktionschefin vorwerfen, sie habe in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“Thesen aufgestellt, mit der sie der Partei „schweren Schaden“zugefügt habe. Sie spricht von „Lifestyle-Linken“und hält ihrer Partei vor, sich mit Biolebensmittel- oder Klimadebatten von Menschen mit geringem Einkommen entfernt zu haben.
Wie hatte Hennig-Wellsow über „zwei aufregende Tage“noch gesagt? „Wir gemeinsam rocken das. Wir schaffen das.“Sie muss daran glauben. Sie ist die Vorsitzende.